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Milliardenskandal, Abgang der Strippenzieher, Bruch der Koalition: Die Affäre um die landeseigene Berliner Bank-Gesellschaft hat ordentlich Staub aufgewirbelt. Zeit also für die amtierende rot-grüne Berliner Koalition, jetzt ordentlich aufzuräumen? KONTRASTE fand heraus: das alte Verschleierungsspiel geht weiter. Die Gewinne landen bei den Anlegern, die Verluste trägt der Steuerzahler.
Es war die Berliner Bank Gesellschaft, die die alte schwarz- rote Regierung in Berlin Amt und Würden kostete. Die musste gehen, weil unter ihrer Amtszeit Filz und Großmannssucht der Bank und Stadt die Pleiten bescherten.
Die neue, amtierende rot-grüne Regierung, hätte also richtig aufräumen können. Doch das Verschleiern geht weiter. Auch die Lösungsversuche kommen uns irgendwie bekannt vor: in guten Zeiten hatten die Anleger den Gewinn. Und den Verluste? Sie raten richtig.
Ursel Sieber, Mathew D. Rose und Susanne Opalka sagen Ihnen, wie.
Berlin. Fast jeden Tag eine Demonstration: Lehrer, Eltern, Krankenschwestern, Erzieher - sie alle gehen auf die Strasse, gegen die Sparpläne der noch-amtierenden rot-grünen Koalition. Er ist guter Dinge: Klaus Wowereit SPD: Berlins Regierender Sparmeister.
Im öffentlichen Dienst sollen Weihnachtsgeld 13. Monatsgehalt wegfallen. Zwischen Partys verkündet der Regierende dem Volk die traurige Botschaft.
Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister (SPD):
"Wir müssen die Probleme der Stadt lösen und dafür harte Einschnitte machen."
Klaus Wowereit - seit Juni diesen Jahres neuer SPD-Regierungschef in Berlin. Er versprach die in die Krise geratene Bankgesellschaft Berlin schnell zu sanieren - doch kaum etwas geschah. Ein großer Fehler. Die Einsparungen im Haushalt macht die landeseigene Bank wieder zunichte. Erneut Krisenmanagment bei der Bankgesellschaft Berlin: Das Land hat sein Geldinstitut erst für das vergangene Jahr mit 4 Milliarden Mark aus der Schieflage gerettet. Neue Hiobsbotschaften: Wieder 750 Millionen Mark Verlust in den ersten neun Monaten dieses Jahres - gerechnet wird mit etwa 1,5 Milliarden Mark bis zum Jahresende.
Die Verluste der Bank stammen aus dem Immobilienbereich. Die Bankgesellschaft tief in den roten Zahlen - ausgerechnet jetzt, wo das Land vorhat, seine Bank loszuwerden.
Christiane Krajewski, die zuständge Finanzsenatorin mit dem Rücken zur Wand. Die Verluste müssen weg von der Bank - irgendwie. Pressekonferenz.
Christiane Krajewski, Finanzsenatorin (SPD):
"Unter diesem Aspekt sind wir in Gesprächen mit der Bank über eine Abtrennung der Immobiliendienstleistungen."
Nachfrage der Journalisten: Was bedeutet denn eigentlich Abtrennung?
Christiane Krajewski, Finanzsenatorin (SPD):
"Abtrennung bedeutet zunächst einmal Risikoabschirmung im Sinne des Kreditwesengesetzes."
Risiko-Abschirmung im Sinne des Kreditwesengesetzes? Der Verweis auf das Gesetz klingt sehr verantwortungsvoll. Das eigentliche Vorhaben vernebelt die Senatorin damit nur: Nicht mehr die Bank, das Land selbst soll die immensen Immobilienrisiken übernehmen. Ein übliches Verfahren? Experten sind erstaunt - so Prof. Wilhelm Hankel, früher selbst Vorstandsvorsitzender einer Bank.
Prof. Wilhelm Hankel, Bankexperte:
"Neu ist der Weg. Bisher war es eigentlich so, dass in solchen Fällen die betroffenen Banken ihre Verluste selber ausgleichen mussten. Sie mussten das Geld selber erwirtschaften, oder die Geldgeber mussten einspringen. Hier wird für mich das erste Mal ein solches Risiko voll sozialisiert, das heisst, vom Land und Steuerzahler übernommen."
Was das die Steuerzahler kostet, das hätten wir von der Senatorin nach einer Pressekonferenz zur Bank gern noch genauer erfahren.
Christiane Krajewski, Finanzsenatorin (SPD):
"Jetzt ist vorbei. Sie haben ausreichend Antwort auf die Fragen bekommen."
