Terrororganisation hat Zugriff auf internationales Bankensystem -
Im Krieg gegen den Islamischen Staat sind sich alle einig: Man kann ihn nicht nur militärisch gewinnen, sondern man muss die Geldflüsse an die Islamisten stoppen, ihnen den Zugang zum internationalen Finanzsystem verwehren. Umsetzen muss das jedoch Assad, der selbst mit den Islamisten Geschäfte macht. Kontraste Recherchen ergeben: Mitten in der Islamistenhochburg Rakka in Syrien haben die Islamisten eine Bank in ihrem Besitz, über die sie weltweit ihre Geschäfte abwickeln können.
Anmoderation:
Man muss den Terroristen des Islamischen Staats international den Geldhahn zudrehen! Das hören wir seit Langem immer wieder, von Politikern und Fachleuten, wenn es um die Frage der Bekämpfung des IS geht. Die Idee ist so naheliegend, dass eigentlich die Welt davon ausging, dass das längst passiert sei. Doch wie die Recherchen meiner Kollegen Rene Althammer, Chris Humbs und Nele Husmann zeigen, hat der IS trotz Sanktionen nach wie vor ungehinderten Zugang zum Weltbankensystem!
Krieg in Syrien!
Dieses Video zeigt einen Angriff auf ein Bargelddepot des IS. Nach der Explosion wirbeln Geldscheine durch die Luft - so das Pentagon. Der Islamische Staat soll Millionen verloren haben.
Viele IS Kämpfer sind Söldner und lassen sich für ihre Morde bezahlen. Der Krieg ist teuer. Ohne frisches Geld kann der IS seinen Kampf auf Dauer nicht fortführen. International sind sich deshalb alle einig – man muss:
John Kerry
"Den IS auf dem Schlachtfeld bekämpfen und seine Finanzierungsquellen begrenzen“
Ursula von der Leyen
"Da gehört der wirtschaftliche Prozess dazu, nämlich ihm auch die Finanzströme trockenlegen"
Aber das ist schwierig: Dieses Video soll zeigen, wie Öltransporter des IS auf dem Gelände einer türkischen Raffinerie parken, so das russische Verteidigungsministerium. Angeblich verdient der IS mit dem Ölverkauf ins Ausland täglich Millionen.
Hinzu kommen Lösegeldforderungen für Geiseln. Sowie Geschäfte mit Kulturgütern, die vom Sturm der Zerstörung verschont geblieben sind. Sammler in der westlichen Welt zahlen hierfür Millionen – an den IS. Globale Geschäfte also.
Beim G20 Gipfel in November bekräftigte Merkel nochmals:
O-TON Angela Merkel, CDU, Bundeskanzlerin
"…wichtig ist, das hat dann auch wieder Beziehung auch zu den Finanzmärkten – dass man die Geldflüsse der Terroristen stoppt."
Nun haben Recherchen von "Kontraste" ergeben: Banken im IS-Gebiet sind noch immer mit den Finanzzentren der Welt verbunden. Über die Zentralbank in Damaskus und die Server des belgischen Bankdienstleisters Swift in La Hulpe. SWIFT vernetzt wiederum alle Finanzzentren der Welt. Der Bankdienstleister hält das Monopol für diesen globalen Datenaustausch.
Auf der Homepage von SWIFT der aktuelle Status der Banken im IS-Gebiet.: „connected“, die Verbindung zwischen Finanzwelt und dem IS steht.
Wie hier: zur Commercial Bank of Syria in der 600.000 Einwohner zählenden Islamistenhochburg Rakka.
Der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag ist überrascht:
O-TON Gerhard Schick, MdB, Bündnis 90/Grünen, Finanzpolitischer Sprecher
Ich hätte erwartet das diese Möglichkeiten - das Banken noch über SWIFT aus dem IS Territorium heraus tätig sind - dass die längst gekappt wären. Scheint aber nicht der Fall zu sein.
Frage: Haben sie eine Erklärung dafür?
"Ich finde das absolut unverständlich warum man noch Banken im IS Territorium an den internationalen Finanzmärkten aktiv sein lässt über SWIFT.“
Ralph Brinkhaus, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Finanzexperte der CDU im Bundestag ist deutlich weniger erstaunt über diese Connection?
