Geldscheine hängen an einer Wäscheleine, Quelle: rbb

Bargeldgeschäfte ohne wirksame Kontrolle - Geldwäscheparadies Deutschland!

Ob Drogenhandel, Menschenschmuggel oder Schwarzarbeit: die Gewinne aus illegalen Geschäften gelten landläufig als Schwarzgeld. Um zu verhindern, dass Schwarzgeld in den legalen Geldkreislauf Eingang findet, wird in anderen Ländern der Bargeldverkehr immer stärker eingeschränkt. In Italien kann man heutzutage beispielsweise nicht mal mehr einen Motorroller bar bezahlen. In Deutschland jedoch gibt es keine Obergrenzen für Geschäfte mit Bargeld.

Anmoderation: Urlaubszeit in ganz Europa: Auch Deutschland gilt als beliebtes Reiseziel, ganzjährig. Doch es locken nicht nur Neuschwanstein, Berlins Nachtleben und Sauerkraut, sondern - vor allem auch der Ruf Deutschlands als herrliches Geldwäsche-Paradies! - Ob Schwarzgeld aus Drogenhandel, Menschenschmuggel oder Schwarzarbeit -  in Deutschland kann es wie in kaum einem anderen europäischen Land so unbemerkt wieder reingewaschen werden. Hier ist wahr, was der Volksmund sagt: Bargeld lacht. Und wie, berichten Susanne Katharina Opalka und Sascha Adamek.

Frankfurt Main Flughafen. Wir begleiten Spürhündin Aki bei der Suche nach geschmuggeltem Bargeld. Gute 100000 Euro hat Aki schon erschnüffelt. Warum ist Bargeld eigentlich so interessant für Fahnder vom Zoll?

O-Ton Thomas Eigenthaler, Bundesvorsitzender Deutsche Steuer-Gewerkschaft
Bargeld ist einer Wirtschaft ein Risikofaktor, ich würde sogar sagen im Hinblick auf Geldwäsche und Steuerhinterziehung ein Hauptrisikofaktor.

O-Ton Igor Angelini, Europol
Große Barzahlungen sind hochgradig anfällig für Geldwäsche und Terrorfinanzierung.

Aber warum ist gerade Deutschland so attraktiv für Geldwäscher? Nehmen wir an, wir haben Geld, viel Geld. Bargeld. Und dieses Geld wollen wir legal unterbringen. Schmuck? Oder doch lieber ein Auto?

O-Ton Reporter
Ich möchte den Wagen so wie er hier steht jetzt sofort mitnehmen.

O-Ton Händler
Sie müssen das Auto einfach bar bezahlen.

O-Ton Reporter
47.000 cash, kein Problem?

O-Ton Händler
47.000 gar kein Problem, nehmen wir gerne entgegen.

Problemlos wandern Tausende Euro über den Tresen - Jahr für Jahr, Milliarden.  In Deutschland darf jeder ohne Limit bar bezahlen.

Nirgendwo in Europa wird so häufig bar bezahlt wie in Deutschland. Das macht das Land attraktiv für Geldwäscher. Wie Schwarzgeld in den legalen Wirtschaftskreislauf geschleust wird, funktioniert - vereinfacht dargestellt so:

Kriminelle müssen ihr mit Drogen-, Waffen- oder Menschenhandel generiertes Schwarzgeld los werden, um nicht aufzufliegen. Also kaufen sie davon Luxusgüter, Autos, Immobilien oder Restaurants - das Geld ist nun ganz legal investiert. Jetzt können sie wieder verkaufen - ganz legal - so wird aus schmutzigem sauberes Geld.

Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamter  ist ein erfahrener Geldwäscheermittler.

O-Ton Sebastian Fiedler, Bund Deutscher Kriminalbeamter
Ein Geldwäscher versucht nichts anderes als Geld aus Straftaten so erscheinen zu lassen, als käme es aus legalen Aktivitäten. Das kann bedeuten, das Bargeld aus Straftaten eingebracht wird, in die man zum Beispiel Fahrzeuge dafür erwirbt, in dem man teure Kunstgegenstände dafür erwirbt. Es kann bedeuten, das Bargeld eingebracht wird in Gastronomiebetriebe und anschließend geschleust wird, über verschiedene Landesgrenzen hinweg.