Kein Wunder, dass sie nicht antwortet: Sie will die Milliardenrisiken nicht zugeben. Hunderte Immobilien hat die Bank in den letzten Jahren erworben, ausgebaut und dann an Anleger verkauft: Einkaufszentren, Kinos, Tankstellen, Wohnungen, Supermärkte, Seniorenheime, Logistikzentren in ganz Deutschland. Viele dieser Immobilien sind in Fonds gebündelt. Eine Zeit lang ein gutes Geschäft - mit einem Gesamtvolumen von 26 Milliarden Mark. Doch das Kalkül ging nicht auf: Statt riesige Gewinne unübersehbare Verluste.
Beispiel: Berlin Mitte, Leipziger Strasse. Eine attraktive Lage. Hochhäuser - teuer gekauft und modernisiert. Wie sauer Bier werden die Wohnungen inzwischen zum Verkauf und zur Miete angeboten - viele stehen leer. Auch Gewerbeflächen sind nicht zu vermieten - mitten in Berlin. Das Hochaus wirft weniger Miete ab als geplant - für die Anleger im Fonds aber kein Problem. Denn das Besondere an diesem Immobilienfonds: die Mietgarantie: Bei Leerstand übernimmt die Bankgesellschaft Berlin den Mietausfall. Wörtlich heißt es im Fondsprospekt:
"Die Miete wird durch den... Mietgarantievertrag mit der Immobilien- und Baumanagement der Bankgesellschaft Berlin GmbH für die Dauer von 25 Jahren garantiert."
Im Klartext: Selbst wenn Wohnungen wie diese 25 Jahre leer stehen, muss die Bank die Zeche zahlen - im Ernstfall 25 Jahre lang. Im Ernstfall jetzt der Steuerzahler. Denn die Mietgarantien der Immobilientöchter der Bank soll jetzt das Land Berlin selbst übernehmen. Darüber freut sich Heinz Gerlach für die Anleger - er ist der bekannteste Experte für Immobilienfonds in Deutschland.
Heinz Gerlach, Fonds-Experte:
"Dass das Land Berlin die Immobilientöchter übernimmt, ist für die Anleger ein Segen. Sie bekommen jetzt alles garantiert, und das macht auch noch der Steuerzahler. Ist doch alles wunderbar. Für das Land Berlin eine Katastrophe, weil die Risiken aus diesem riesigen Immobilientopf, der da übernommen wurde, für den man Verantwortung trägt, so in die Milliarden gehen, dass man ein Haushaltsproblem Jahr für Jahr für die nächste Zukunft hat."
Ein anderes Beispiel: Hier stand bis 1994 eine Kaserne der US-Armee im Südosten Berlins. Wohnen wie ich es will: Eine Immobilientochter der Bankgesellschaft Berlin baute viele Reihenhäuser. Doch der Boden war verseucht und musste ausgetauscht werden. Die Baukosten stiegen. Baumängel werden mühsam beseitigt. Der Verkauf läuft schleppend. Insider berichten von circa 20 Millionen Mark Verlust allein in diesem Jahr - die Zeche zahlt in solchen Fällen künftig das Land Berlin.
Heinz Gerlach, Fonds-Experte:
"Jede Immobilie kann jeden Tag noch schlechter werden. Bei Immobilien gilt: Ist der Ruf erst ruiniert, geht's bergab. Wie will eine Politikerin wie Frau Krajewski, die aus dem ländlich-sittlichen Saarland kommt, dieses Problem managen, und das ist ja nicht das einzige Problem. Diese Frage ist völlig ungeklärt."
Wir fragen die Berliner Finanzsenatorin Krajewski ein weiteres Mal an, bitten um ein Interview. Wie wollen wissen: Welche Kosten kommen auf die Steuerzahler zu, wenn das Land die Risiken aus dem Immobiliengeschäft übernimmt? Ein Interview lehnt die Senatorin ab - ihre Antwort kommt schriftlich. Wörtlich:
"Eine quantitative Aussage ist derzeit noch nicht möglich."
Diese Antwort - eine Bankrotterklärung der Senatorin: Sie übernimmt Milliarden-Risiken, ohne das wahre Ausmaß zu nennen.
Das Fiasko ist komplett. Statt die Bank zu sanieren, hat auch die amtierende rot-grüne Regierung beschönigt und nicht gehandelt - wie zuvor die abgewählte große Koalition.
Saniert hat sich nur einer: Wolfgang Rupf - Chef der Bankgesellschaft Berlin. Vergangenen Freitag wurde er entlassen. Mitten in der Krise, noch in der Zeit der großen Koalition, wurde sein Vertrag um 5 Jahre verlängert - erstaunlicherweise. Jetzt bekommt er noch vier Jahre sein volles Gehalt, obwohl er entlassen ist. Und einen Anspruch auf eine schöne Pension hat er auch noch. So ein Glück wie ihr früherer Chef haben Mitarbeiter der Bank nicht: 4000 von ihnen sollen entlassen werden.
Gestern abend: Wieder eine Demonstration gegen die Sparpläne des Regierenden Bürgermeisters. Klaus Wowereit tanzt - ein Tanz auf dem Vulkan.