Köln in Berlin! -
In Berlin sind unter den Augen der Polizei und des Berliner Senats "rechtsfreie Räume" entstanden. Drogendealer und kriminelle Antänzer beherrschen zahlreiche öffentliche Plätze. Weil sie kaum mit Konsequenzen rechnen müssen, gehen die Kriminellen immer aggressiver vor. Geschäftsleute werden bedroht, Frauen sexuell belästigt. Während Bayern eine Null-Toleranz-Linie in Sachen Drogen- und Kleinkriminalität verfolgt, glänzt die Berliner Politik durch Konzeptlosigkeit.
Anmoderation: Nein, Berlin ist nicht Köln. Nein, in Berlin gibt es keine rechtsfreien Räume. In der deutschen Hauptstadt gibt es keine Straßen und Plätze, die von Kriminellen beherrscht werden. Davon scheint jedenfalls der Berliner Innensenator überzeugt. Doch an zahlreichen öffentlichen Plätzen fühlen sich Berliner und Touristen schon lange nicht mehr sicher. Meine Kollegen Caroline Walter und Christoph Rosenthal zeigen, wie wenig die Hauptstadt der Straßenkriminalität Herr wird.
Berlin, Kottbusser Tor – ein Platz mitten im beliebten Ausgeh- und Touristenviertel von Kreuzberg. Seit einem Jahr beherrschen hier Kriminelle aus Nordafrika den öffentlichen Raum. Geschäftsleute wie Ali Durmus sind verzweifelt. Vor seiner Bäckerei lungern die Drogendealer herum und schrecken die Kunden ab.
O-Ton Ali Durmus
"Saufen, Laufen, Krach, Klauen, Ärger, Anfassen, ach hör auf. Es ist wirklich sehr, sehr gefährlich am Kotti."
Auch andere Ladeninhaber und Anwohner berichten über ein Klima der Angst.
O-Töne Geschäftsleute
"Jeden Tag, wirklich jeden Tag sind wir Augenzeuge von einer Straftat."
"Sie sind respektlos und gewalttätig."
"Es ist halt so dreist, dass die auch die Leute die direkt auf den Stühlen hier vorm Laden sitzen direkt angreifen und direkt bestehlen."
"Das, was ist Köln passiert ist, ist nichts. Das passiert hier jeden Tag, jeden Tag. Messerstechereien vor unseren Augen und Mord war auch schon, aber nichts kann aufgelöst werden, weil die Leute einfach verschwinden."
Die so genannten Antänzer sind hier schon lange ein Problem. Wir beobachten die Szene mit versteckter Kamera. Mitten auf dem Platz werden Drogen verkauft – dieser Dealer sagt, er sei Asylbewerber aus Tunesien. Gleich daneben entdeckt ein Taschendieb sein nächstes Opfer und spioniert die Frau aus.
Samstagabend vor Ort: Wie gefährdet ist man an diesem öffentlichen Platz, vor allem als Frau?
In unserem Rucksack steckt vorsichtshalber nur ein leeres Portemonnaie. Schon in der Unterführung wird eine Gruppe junger Frauen belästigt – als Schlampen beschimpft.
"Ficki, ficki".
Als unsere Reporterin an den Männern vorbeigeht, steigt plötzlich Angst in ihr hoch. Sie spürt: jemand ist in ihrem Nacken. Später stellt sie fest, ihr wurde genau in dieser Situation das Portemonnaie aus dem Rucksack geklaut.
Einen der Verdächtigen sehen wir kurz darauf wieder. Diesmal versucht er, ein Paar zu bestehlen – es kommt zur Rangelei. Der Dieb schmeißt eine Flasche nach ihnen. Jetzt beginnt eine Verfolgungsjagd – oben in der Passage wird der Täter gestellt, aber die Situation eskaliert. Was wir nicht zeigen, der Dieb wird verprügelt. Die Nerven im Viertel liegen blank. Es droht Selbstjustiz.
Nach einem Notruf treffen Polizisten ein – sie nehmen die Personalien des Libyers auf – dann lassen sie ihn wieder laufen.