Ralph Brinkhaus, MdB, CDU, stellv. Fraktionsvorsitzender
"Wir wussten, dass Swift ein Thema ist, das ist in der Politik bekannt…es ist uns auch immer klar gewesen, dass Banken im IS Gebiet und das ist auch genau richtig, Banken im IS Gebiet, da muss man jetzt gucken inwieweit die genutzt werden, um Geschäfte auch entsprechend abzuwickeln, dass die am internationalen Zahlungsverkehrssystem dranhängen."
Welche Geschäfte der IS über SWIFT tatsächlich abwickelt, dafür hat sich bis jetzt niemand so recht interessiert. Man weiß nur, dass die Verbindung zu den Terroristen steht.
O-TON Ralph Brinkhaus, MdB, CDU, stellv. Fraktionsvorsitzender
Frage: irritierend oder?
"Das ist erstmal irritierend, wenn solche Geschäfte gemacht werden, aber Swift als privat organisierte Institution nimmt für sich erst mal in Anspruch, dass sie neutral ist.
„Aber trotzdem, ich bin Kontraste dankbar, dass sie das Thema hochziehen, weil ich glaube, wir sollten da drüber intensiver diskutieren"
Seit Wochen versuchen wir jemanden von SWIFT in La Hulpe, südlich von Brüssel vor die Kamera zu bekommen. Ohne Erfolg. Das Firmengelände ist hermetisch abgeriegelt. Jegliche Dreharbeiten sind unterwünscht. SWIFT, der Monopolist in Sachen internationale Bankentransaktionen, igelt sich ein, auch schriftliche Anfragen werden nicht beantwortet.
Warum kappt SWIFT die Verbindung zu den Banken im IS-Gebiet nicht? Auf der Homepage heißt es dazu:
„Wir sind neutral“
Und als
„…global agierende Genossenschaft wird SWIFT durch seine Gemeinschaft von Nutzern auf der ganzen Welt definiert.“
Teilhaber von SWIFT sind unter anderem die Deutsche Bank und die Commerzbank. Keines der Finanzhäuser will sich gegenüber Kontraste zur IS-Connection äußern. Niemand schreitet ein. Auch nicht die EU-Kommission, die jederzeit anordnen könnte, dass SWIFT seine Leitungen zum IS kappt.
Von der Kommission erfahren wir nur:
Die EU richte sich nach der UN – und die habe keine Maßnahmen vorgesehen, den IS von SWIFT abzukoppeln.
Wolfgang Schäuble ist eine der zentralen Figuren für Sanktionen im globalen Finanzbereich:
Auch er steht für ein Interview nicht zu Verfügung. Schriftlich lässt der Minister zur globalen Terrorfinanzierung durch IS-Banken erklären:
Zitat Schäuble
"SWIFT ist … darum bemüht, dieses Risiko auf ein Minimum zu reduzieren.“
Das Risiko reduzieren, dass der IS SWIFT für seine Geschäfte nutzt? Wie soll das gehen? Ein bisschen schwanger ist schlecht möglich!
Die IS-Banken hängen am SWIFT-Netz. Sie haben wie alle SWIFT-Kunden freie Bahn zur Finanzwelt! Grenzenlosigkeit: damit wirbt SWIFT in diesem Video.
O-TON Ralph Brinkhaus, MdB, CDU, stellv. Fraktionsvorsitzender
"ich würd jetzt die Verantwortung für die Sache jetzt weniger bei SWIFT suchen, sondern die Verantwortung ist in der Politik. Und wenn Swift die klare Ansage kriegt von der Politik, wenn es auch sanktioniert würde, dann muss Swift auch entsprechend handeln, also wie gesagt, der Ball liegt bei uns, bei der Politik."
Bis dato glaubte man auf Seiten der Politik mit Sanktionen gegen Einzelpersonen und Firmen, die dem IS zugerechnet werden, die Geldflüsse der Terroristen im Griff zu haben.
O-TON Gerhard Schick, MdB, Bündnis 90/Grünen, Finanzpolitischer Sprecher
"Solange der SWIFT-Kanal offen ist, ist das umgehen der Sanktionen viel leichter als wenn dieser Kanal gestoppt wäre. Alles was über internationale Finanzmärkte wissen ist eben, dass ganz viele Scheinfirmen und Strohmänner und Strohfirmen da sind.“
Die Gelder des IS können so bei den Großbanken landen. Das weiß auch der Chef der Sanktionsüberwachung der Vereinten Nationen. Die Herkunft des durch Terror erbeuteten Geldes wird im System verschleiert.
