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Die Strompreise steigen und steigen – seit dem 1. Mai müssen viele Verbraucher noch mehr bezahlen. Die großen Konzerne beantragen trotz riesiger Gewinne immer neue Preiserhöhungen bei den zuständigen Wirtschaftspolitikern der Länder. Die sollen eigentlich die Konzerne kontrollieren und die geplanten Preiserhöhungen prüfen. Wie kann es sein, dass fast alle Wirtschaftsminister zustimmen? Chris Humbs hat nachgefragt.
Achten Sie auf Ihre neue Stromrechnung! Darin könnte sich ein kleines mathematisches Wunder verbergen. Eine saftige Preiserhöhung zum Beispiel, ohne dass Sie die auch nur annähernd nachvollziehen könnten. Dieses Rätsel wird Chris Humbs jetzt für Sie knacken: Die einzigartige Rechenmethode der Energiekonzerne und der fehlende Mut vieler Politiker, einfach mal nachzurechnen.
Das ist Iris Mayer aus Berlin. Die Betriebswirtin ist wütend auf ihren Stromlieferanten. Der hat zum 1. Mai den Preis um gut fünf Prozent erhöht.
Iris Meyer
„Wir haben im Vergleich zum letzten Jahr einen niedrigeren Verbrauch von knapp 200 Kilowatt und zahlen in diesem Jahr trotzdem um 40 € mehr.“
Eine Strompreiserhöhung von 40 € im Jahr. Das ist für Iris und Thomas Mayer einfach nur unverschämt. Sie wollen jetzt die zusätzlichen Zahlungen an ihren Stromkonzern Vattenfall boykottieren. Vattenfall – einer der vier großen Stromkonzerne in Deutschland.
Die Stromkonzerne erhöhen bundesweit jährlich ihre Preise. Das Ergebnis: verglichen mit anderen europäischen Staaten liegt Deutschland – und auch Berlin – an der Spitze.
Und das zahlt sich auch für Vattenfall aus: Der Mutterkonzern in Schweden hat in der letzten Zeit gigantische Gewinne eingefahren. Dazu beigetragen haben vor allem die Stromkunden in Deutschland. Der Konzernchef gegenüber den Presseagenturen:
Zitat:
„Wir hatten in Deutschland eine sehr, sehr, sehr gute Entwicklung.“
Aber Gewinne kann man ja noch steigern, muss sich Vattenfall wohl gedacht haben und hob die Strompreise in Berlin an.
Iris Meyer
„Also für mich ist es Abzocke, die steigern immer mehr den Gewinn und den Gewinn und vergessen, dass der Verbraucher die Preise zahlen muss.“
Prof. Kreibich berät die Berliner Regierung in Energiefragen. Auch er empört sich über die Preiserhöhung.
Prof. Rolf Kreibich, Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung IZT
„Das Schlimme an der Geschichte ist ja, dass nicht nur die privaten Stromkunden hier geschröpft werden, in einer schamlosen Weise, sondern auch unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen schwer drunter leiden. Das ist also wirklich kaum zu fassen, was da überhaupt sich abspielt. Und entscheidend ist meiner Ansicht nach, das hier klipp und klar ausgewiesen ist, dass Vattenfall riesige Gewinne gemacht hat. In Europa 37 Prozent, in Deutschland sogar 50 Prozent.“
Wegen dieser Gewinnsteigerung sieht der Energieberater des Landes Berlin eher Gründe für eine massive Preissenkung. Im Wirtschaftssenat hörte man aber nicht auf ihn. Dort könnte man eine Preiserhöhung ablehnen. Der Wirtschaftssenator hätte das Recht dazu, denn laut Gesetz muss er die höheren Strompreise genehmigen. Doch er konnte für die Verbraucher nichts tun, sagt er.
