Taxistand (Quelle: rbb)

- Mehrwertsteuer – wo noch was zu holen ist

O weh, die Kasse ist leer, selten war der Staat so Pleite. Und dazu hat auch noch der Wahlkampf begonnen. Da überlegen alle ganz genau, ob sie das böse Wort ‚Mehrwertsteuererhöhung’ in den Mund nehmen oder lieber nicht. Bundesfinanzminister Eichel hat sogar ein Gutachten in der Schublade, das ihm genau erklärt, wie er bei der Mehrwertsteuer noch was holen könnte. Nachhilfe gibt es nun in Sachen Mehrwertsteuer von Chris Humbs.

Heute hat schon so was wie ein Wahlkämpfchen begonnen: Die Steuern? Rauf, runter und wenn für wen? Die Mehrwertsteuer erhöhen oder nicht? Sie streiten sich quer durch die Parteien. Unser Autor Chris Humbs aber, der hat nachgerechnet und der kann jetzt mitreden: Da gibt es den ganzen und den halben Mehrwertsteuersatz. Das wissen Sie liebe Zuschauer natürlich. Aber wissen Sie auch, an wen unser Gesetzgeber dachte, als er den halben Steuersatz schuf?

Es geht um höhere Werte. Es geht um das Gemeinwohl.

Deswegen fördert der Staat diese Sex-Heftchen. Er verlangt hierfür nur 7% Mehrwertsteuer– anstatt des normalen Mehrwertsteuersatzes von 16%.

Für dieses Pflegebett – in der normalen Ausführung - will der Staat die vollen 16 %. Dieses Bett hat also keinen „höheren“ gesellschaftlichen Wert.

Das hier hat wieder etwas mit Gemeinwohl zu tun: Katzenfutter. Whiskas, Brekkies, Kitekat, Sheba – alles wird mit 7% versteuert. Babywindeln im nachwuchsschwachen Deutschland dagegen mit 16 %.

Wir fragen Kunden vorm Supermarkt.

KONTRASTE
„Welches dieser Produkte will der Staat fördern – Babywindel oder Katzenfutter?“
Passantin
„Ich hoffe, das ist die Babywindel!“
KONTRASTE
„Falsch!“
Passantin
„Das ist schlecht. Dazu kann ich dann nicht mehr sagen. Wir haben keine Katze – aber zwei Kinder!“


Passantin
„Ich würde sagen Babywindel.“
KONTRASTE
“Falsch!“
Passantin
„Oh nein. Wieso denn?“
KONTRASTE
„Da geht es darum, dass das ein Haustier ist, das einen hohen Nutzen hat, weil es nämlich Mäuse jagt. Und dieser Mäusevertilger wird vom Staat verschont.“

Passantin
„Also, ich hätte das nicht für möglich gehalten. Ich finde auch die Erklärung irgendwie auf Deutsch gesagt hirnrissig.“

Weiter geht’s.

Eine edle Renn- und Tournierpferd-Auktion in Niedersachsen. Diese Stute wurde soeben ersteigert – für eine stattliche Summe. Der Staat verzichtet auf Einnahmen in Höhe von ca. 37.000 €. Denn auch für diesen luxuriösen Sportartikel will er nur 7% haben.

Bei solchen Auktionen gehen an einem Tag Abermillionen über den Tisch. Der Staat übt sich in Verzicht – Zuchtpferde sind angeblich gut für das Gemeinwohl.

Nicht so ein Fußball – dafür kassiert der Staat die vollen 16% Mehrwertsteuer.

Diese zucker- und fettreichen Leckereien fördert der Staat. Er will lediglich 7%. Für alle Medikamente, egal ob Karies-Prophylaxe oder Insulin, verlangt er die vollen 16%.

Gisela Wassmann, Apothekerin
„Ich finde das nicht richtig, dass der Staat auch noch an den Kranken verdient. Die Mehrwertsteuer ist bei den Medikamenten 16% und bei anderen Sachen 7 %, die, wenn man zu viel davon isst, eigentlich die Gesundheit schädigen.“

Die Liste aller Produkte und Dienstleistungen mit reduzierter Mehrwertsteuer ist endlos. Der ursprüngliche Sinn des Ganzen: Der Staat wollte sicherstellen, dass sich auch die Ärmsten in Deutschland Lebensmittel und gesellschaftlich wichtige Dienstleistungen leisten können - Taxifahrten zum Beispiel. Bei der Bahncard allerdings – man mag es kaum glauben - werden 16% kassiert.