Geldwäsche: Schritt für Schritt wird die Spur des Geldes verschleiert. In Italien zum Beispiel setzt man genau hier an. Ein Motorrollerhandel in Rom. Wir interessieren uns für dieses Modell. Der Preis: 4370 Euro.

O-Ton Reporter
Entschuldigung, könnte ich auch bar bezahlen?

O-Ton Händler
Nein, das geht nicht.

O-Ton Reporter
Warum?

O-Ton Händler
Das Gesetz verbietet es. Mit Bargeld können Sie nur bis 999 Euro bezahlen.

In Italien gilt eine gesetzliche Bargeldobergrenze von 1000 Euro. So will der Staat die Geldwäsche der Mafia bekämpfen.

In Deutschland gibt es kein Limit. Stattdessen müssen Händler wie unser Autoverkäufer oder Bankangestellte und andere Gewerbetreibende bei Zahlungen von über 15000 Euro nur dokumentieren, von wem das Geld kommt.

O-Ton Händler
Ich muss Ihren Personalausweis entgegennehmen, um Ihre Identifizierung zu prüfen.

Nach dem Geldwäschegesetz muss unser Händler also die Personalien des Kunden aufschreiben. Und nur, wenn er Verdacht auf Geldwäsche schöpft, muss er auch eine Verdachtsmeldung bei den Behörden abgeben. So liegt es am Verkäufer zu entscheiden, ob jemand verdächtig ist oder nicht.

Frage: Wie schätzen Sie ab, ob der Kunde weißes oder schwarzes Geld hat?

O-Ton Händler
Aufgrund der Personaldokumente und dann gibt es auch ein gewisses Vertrauen, auf einer gewissen Vertrauensbasis  und dann geht das Ganze auch um Menschenkenntnis, sag ich mal. Ob das der Fall sein könnte oder nicht, das wird dann im Nachgang geprüft.

Menschenkenntnis? In Deutschland verlässt sich der Staat auf den Spürsinn privater  Unternehmer. Viele auf der Düsseldorfer Kö sind davon nicht begeistert.

O-Ton Dieter Blome, Luxusuhren-Händler
Wir wollen ja auch nicht die Polizei spielen hier. Wie können wir nicht jeden Kunde, der hereinkommt und Bargeld bezahlt, kriminalisieren und sagen, mein Gott, wie kommt dann das Geld her. Das kann man natürlich nicht machen.

Was der Uhrenhändler meint, bestätigt auch die Statistik über die Verdachtsmeldungen 2013 des BKA: bei 20 Milliarden Bankbewegungen machen Banken gerade mal 16683 Meldung über verdächtige Zahlungen. Versicherungen 2213. Und gerade einmal 100 Händler und nur 14 Immobilienmakler erstatteten eine Verdachtsanzeige. Schlagkräftig ist anders.

Igor Angelini, Europol

Große Bar-Zahlungen dienen oft der Geldwäsche, und daher empfehlen wir die Anwendung von Bargeldobergrenzen für Zahlungen in Europa. Das ist eine unserer Empfehlungen. Einige Länder haben das bereits eingeführt.

Auf der Spur des Geldes hat die Polizei in Deutschland ein schweres Spiel. Wenn Täter einmal auffliegen, fallen der Polizei gleich bündelweise Bargeld und teure Autos in die Hände. Die Behörden gehen von geschätzten 50 Milliarden Euro Schwarzgeld aus.  

Fahnder wollen die kriminellen Geldströme nun eindämen. Dazu fordern sie für alle Zahlungen eine gesetzliche Bargeldobergrenze von 10.000 Euro, ab der alle dann per Karte oder Überweisung zahlen müssten.

Sebastian Fiedler, Bund Deutscher Kriminalbeamter
Wenn wir eine Grenze einziehen, und sei sie nur bei 10.000 Euro, dann machen wir es den Tätern schwerer. Weil sie eine Papierspur hinterlassen müssen, wenn sie über Bankkonten entsprechende Kaufvorgänge vornehmen müssen.

Wer die Organisierte Kriminalität wirksam bekämpfen will, muss also ihre Geldbewegungen behindern und offenlegen. Deshalb fordert die europäische Polizeibehörde Europol in Den Haag ein gemeinsames Vorgehen der EU.

