Neues Erbschaftssteuergesetz -
Im Streit um das neue Erbschaftssteuergesetz haben sich Union und SPD auf einen Kompromiss verständigt, der die Erben selbst großer Unternehmen wieder massiv bevorzugt. Genau das hatte das Bundesverfassungsgericht 2014 aber für verfassungswidrig erklärt. Doch die Lobby der reichen Familienunternehmer hat sich durchgesetzt, dank Unterstützung der CSU. Verfassungsrechtler sind sich sicher: Auch das neue Gesetz landet wieder vorm Bundesverfassungsgericht. Bis dahin dürfen sich reiche Unternehmenserben arm rechnen und werden kaum zur Kasse gebeten.
Anmoderation: Die Zeit läuft: Bis Ende Juni muss die Bundesregierung ein neues Erbschafts-Steuergesetz durchs Parlament bringen. Das hat das Bundesverfassungsgericht 2014 verlangt. Damals wurde das alte Gesetz gekippt. Die Richter meinten, die Begünstigung großer Unternehmen beim Vererben sei ungerecht und verfassungswidrig. Jetzt haben sich Union und SPD auf einen vorläufigen Kompromiss geeinigt. Die gute Botschaft für alle, denen es mehr als nur gut geht: Auch die schwarz-rote Koalition greift den Reichen nicht allzu tief in die Tasche, wie Ursel Sieber und Susanne Opalka berichten.
Martin Schöller ist ein glücklicher Erbe. Vor über 30 Jahren hat er zusammen mit seinem Bruder die väterliche Firma übernommen - in der 4. Generation. Grundstein für seinen Familienbetrieb war eine schlichte Holzkiste für den Transport von Bier und anderen Getränken.
Erfolgreich wurde die Familie dann mit der Kunststoffkiste. Die nächste Generation steht schon in den Startlöchern. Alles wäre so perfekt, schwebte da nicht ein Menetekel: Die Erbschaftssteuer! dagegen zieht Martin Schoeller schwer zu Felde:
Martin Schöller, Familienunternehmer:
"Der Staat hat nichts zu suchen zwischen mir und meinen Kindern und er hat nichts zu kommen, wenn einer stirbt, und wie ein Geier die Familie zu stören und zu belästigen."
Noch ist es nicht soweit: Nach dem derzeitig gültigen Gesetz müsste Schoeller junior heute keinen einzigen Cent Erbschaftssteuer berappen. Einzige Voraussetzung: er muss die Firma 7 Jahre weiter führen, mit einem Großteil der Arbeitsplätze.
Doch diese Art der Null-Besteuerung landete vor dem Bundesverfassungsgericht: Die Richter rügten 2014 die Verschonung selbst großer Unternehmen kurzerhand als verfassungswidrig. Sie forderten eine gerechte Erbschaftssteuer.
Vor einem Jahr legte der Bundesfinanzminister dann erste Eckpunkte vor. Sofort bekam er scharfen Gegenwind von den Lobbyverbänden: "Die Familienunternehmer". Zur Selbstdarstellung gehören solche Imagefilme: Stolz präsentiert der Lobbyverband im Internet, wie er aktiv politische Entscheidungsprozesse mitgestaltet - alles im Hochglanzformat. Worin die Familienunternehmer ihre Aufgabe sehen, macht Martin Schöller in diesem selbstbewussten Werbevideo deutlich.
"Wir erwarten, dass wir mit diesem Kongress die Erbschaftssteuerreform in Ordnung gebracht haben."
Denn die Erbschaftsssteuer regt Martin Schöller furchtbar auf: der Mittelstand sei in Gefahr und viele tausend Jobs! Selbstverständlich hat er seine Bedenken auch im Bundesfinanzministerium vorgetragen:
Martin Schöller, Familienunternehmer:
"Ich finde es noch hochgefährlich. Es sind sieben Millionen Arbeitsplätze betroffen. Sieben Millionen Arbeitsplätze..."
Drohszenarien. Immer wieder vorgetragen, bei vielen Gesprächen hinter den Kulissen, beim parlamentarischen Abend- Presse nicht zugelassen.
Auch die Kanzlerin versuchte man zu überzeugen – wie hier beim Lobbyverband "Stiftung Familienunternehmen" mit ihren überaus vermögenden Mitgliedern. Der Bundesfinanzminister zeigte sich offen für das Anliegen:
Sparkassen-Forum Deutscher Mittelstand, 26.3.2015:
"Ich habe gar keine fest gefügte Position, sondern wir suchen. Wir suchen die Lösung, wie wir das Verfassungsgericht umsetzen können – ohne mehr ändern zu können als unvermeidlich nötig ist!"
Nicht mehr als unbedingt nötig: Genauso ist es jetzt gekommen. Die Richtung gibt dieses Konsenspapier vor. Es wurde zwischen CDU/CSU und SPD verhandelt und trägt die Handschrift der Lobby! Keine Gefahr mehr für Unternehmenserben, hohe Steuern zahlen zu müssen. Der Verfassungs- und Steuerrechtler Prof. Wieland ist enttäuscht.
Prof. Joachim Wieland, Verfassungsrechtler, Universität Speyer:
"Ich finde es bedauerlich, dass beide immer noch relativ großen Volksparteien sich auf solch einen Kompromiss einlassen. Mir scheint, man läuft da zu sehr der Progaganda, die von den Familienunternehmen praktisch geäußert wird und hat Angst, dass man Arbeitsplätze gefährden würde. In Wirklichkeit sind diese Arbeitsplätze nicht gefährdet. In Wirklichkeit werden große Vermögen unantastbar gestellt".