Harald Wolf (PDS), Senator für Wirtschaft Berlin
„Ja, sicher ist das keine schöne Sache. Ich habe nach Recht und Gesetz handeln müssen, und die gegenwärtige Rechtslage hat mir keinen anderen Spielraum gegeben als zu sagen: ‚Der Erhöhungsantrag ist berechtigt.’“
Den Antrag für die Preiserhöhung hat der Berliner Konzernteil Vattenfall-Distribution - also der Vertrieb - eingereicht: Wegen der enormen Mehrkosten im Stromeinkauf drohen Verluste. Somit sei eine Preiserhöhung notwendig. Die Verbraucherzentrale bestätigt den Preisanstieg beim Einkauf. Man analysiert aber auch die Hintergründe:
Holger Krawinkel, Verbraucherzentrale Bundesverband
„Fakt ist aber, dass die realen Erzeugungskosten bei den Kraftwerken nicht gestiegen sind. Gerade bei Vattenfall, die hauptsächlich Atomenergie und Braunkohle einsetzen, hat es keine Steigerung gegeben, weil eben weitgehend ‚einheimische Energieträger’ eingesetzt werden. Das heißt, es war aufgrund der Marktmacht der Anbieter möglich, diese hohen Strompreise zu verlangen.“
Das Ausspielen der Marktmacht funktioniert so: Ein Großkonzern wie Vattenfall ist aufgeteilt in Kraftwerke, die Strom erzeugen, in Netze, die Strom weiterleiten und in einen Vertrieb, der den Strom den Kunden verkauft.
In der Wirtschaft ist es üblich, dass alle Teile des Konzerns ihre Gewinne an die Konzernmutter abführen. Das ist bei der Stromwirtschaft aber anders.
Der Grund: Der Vertrieb soll möglichst schlecht dastehen. Denn seine Kosten und Erlöse müssen die Landesregierungen prüfen. Ist der Gewinn hoch, werden höhere Strompreise nicht genehmigt.
Also: weg mit dem Gewinn.
Und das geht so: Die anderen Konzernteile verlangen auch vom eigenen Vertrieb völlig überteuerte Entgelte für die Netzbenutzung und überhöhte Preise für den Strom. Das lässt den Gewinn des Vertriebes schnell schrumpfen.
Das Geld bleibt aber im Konzern. Und weil das viele Geld noch nicht reicht, geht nun der Vertrieb - arm wie eine Kirchenmaus - zur Landesregierung und erklärt, dass Preiserhöhungen nötig sind.
Harald Wolf (PDS), Senator für Wirtschaft Berlin
„Vattenfall Distribution hat uns Zahlen vorgelegt, die wir auch noch mal über Wirtschaftsprüfer haben überprüfen lassen, nachdem sie in den letzten Monaten des Jahres 2005 bereits eine relevante Kostenunterdeckung gehabt haben und vor diesem Hintergrund sahen wir wie gesagt keine Möglichkeit, das zu versagen.“
Der Mutterkonzern Vattenfall legt Rekordergebnisse vor. Und der Vertrieb - laut Senator - Verluste.
Höhere Preise – das verlangen die Energiekonzerne auch vom Wirtschaftsminister in Hessen. Auch hier jammern Vertriebstöchter von Konzernen über Verluste. Doch anders als in Berlin und anderen Bundesländern genehmigt der hessische Minister höhere Strompreise bisher nicht.
Alois Riehl (CDU), Minister für Wirtschaft Hessen
„Also mit den armen Unternehmen, das ist eine Mär. Denn die deutschen Stromunternehmen haben die höchsten Gewinne verglichen mit allen Branchen.“
KONTRASTE
„Der Wirtschaftssenator in Berlin sagt: ,Ich hatte keine rechtliche Handhabe, die Preiserhöhungen abzulehnen.’.“
Alois Riehl (CDU), Minister für Wirtschaft Hessen
„Das sehe ich anders, das muss ich leider sagen, da irrt sich mein Kollege. Denn die Bundestarifordnung, das entsprechende Gesetz zwingt uns gerade dazu, in der Prüfung von Kosten und Erträgen zu einem Ergebnis zu kommen und unser Ergebnis lautet: ,Die Preiserhöhungen in dieser Höhe haben keine Chance.’“
Wer hat nun im Endeffekt Recht? Hessen oder Berlin? Das sollte einer wissen, der sich nicht nur bestens mit Haushaltsgeräten auskennt: Professor Schwintowski, selbst Vattenfall-Kunde und Energierechtsexperte.