O-TON Hans-Jakob Schindler, Leiter Sanktionsüberwachung der Vereinten Nationen "Man muss sich auch bewusst sein, dass der IS mit Personal versehen ist, die Geldtransfers für Terrorismusfinanzierung seit mindestens zwei Dekaden schon machen. Also wir wissen Individuen, die für Al-Qaida in Afghanistan Geldtransfers gemacht haben und jetzt für IS arbeiten. Das heißt, man hat auf der Gegenseite Personal, das durchaus Geldwäsche sehr gut versteht. Man muss über innovative Lösungen nachdenken. Man muss sich bewusst sein, dass auf Seiten des IS alle Möglichkeiten genutzt werden.“
Warum werden dann die Banken im IS-Gebiet nicht einfach von SWIFT getrennt?
Das Problem ist Assad. Seine Zentralbank in Damaskus müsste die Stecker zu den Banken im IS-Gebiet ziehen. So wie im Irak. Dort hat die Regierung Banken im IS-Gebiet abgekoppelt.
Assad dagegen braucht aber offensichtlich die Bankverbindung zu seinen Feinden.
Im Auswertigen Amt sammelte man Informationen über seine Geschäfte mit dem IS – auch ISIS genannt.
O-TON Sawsan Chebli, Auswärtiges Amt
"Was wir wissen ist, dass das Assad-Regime in größeren Teilen von ISIS Öl bezieht. Da haben wir Belege und Beweise, dass das der Fall ist."
International Druck auf Assad aufzubauen, damit er die SWIFT-Leitungen kappt, ist schwierig. Sein Regime wird von Russland protegiert.
Es bleibt also nur: von Belgien aus ganz Syrien vom SWIFT-Netz zu trennen. Das wäre mit einem Handgriff erledigt.
Für den Iran haben das die Vereinten Nationen bereits einmal angeordnet. Mit großem Erfolg.
Die Geschäfte des Iran brachen daraufhin zusammen. Die Machthaber lenkten letztlich ein und unterzeichneten das Nuklearabkommen.
Chip Poncy berät die US-Regierung im Bereich Terrorismusbekämpfung. Für ihn kommt die Abtrennung Syriens von SWIFT nicht in Frage, weil Russland das nie hinnehmen würde.
O-TON Chip Poncy, Terrorismusexperte
"Es ist klar, die Russen unterstützen das Assad Regime. Sind sie wirklich Willens, die Geldfluss nach Syrien abzubrechen, die aus ihrer Sicht ihre Verbündeten sind?"
Trauerminute für die IS-Opfer in Paris - Die EU-Mitgliedsstaaten wissen, würden sie Syrien gegen den Willen Russlands vom SWIFT-Netz trennen, dann hätte dies weitreichende Folgen.
O-TON Chip Poncy, Terrorismusexperte
"Die Möglichkeit, eine Allianz aufzubauen, würde zerschossen werden. Die braucht es aber, um den IS zu besiegen."
Putin geht es bei SWIFT aber nicht nur um Syrien. Als das Europäische Parlament Ende 2014 beschloss, Russland für die Besetzung ukrainischer Gebiete zu sanktionieren, in dem man Moskau vom SWIFT-System trennt - drohte der russische Spitzenbänker Andrej Kostin dem Westen:
Zitat Kostin
“…nach meiner persönlichen Ansicht würde es Krieg bedeuten, wenn diese Art von Sanktionen eingeführt würde.”
Wuchtige russische Rhetorik …
Sprecher Kreml
“Vladimirowitsch Putin”
… der Erfolg zeigt. Putin konnte durch das Säbelrasseln verhindern, dass Russland von SWIFT abgetrennt wurde.
Seither verzichtet der Westen offenbar darauf, dieses Sanktionsmittel einzusetzen – und nimmt damit in Kauf, dass durch das SWIFT-Netz Terror und Krieg befördert werden können.
Beitrag von Chris Humbs, René Althammer und Nele Husmann
Abmoderation:
Ein Dilemma, aus dem es in absehbarer Zeit wohl keinen Ausweg gibt.