Für den Chef der Europol-Finanz- und Geldwäsche-Abteilung, Igor Angelini, ist eine Bargeldobergrenze zwingend erforderlich:

O-Ton: Igor Angelini, Europol
Große Bar-Zahlungen dienen oft der Geldwäsche, und daher empfehlen wir die Anwendung von Bargeldobergrenzen für Zahlungen in Europa. Das ist eine unserer Empfehlungen. Einige Länder haben das bereits eingeführt.

Längst ist Deutschland von Ländern mit einer Bargeldobergrenze umgeben. Warum die Europol-Empfehlung nicht umgesetzt wird? Dazu lehnt Bundesfinanzminister Schäuble ein Interview ab. Schriftlich heißt es lediglich: das Ob und Wie "ist derzeit in der Diskussion".

Während die deutsche Politik diskutiert, hat man in anderen Ländern längst härtere Instrumente ergriffen - um Bargeldströme effizient zu kontrollieren.

Auch hier hilft ein Blick nach Italien. Jeder Händler muss eine Registrierkasse haben, und die sorgt für die permanente Kontrolle der Geldflüsse. Denn in jeder Kasse steckt ein kleiner Chip, der die Umsätze in Echtzeit verbucht. Ob bar oder Karte - alles wird registriert.

Bei Europol berichtet man uns am Beispiel einer Pizzeria, wie wertvoll digitale Aufzeichnungen im Kampf gegen die Geldwäsche sein können:

Igor Angelini, Europol
Durch die Nutzung einer automatischen Umsatzaufzeichnung haben sich Widersprüche von Umsätzen und Kosten ergeben. Wenn Sie Dutzende Kunden am Tag angeben, aber nur wenige Servietten reinigen lassen, ist das verdächtig. In dem Fall wollten Kriminelle Schwarzgeld in den Geldkreislauf des Restaurants mischen, um Geld aus kriminellen Aktivitäten zu waschen.

Deutsche Restaurants müssen nicht einmal Registrierkassen nutzen. Und wenn sie es tun, sind viele hochgradig manipulationsanfällig. Zum Beispiel könnten Umsätze nachträglich wieder gelöscht werden, um dafür keine Steuern zu zahlen.

Um solche Manipulationsversuche aufzuzeichnen, wurde längst dieser Chip entwickelt. Gut nicht nur gegen Geldwäsche sondern auch gegen ein anderes Delikt: Steuerhinterziehung.

Der Bundesrechnungshof fordert deshalb schon seit zehn Jahren eine Lösung. In einem aktuellen, internen Bericht, der KONTRASTE vorliegt, schlagen die Prüfer wieder Alarm:

Zitat:
Die Steuerausfälle bei bargeldintensiven Unternehmen haben ein erhebliches Ausmaß erreicht. Selbst bei einer Eisdiele stellte ein Finanzamt Steuerhinterziehung von 1,9 Millionen Euro fest. Die jährlichen Steuerausfälle werden auf bis zu 10 Milliarden Euro geschätzt.

Seit Jahren fordert der Rechnungshof daher eine Registrierkassenpflicht. Damit ließen sich zugleich Schwarzgeldströme und Steuerhinterziehung aufdecken.

Doch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sieht keinen Grund zur Eile. Er möchte auf eine gemeinsame europäische Lösung warten - das kann Jahre dauern. In einem internen Schreiben, das KONTRASTE ebenfalls vorliegt, plädiert er vorläufig für eine "Einführung (…) auf freiwilliger Basis."

Der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft ist entsetzt:

Thomas Eigenthaler, Bundesvorsitzender Deutsche Steuer-Gewerkschaft
Insbesondere vom Bundesfinanzminister und seinem Haus erwarte ich, dass wirkungsvolle Vorschläge gemacht werden, um Steuerhinterziehung in einem milliardenschweren Ausmaß zu unterbinden.

Von den geschätzten jährlich 50 Milliarden Euro Schwarzgeld gehen den Fahndern nur wenige Millionen ins Netz. Schlagkräftige Politik sieht anders aus.

 

Beitrag von Susanne Katharina Opalka & Sascha Adamek