Die Lobby hat sich also durchgesetzt mit ihrer Drohung. Worauf hat sich die große Koalition erst einmal verständigt? Die Details sind kompliziert.
Erstens: Für die vielen, kleinen Betriebe mit bis zu 3 Beschäftigten fällt auch künftig keine Erbschaftssteuer an. So weit, so gut und nachvollziehbar.
Aber! Zweitens: Auch wer ein größeres Unternehmen erbt, mit vielen Arbeitskräften, das bis zu 26 Millionen Euro wert ist - muss keine Steuern zahlen. Er muss die Firma mit den Beschäftigten nur sieben Jahre weiterführen. Was für ein Geschenk! 98 % aller Familienbetriebe zahlen dann - so wie heute - keine Steuern.
Das bedeutet drittens: Nur ganz wenige Familienunternehmer wären überhaupt dran mit der Erbschaftssteuer! Die wirklich reichen Familien, mit noch größeren Unternehmen. Porsche, Piech, Klatten, Würth... und und und... Doch auch sie dürfen aufatmen. Warum?
Ein Beispiel: Ein Unternehmen ist 200 Mio. Euro wert. Dafür wären 60 Mio. Steuer fällig. Für die Berechnung der Erbschaftssteuer darf aber ein niedrigerer Wert angesetzt werden, nämlich nur noch 140 Millionen: macht auch weniger Steuern! Und bei entsprechender Vertragsgestaltung darf der Wert des Unternehmens noch mal schrumpfen, sogar bis auf 98 Mio - natürlich nur rein rechnerisch: zak sind es nur noch 30 Mio Erbschafstssteuer! Schön für den Erben, schlecht für die Steuergerechtigkeit: 30 Mio. hat der Staat verschenkt, mal eben so.
"...Gehn' Sie mit der Konjunktur..."
Zugute kommt dieses Steuergeschenk ausgerechnet den Großerben der Generation Wirtschaftswunder, den wenigen Familien, die richtig viel Vermögen angehäuft haben. Die werden jetzt vererbt: 250 Milliarden pro Jahr. Davon landen nur zwei Prozent im Steuertopf: gerade mal fünf Milliarden! Es könnten 13 Milliarden sein. Werden es aber nicht: Denn es gibt noch einen Weg, sich der Steuer ganz zu entziehen: Davon profitieren junge Erben, die, die noch kein Privatvermögen haben. Denn ob ein Erbe zahlen muss, hängt von seinem Privatvermögen ab: Hat er noch nichts in der Privatschatulle, dann muss er keinen Cent Erbschaftssteuer bezahlen. Das Unternehmen im Wert von 200 Mio bekommt er natürlich trotzdem. So wird ein "armer" Erbe reich - ganz legal.
Prof. Joachim Wieland, Verfassungsrechtler, Universität Speyer:
"Ich finde, wenn man jetzt schon weiß, das sich große Vermögen in Zukunft der Steuer so leicht entziehen können, dann wäre es dringend Zeit, für den parlamentarischen Gesetzgeber, den Vorgaben des BVG zu folgen und hier einen Riegel vorzuschieben und für Steuergerechtigkeit zu sorgen".
Doch danach sieht es nicht aus. Dabei gibt es auch Unternehmer, die sich nicht gegen die Erbschaftssteuer wehren. Unternehmer wie Wolfgang Grupp: Er führt seit 48 Jahren erfolgreich ein großes Unternehmen, haftet für die Firma sogar privat. Das ganze Geschacher um die Erbschaftssteuer befremdet ihn. Für ihn ist klar: ein verantwortlicher Unternehmer hält für den Tag X eine stille Reserve vor.
Wolfgang Grupp, Unternehmer:
"Wenn es eine Erbschaftssteuer in Deutschland gibt, dann habe ich immer gesagt, dann ist es auch selbst verständlich, dass ich als Demokrat diese Erbschaftsteuer akzeptiere. Ich bin stolz, 48 Jahre noch nie eine negative Bilanz abgegeben zu haben. Dann müssen auch meine Kinder in der Lage sein eine vernünftige, durchdachte Erbschaftssteuer irgendwann - wenn es soweit ist - bezahlen zu können."
Der Unternehmer Grupp kann auch das zum Argument nicht nachvollziehen, die Erbschaftssteuer koste Jobs, treibe die Betriebe gar in den Ruin.
Wolfgang Grupp, Unternehmer
"Ich sage etwas salopp, ich habe schon viele Unternehmen gesehen, die Konkurs gemacht haben oder Insolvenz. Aber ich kenne keinen einzigen oder vielleicht können Sie mir einen sagen, der aus Steuer, aus Erbschaftssteuergründen Insolvenz gemacht hat."
Es gibt kein Beispiel, auch aus der Vergangenheit nicht, als die Unternehmenserben noch Erbschaftssteuer zahlen mussten, so das Bundesfinanzministerium.
Wolfgang Grupp und seine Frau wünschen sich eines: Eine Erbschaftssteuer, die einfach und gerecht ist. Doch in Berlin haben offenbar gerade die Lobbyisten das Sagen. Schlechte Aussichten für mehr soziale Gerechtigkeit.
Prof. Joachim Wieland, Universität Speyer:
"Dass praktisch jeder normale Bürger seine Steuern zahlen muss, auch Erbschaftssteuer zahlen muss und gerade große Unternehmen davon verschont werden, wird die Bereitschaft, Steuern zu zahlen in Deutschland, bestimmt nicht erhöhen. Ist auch nicht einzusehen, ist ungerecht und es führt zu sozialen Verwerfungen."
Beitrag von Susanne Opalka und Ursel Sieber