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Obwohl der Tarifvertrag in der Zeitarbeitsbranche den Einsatz von Streikbrechern ausschließt, lief das Geschäft beim Discounter REAL trotz Streik weiter. Leiharbeiter kassierten, packten und bedienten. Die Angst sitzt tief, den Job zu verlieren.
Die offiziellen Koalitionsverhandlungen haben noch nicht einmal begonnen, da rangeln die Parteien schon um Kompromisse: Mindestlohn, Betreuungsgeld, Mietpreisbremse, alles wird in die Debatte gebracht. Auch der Missbrauch von Leih- und Zeitarbeit! Die Kanzlerin kann es sich vielleicht nicht vorstellen: Aber viele Menschen, vor allem Frauen, arbeiten tatsächlich seit Jahren in Leiharbeits-Verhältnissen, und nicht nur das: Leiharbeiter werden sogar als Streikbrecher eingesetzt - so wie unlängst bei einem Streik im Einzelhandel! Lars Otto.
Verdeckt gedrehte Aufnahmen aus einem Supermarkt in Rüsselsheim. Mitarbeiter kassieren und füllen die Regale. Alles ganz normal? Nein, denn hier dürfte eigentlich niemand arbeiten. Der Supermarkt wird nämlich bestreikt.
Draußen vor der Tür demonstriert die Stammbelegschaft. Die Arbeitgeber haben den Tarifvertrag gekündigt und wollen die bisher vereinbarten Lohnzuschläge kürzen. Für viele fest angestellte Mitarbeiter heißt das, bis zu 300 Euro weniger im Monat.
Doch der Streik verpufft, das Geschäft läuft weiter. Aber wer arbeitet hier?
Das wollte auch Betriebsrat Thomas Hansmann wissen.
KONTRASTE
„Was haben Sie da beobachtet?“
Thomas Hansmann
Betriebsrat
„Also, wir haben überall Leiharbeit. Wir haben an den Bedientheken Leiharbeit, wir haben im Verkauf Leiharbeit, wir haben an der Kasse Leiharbeit. Sicherlich ist hier und da auch der eine feste Angestellte dabei, der wahrscheinlich Angst hat zu streiken. Aber der Markt kann nur aufrecht erhalten werden durch die Leiharbeit."
Leiharbeiter als Streikbrecher. Warum geben sie sich wohl dazu her?
Streikende
„Es arbeitet keiner freiwillig für so niedriges Geld Sie brauchen das Geld, nur das man sie mit mehr oder weniger Zwang dazu bringt zu arbeiten finde ich sehr, sehr schade.“
Werden die Leiharbeiter wirklich gezwungen? Zwei von ihnen waren bereit, uns anonym zu berichten, was passiert, wenn sie sich weigern, als Streikbrecher zu arbeiten.
Leiharbeiter
„Dann müsste ich ja meinen Teamleiter anrufen und muss sagen, ich komme nicht. Die Geschäftsleitung sagt dann gut, solche Personen brauchen wir nicht auf so was können wir verzichten.“
KONTRASTE
„Sie sind als Leiharbeiter als Streikbrecher eingesetzt. Was ist das für ein Gefühl?“
Leiharbeiter
„Ein schlechtes Gefühl. Weil man unter Druck steht. Es sind halt Kollegen die streiken. Die streiken auch für uns. Man geht unter Druck arbeiten. Geht man nicht arbeiten, weiß man nicht, ob man morgen noch auf die Arbeit kommt."
Ein Zwang, den es eigentlich laut Gesetz nicht geben dürfte. Im so genannten Arbeitnehmerüberlassungsgesetz heißt es für den Streikfall ausdrücklich:
„Der Leiharbeitnehmer ist nicht verpflichtet … tätig zu sein … In Fällen eines Arbeitskampfes (also bei Streik) … hat der Verleiher den Leiharbeitnehmer auf das Recht, die Arbeitsleistung zu verweigern, hinzuweisen."
Die Zeitarbeitsfirma „For you at work“. Sie hat die Streikbrecher für REAL gestellt.
Gern hätten wir gefragt, ob ihre Leiharbeiter wirklich freiwillig zu Streikbrechern wurden. Doch kein Interview. Schriftlich heißt es: Aufgrund des Streiks …
„… wurden an diesem Tag unsere Mitarbeiter ausdrücklich gemäß Manteltarifvertrag darauf hingewiesen, dass sie hierzu nicht verpflichtet sind, sondern dies freiwillig erfolgt."
Ob bei Edeka, Real, der Telekom oder den Berliner Flughäfen - immer lassen sich die Leiharbeitsfirmen von den Mitarbeitern Bescheinigungen ausstellen, dass sie „freiwillig" als Streikbrecher arbeiten. Kein Wunder!
Leiharbeiter
„Es wird ein Druck soweit gemacht, wo die sagen, wenn sie nicht arbeiten wollen, wenn wir sie anfordern, dann sind sie für uns die falsche Person."
Dieser Mann weiß, wovon unsere Leiharbeiter sprechen. Seit Jahren ist er in der Leiharbeitsbranche tätig und hat selbst immer wieder Leiharbeiter in Betriebe geschickt, die bestreikt wurden.
Mann
„Wenn die unterschrieben haben, wir machen das freiwillig ohne Druck, dann ist das rechtlich abgesichert. Nur dieses Papier müssen wir habe. Vom Mitarbeiter unterschrieben, dass das auf freiwilliger Basis läuft. … Nur wie die Unterschrift darauf kommt, das ist immer eine andere Frage. …“
KONTRASTE
„Können Sie mir kurz die Methoden erklären?“
Mann
„Man kennt ja seine Mitarbeiter. Bei dem einen muss man immer etwas härter rangehen und bei dem anderen ist es ziemlich einfach.“
Für die fest angestellten Mitarbeiter wird das Streikrecht, ihre schärfste Waffe im Arbeitskampf, so zur Farce. Kritik an den Leiharbeitern wird laut.
Streikende
„Am besten wäre, es die Leute würden mit uns streiken, würden sich solidarisch erklären, dann könnte man den Druck viel mehr erhöhen auf den Arbeitgeber und käme wahrscheinlich auch viel besser mit den Forderungen klar. Denn letztendlich profitieren alle von dem Streik."
Hätte der Streik Erfolg, müssten nämlich auch die Gehälter der Leiharbeiter erhöht werden. Doch die haben Angst, sie trauen sich nicht für Ihre Rechte zu kämpfen. Viele von ihnen hoffen seit Jahren darauf, beim Lebensmittelhändler REAL als Festangestellte übernommen zu werden.
Leiharbeiter
„Es heißt dann immer, ja beim nächsten Streik, beim nächsten Streik, beim nächsten Streik. Wir warten dann immer wieder auf den nächsten Streik. Werden wir übernommen? Nein! Wieder der nächste Streik. Werden wir übernommen? Nein. Und keiner spricht mal mit uns darüber.“
Leiharbeiter, die unter Druck gesetzt werden, und ein Gesetz, das keinen wirksamen Schutz bietet. Für immer mehr Menschen Arbeitsalltag in Deutschland.
Tja, dann wollen wir mal hoffen, dass die neue Bundesregierung sich um diese Missstände kümmert.