Prof. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität Berlin
„Nach meiner Meinung hat der hessische Minister Recht. Denn es kommt entscheidend darauf an, ob der Konzern insgesamt Gewinn macht und ein anderer Teil rechnet sich dann arm. Und dieser arm gerechnete Teil der führt dann dazu, dass der Bürger dann plötzlich hohe Strompreise bezahlen muss. Diese Zweiteilung in einen armen und in einen reichen Konzernteil, die darf die Preisgenehmigungsbehörde nicht akzeptieren.“
In Schweden freut man sich. Der Staatsbetrieb Vattenfall bietet jetzt auf Druck der dortigen Regierung noch günstigere Tarife für Privatkunden an – schließlich sollen die schwedischen Bürger an den tollen Konzernergebnissen teilhaben.
Das ist Iris Mayer aus Berlin. Die Betriebswirtin ist wütend auf ihren Stromlieferanten. Der hat zum 1. Mai den Preis um gut fünf Prozent erhöht.
Iris Meyer
„Wir haben im Vergleich zum letzten Jahr einen niedrigeren Verbrauch von knapp 200 Kilowatt und zahlen in diesem Jahr trotzdem um 40 € mehr.“
Eine Strompreiserhöhung von 40 € im Jahr. Das ist für Iris und Thomas Mayer einfach nur unverschämt. Sie wollen jetzt die zusätzlichen Zahlungen an ihren Stromkonzern Vattenfall boykottieren. Vattenfall – einer der vier großen Stromkonzerne in Deutschland.
Die Stromkonzerne erhöhen bundesweit jährlich ihre Preise. Das Ergebnis: verglichen mit anderen europäischen Staaten liegt Deutschland – und auch Berlin – an der Spitze.
Und das zahlt sich auch für Vattenfall aus: Der Mutterkonzern in Schweden hat in der letzten Zeit gigantische Gewinne eingefahren. Dazu beigetragen haben vor allem die Stromkunden in Deutschland. Der Konzernchef gegenüber den Presseagenturen:
Zitat:
„Wir hatten in Deutschland eine sehr, sehr, sehr gute Entwicklung.“
Aber Gewinne kann man ja noch steigern, muss sich Vattenfall wohl gedacht haben und hob die Strompreise in Berlin an.
Iris Meyer
„Also für mich ist es Abzocke, die steigern immer mehr den Gewinn und den Gewinn und vergessen, dass der Verbraucher die Preise zahlen muss.“
Prof. Kreibich berät die Berliner Regierung in Energiefragen. Auch er empört sich über die Preiserhöhung.
Prof. Rolf Kreibich, Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung IZT
„Das Schlimme an der Geschichte ist ja, dass nicht nur die privaten Stromkunden hier geschröpft werden, in einer schamlosen Weise, sondern auch unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen schwer drunter leiden. Das ist also wirklich kaum zu fassen, was da überhaupt sich abspielt. Und entscheidend ist meiner Ansicht nach, das hier klipp und klar ausgewiesen ist, dass Vattenfall riesige Gewinne gemacht hat. In Europa 37 Prozent, in Deutschland sogar 50 Prozent.“
Wegen dieser Gewinnsteigerung sieht der Energieberater des Landes Berlin eher Gründe für eine massive Preissenkung. Im Wirtschaftssenat hörte man aber nicht auf ihn. Dort könnte man eine Preiserhöhung ablehnen. Der Wirtschaftssenator hätte das Recht dazu, denn laut Gesetz muss er die höheren Strompreise genehmigen. Doch er konnte für die Verbraucher nichts tun, sagt er.
Harald Wolf (PDS), Senator für Wirtschaft Berlin
„Ja, sicher ist das keine schöne Sache. Ich habe nach Recht und Gesetz handeln müssen, und die gegenwärtige Rechtslage hat mir keinen anderen Spielraum gegeben als zu sagen: ‚Der Erhöhungsantrag ist berechtigt.’“
Den Antrag für die Preiserhöhung hat der Berliner Konzernteil Vattenfall-Distribution - also der Vertrieb - eingereicht: Wegen der enormen Mehrkosten im Stromeinkauf drohen Verluste. Somit sei eine Preiserhöhung notwendig. Die Verbraucherzentrale bestätigt den Preisanstieg beim Einkauf. Man analysiert aber auch die Hintergründe:
Holger Krawinkel, Verbraucherzentrale Bundesverband
„Fakt ist aber, dass die realen Erzeugungskosten bei den Kraftwerken nicht gestiegen sind. Gerade bei Vattenfall, die hauptsächlich Atomenergie und Braunkohle einsetzen, hat es keine Steigerung gegeben, weil eben weitgehend ‚einheimische Energieträger’ eingesetzt werden. Das heißt, es war aufgrund der Marktmacht der Anbieter möglich, diese hohen Strompreise zu verlangen.“
Das Ausspielen der Marktmacht funktioniert so: Ein Großkonzern wie Vattenfall ist aufgeteilt in Kraftwerke, die Strom erzeugen, in Netze, die Strom weiterleiten und in einen Vertrieb, der den Strom den Kunden verkauft.