Alltag am Kottbusser Tor. Die Polizei hat es bisher nicht geschafft, die Lage in den Griff zu kriegen – die kriminellen Banden sind unbeeindruckt.
Bereits seit einem Jahr schreiben Sozialarbeiter Ercan Yasaroglu und die Geschäftsleute Brandbriefe an die Politik. Der Berliner Innensenator antwortete im Sommer lapidar – die Kriminalität sei nicht gestiegen, das wäre nur das "subjektive Empfinden" der Bürger.
O-Ton Ercan Yasaroglu
"Sozusagen Berliner Senat nie diese rechtsfreie Raum Verantwortung übernommen. Sich nicht verantwortlich gefühlt. Weil bis jetzt keine Handlungen gibt es."
O-Ton Gewerbetreibender
"Wir fühlen uns im Stich gelassen von der Politik, vom Senat, von der Polizei. Wir haben uns sehr oft mit den Politikern getroffen, wirklich versucht mit jedem zu reden. Es tut sich da halt nichts."
Wie ernst die Situation ist, zeigen die Zahlen: Es wurden im letzten Jahr allein an diesem Platz 2116 Diebstähle angezeigt. Die Gewalttaten sind um fast 30 Prozent gestiegen, Raub um 55 Prozent.
Diese Zustände seien das Ergebnis, der jahrelangen Sparpolitik bei der Berliner Polizei - kritisiert die Gewerkschaft.
O-Ton Bodo Pfalzgraf, Deutsche Polizeigewerkschaft Berlin
"Derzeit kann ich abseits der Polizei, die natürlich Bekämpfungskonzepte hat, die aber personell kaum umsetzen kann, kann ich aus der Politik kein großes Gesamtkonzept erkennen, dass diese Brennpunkte und diesen Sumpf trocken legen kann."
In Berlin gibt es mittlerweile zahlreiche Brennpunkte mit Drogenkriminalität, die man nicht mehr unter Kontrolle hat.
Hier an der U-Bahnstation Görlitzer Bahnhof bedrängen uns die Drogendealer schon beim Aussteigen.
Draußen ist gerade die Polizei im Einsatz. Trotzdem stehen zig Dealer völlig entspannt herum. Dieser will uns harte Drogen wie Kokain oder das gefährliche Aufputschmittel Speed verkaufen.
Reporter: "Hast Du keine Angst vor der Polizei?"
Dealer: "Wer?"
Reporter: "Du!"
Dealer: "Nein!"
Drogenhandel direkt vor den Augen der Polizei.
Warum die Kriminellen so dreist agieren, das berichtet uns exklusiv ein verdeckter Ermittler der Berliner Polizei.
O-Ton Verdeckter Ermittler
"Wir erleben tagtäglich, bei Antänzern oder Dealern, dass wir die Täter festnehmen, teilweise 20, 30, 40 Mal und sie dann von der Justiz wieder laufen gelassen werden. Das ist frustrierend, weil sich die Täter bereits totlachen, wenn wir sie festnehmen, weil die wissen, sie sind gleich wieder auf der Straße."
Die Folge sei – die Täter würden immer gewaltbereiter gegenüber ihren Opfern und auch der Polizei.
O-Ton Verdeckter Ermittler
"Es ist definitiv so, dass bisher viel verharmlost wurde – wie Taschendiebstahl oder das Dealen im kleinen Stil. Das ist halt die Politik hier in Berlin seit langem. Man tritt das Sicherheitsgefühl der Bürger mit Füßen, weil man nicht durchgreift und keine richtigen Strafen verhängt."
Ganz anders in München: Hier, am Hauptbahnhof entsteht gerade eine neue Drogenszene, die Dealer größtenteils Asylbewerber. Die Polizei ist massiv im Einsatz, Uniformierte machen Druck mit ständigen Personenkontrollen. Während verdeckte Ermittler die Dealer beschatten.
Dieser Mann aus Eritrea wurde beobachtet, als er Drogen aus seinem Versteck holte. Dann der Zugriff: Die Beamten untersuchen ihn jetzt gründlich. Er wird abgeführt, sie finden Cannabis bei ihm. In München drohen Dealern harte Strafen.