Im Auftrag des Bundesfinanzministeriums überprüfte nun das Zentralinstitut für europäische Wirtschaftsforschung, ob man nicht Förderunwürdiges von der Liste streichen könnte. Die Studie kommt zu einem radikalen Ergebnis:

Stefan Boeters, Ökonom ZEW
„Wenn man versucht einzelne Produktgruppen aus der Regelung herauszunehmen, dann bekommt man immer das Problem der Grenzziehung. Ab welchen Punkt lasse ich die 16% MWST ansetzen. Wie macht man das im Lebensmittelbereich. Eine Kartoffel ist ein gesundes Grundnahrungsmittel. Aber bei welcher Stufe der Weiterverarbeitung setzt der höhere MWST-Satz an? Bei Kartoffelbrei in der Tüte oder erst bei fettigen Chips. Es wird sehr schwer sein, hier eine Einigung zustande zu bringen und deshalb denke ich, ist die einzige Lösung eine generelle Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes.“

Schluss mit diesem Steuergeschenk! Im HWWA, dem Hamburger Wirtschftsinstitut, hat man mit dieser Forderung keinerlei Probleme. Der Steuerexperte Professor Straubhaar berechnete, dass der unterteilte Mehrwertsteuersatz auch sozialpolitisch wenig Sinn macht.

Thomas Straubhaar, Präsident HWWA
„Mit dem geteilten Mehrwertsteuersatz-Satz werden eben auch Besserverdienende Haushalte bei Produkten entlastet, bei dem sie auch den vollen Mehrwertsteuersatz bezahlen könnten, von daher gesehen wirkt er eben wie eine Gießkanne über alle Haushalte unbesehen der tatsächlichen Leistungsfähigkeit eines Haushaltes. Der indirekte Mehrwertsteuersatz, der begünstigt, ist vergleichsweise ein ungenaues, ein ineffizientes und in dem Sinne auch nicht ein gerechtes Instrument.“


Immerhin: 16 Milliarden Euro kämen durch eine solche Steuerreform in den Haushalt. Geld, das dringend gebraucht wird – findet das Mitglied des SPD-Vorstandes, Sigmar Gabriel.

Sigmar Gabriel, Mitglied im SPD-Parteivorstand
„Insgesamt glaube ich, wird mit einer Sache wirklich unehrlich umgegangen. Alle Menschen wissen, die Mehrwertsteuererhöhung wird kommen. Aber keiner traut sich das öffentlich zu sagen.“

Also, so Gabriel, warum nicht erst einmal ran an den Unsinn mit den 7%?

Sigmar Gabriel, Mitglied im SPD-Parteivorstand
„Warum wir bei uns für Mars-Riegel, Katzenfutter, für Luxuspferde, für alles mögliche eine Ermäßigung geben aber gleichzeitig Windeln, Krankenhausbetten 16% Mehrwertsteuer bekommen, das ist mir auch nicht einsichtig. Die Steuersubvention in der Mehrwertsteuer müssen weg.“

Nur: Im Finanzministerium will man über dieses Thema nicht sprechen. Als hätte man nie eine Studie in Auftrag gegeben, verweist man uns auf die offizielle Stellungnahme der Regierung zum Thema Mehrwertsteuererhöhung:

Stefan Giffeler, Sprecher Bundesministerium der Finanzen
„Es wird keine Mehrwertsteuererhöhung geben“

Egal was auf der Liste steht – teure Pferde, Taxifahrten, Süßigkeiten - die Bundesregierung will all die Sachen weiterhin subventionieren.

Hierin ist sich die SPD sogar mit der CDU einig.

Auch der finanzpolitische Sprecher der CDU lehnt eine schnelle Abschaffung des 7%-Mehrwertsteuersatzes ab.

Michael Meister, MdB, Finanzpolitischer Sprecher, CDU
„Ich glaube, dass die Methode Steuererhöhung – ganz gleich, wo wir sie stattfinden lassen, auch in diesem speziellen Bereich - nicht der adäquate Ansatz ist, um unsere Haushaltsprobleme zu lösen.“

Regierung und Opposition trauen sich mal wieder nicht, den Abbau unsinniger Subventionen anzugehen. Schade eigentlich!

Doch, doch, das Pferd zu subventionieren, das machte schon Sinn – damals als es erst den Pflug zog und dann das Fleisch lieferte.