In der Wirtschaft ist es üblich, dass alle Teile des Konzerns ihre Gewinne an die Konzernmutter abführen. Das ist bei der Stromwirtschaft aber anders.
Der Grund: Der Vertrieb soll möglichst schlecht dastehen. Denn seine Kosten und Erlöse müssen die Landesregierungen prüfen. Ist der Gewinn hoch, werden höhere Strompreise nicht genehmigt.
Also: weg mit dem Gewinn.
Und das geht so: Die anderen Konzernteile verlangen auch vom eigenen Vertrieb völlig überteuerte Entgelte für die Netzbenutzung und überhöhte Preise für den Strom. Das lässt den Gewinn des Vertriebes schnell schrumpfen.
Das Geld bleibt aber im Konzern. Und weil das viele Geld noch nicht reicht, geht nun der Vertrieb - arm wie eine Kirchenmaus - zur Landesregierung und erklärt, dass Preiserhöhungen nötig sind.
Harald Wolf (PDS), Senator für Wirtschaft Berlin
„Vattenfall Distribution hat uns Zahlen vorgelegt, die wir auch noch mal über Wirtschaftsprüfer haben überprüfen lassen, nachdem sie in den letzten Monaten des Jahres 2005 bereits eine relevante Kostenunterdeckung gehabt haben und vor diesem Hintergrund sahen wir wie gesagt keine Möglichkeit, das zu versagen.“
Der Mutterkonzern Vattenfall legt Rekordergebnisse vor. Und der Vertrieb - laut Senator - Verluste.
Höhere Preise – das verlangen die Energiekonzerne auch vom Wirtschaftsminister in Hessen. Auch hier jammern Vertriebstöchter von Konzernen über Verluste. Doch anders als in Berlin und anderen Bundesländern genehmigt der hessische Minister höhere Strompreise bisher nicht.
Alois Riehl (CDU), Minister für Wirtschaft Hessen
„Also mit den armen Unternehmen, das ist eine Mär. Denn die deutschen Stromunternehmen haben die höchsten Gewinne verglichen mit allen Branchen.“
KONTRASTE
„Der Wirtschaftssenator in Berlin sagt: ,Ich hatte keine rechtliche Handhabe, die Preiserhöhungen abzulehnen.’.“
Alois Riehl (CDU), Minister für Wirtschaft Hessen
„Das sehe ich anders, das muss ich leider sagen, da irrt sich mein Kollege. Denn die Bundestarifordnung, das entsprechende Gesetz zwingt uns gerade dazu, in der Prüfung von Kosten und Erträgen zu einem Ergebnis zu kommen und unser Ergebnis lautet: ,Die Preiserhöhungen in dieser Höhe haben keine Chance.’“
Wer hat nun im Endeffekt Recht? Hessen oder Berlin? Das sollte einer wissen, der sich nicht nur bestens mit Haushaltsgeräten auskennt: Professor Schwintowski, selbst Vattenfall-Kunde und Energierechtsexperte.
Prof. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität Berlin
„Nach meiner Meinung hat der hessische Minister Recht. Denn es kommt entscheidend darauf an, ob der Konzern insgesamt Gewinn macht und ein anderer Teil rechnet sich dann arm. Und dieser arm gerechnete Teil der führt dann dazu, dass der Bürger dann plötzlich hohe Strompreise bezahlen muss. Diese Zweiteilung in einen armen und in einen reichen Konzernteil, die darf die Preisgenehmigungsbehörde nicht akzeptieren.“
In Schweden freut man sich. Der Staatsbetrieb Vattenfall bietet jetzt auf Druck der dortigen Regierung noch günstigere Tarife für Privatkunden an – schließlich sollen die schwedischen Bürger an den tollen Konzernergebnissen teilhaben.