Hubert Halemba, der Leiter der Drogenfahndung, berichtet, dass Polizei und Justiz an einem Strang ziehen, um abschreckende Urteile zu erreichen.
O-Ton Hubert Halemba, Drogendezernat München
"Die Justiz hier in Bayern liefert einen wichtigen Beitrag, um diesem Problem zu begegnen. Wir führen die deutlich früher dem Untersuchungsrichter vor, der dann auch Haftbefehl erlässt. Und in der Konsequenz dann auch Freiheitsstrafen ausgesprochen werden."
In München verfolgt man seit langem ein umfassendes Konzept, damit Brennpunkte erst gar nicht entstehen.
O-Ton Hubert Halemba, Drogendezernat München
"Der größte Fehler ist, wenn die Polizei zu lange dem Ganzen zuschaut. Also wir gehen sehr frühzeitig an das Problem heran und dadurch verhindern wir nicht nur den Rauschgifthandel, sondern auch die Delikte wie Körperverletzungs- oder Eigentumsdelikte oder Sachbeschädigung im öffentlichen Raum."
Wie erfolgreich die Strategie der Münchner ist, zeigt sich auch hier am Sendlinger Tor. Die Drogenszene ist verschwunden, vor allem durch die mobile Videoüberwachung. Wenn die Dealer dann ausweichen, wandert die Kamera mit, so kann sich nichts verfestigen. Zustände wie in Berlin seien hier undenkbar.
O-Ton Hubert Halemba, Drogendezernat München
"Ich denke, dass man in Berlin ganz gut beraten ist, auf die Erfahrungen von München zurückzublicken. Bei uns hat sich diese Maßnahme bewährt. In Berlin ist es bereits fünf nach zwölf und da sollte man nicht mehr mit einzelnen Modellprojekten arbeiten."
Zurück in Berlin: Hier ist die Videoüberwachung ein absolutes Reizthema. Der Berliner CDU-Innensenator plant nur ein Modellprojekt, mehr ist mit dem Koalitionspartner SPD nicht zu machen. Abwarten, diskutieren – typisch Berlin.
Währenddessen verfestigt sich auch in Berlin-Moabit ein Brennpunkt. Ständig belästigen hier Dealer aus Nordafrika Passanten, preisen offensiv ihre Drogen an. Ein dunkler Park - die Taschendiebstähle und Gewalttaten haben hier stark zugenommen. Die Bürger sind wütend.
O-Töne Passanten:
"Ich find es fürchterlich. Ich habe auch Angst abends als Frau, wenn ich von der Arbeit komme, von der Veranstaltung komme, hier langzugehen, weil wir auch belästigt werden."
"Der Park war eigentlich sehr, sehr schön gedacht hier. Die haben sehr viel Geld investiert hier auch, aber durch diese Tunesier und so was, haben die alles hier kaputt gemacht. Wirklich, dass sie hier die Leute ansprechen, auf Haschisch und so was. Passt wirklich nicht."
"Ich find das total heftig, vor allem dass es so erlaubt wird halt. Jeder weiß es und keiner macht was."
Ralph Knispel ist von der Vereinigung der Berliner Staatsanwälte. Er kritisiert, dass der politische Wille fehlt, eine Null-Toleranz Strategie gegen alle Straftäter durchzusetzen.
O-ton Ralph Knispel, Vereinigung Berliner Staatsanwälte
"Ob und gegebenenfalls welches Konzept die Politik hat, erschließt sich uns nicht. Tatsache ist allerdings, dass diese Strafverfolgung nicht wie beispielsweise in München vollzogen wird. Und das ist über Jahre hingenommen worden, es ist über Jahre gespart worden, sowohl bei der Polizei als auch der Justiz in der irrigen Annahme, dass das mit gleichem Personalbestand ordnungsgemäß bearbeitet werden könnte. Wir haben schon immer davor gewarnt, es sind dann genau jetzt diese Folgen eingetreten."
Organisierte Straßenkriminalität, die sich ausbreitet, weil die Berliner Politik versagt.
Beitrag von Caroline Walter und Christoph Rosenthal