Märchenfilm Deutschland 2010 -
Vor vielen Jahren lebte ein Kaiser, der so ungeheuer viel auf neue Kleider hielt, dass er all sein Geld dafür ausgab, um recht geputzt zu sein. Eines Tages kamen zwei Betrüger, die gaben sich für Weber aus...
Sie sagten, dass sie das schönste Zeug, was man sich denken könne, zu weben verstanden. Die Farben und das Muster seien nicht allein ungewöhnlich schön, sondern die Kleider, die von dem Zeuge genäht würden, sollten die wunderbare Eigenschaft besitzen, dass sie für jeden Menschen unsichtbar seien, der nicht für sein Amt tauge oder der unverzeihlich dumm sei.
,Das wären ja prächtige Kleider', dachte der Kaiser; wenn ich solche hätte, könnte ich ja dahinterkommen, welche Männer in meinem Reiche zu dem Amte, das sie haben, nicht taugen, ich könnte die Klugen von den Dummen unterscheiden! Ja, das Zeug muss sogleich für mich gewebt werden!' Er gab den beiden Betrügern viel Handgeld, damit sie ihre Arbeit beginnen sollten.
Sie stellten auch zwei Webstühle auf, taten, als ob sie arbeiteten, aber sie hatten nicht das Geringste auf dem Stuhle. Trotzdem verlangten sie die feinste Seide und das prächtigste Gold, das steckten sie aber in ihre eigene Tasche und arbeiteten an den leeren Stühlen bis spät in die Nacht hinein.
,Nun möchte ich doch wissen, wie weit sie mit dem Zeuge sind!' dachte der Kaiser, aber es war ihm beklommen zumute, wenn er daran dachte, dass keiner, der dumm sei oder schlecht zu seinem Amte tauge, es sehen könne. Er glaubte zwar, dass er für sich selbst nichts zu fürchten brauche, aber er wollte doch erst einen andern senden, um zu sehen, wie es damit stehe. Er schickte erst seinen Minister, dann seinen Staatsmann. Beide konnten zwar keine Stoffe sehen, weil sie aber nicht für untauglich befunden werden wollten, schwärmten sie dem Kaiser von dem prächtigen Zeug vor.
Nun wollte der Kaiser es selbst sehen, während es noch auf dem Webstuhl sei. Mit einer ganzen Schar auserwählter Männer, unter denen auch die beiden ehrlichen Staatsmänner waren, die schon früher dagewesen, ging er zu den beiden listigen Betrügern hin, die nun aus allen Kräften webten, aber ohne Faser oder Faden.
,Was!' dachte der Kaiser; ich sehe gar nichts! Das ist ja erschrecklich! Bin ich dumm? Tauge ich nicht dazu, Kaiser zu sein? Das wäre das Schrecklichste, was mir begegnen könnte.' "Oh, es ist sehr hübsch", sagte er; "es hat meinen allerhöchsten Beifall!" und er nickte zufrieden und betrachtete den leeren Webstuhl; er wollte nicht sagen, dass er nichts sehen könne. Das ganze Gefolge, was er mit sich hatte, sah und sah, aber es bekam nicht mehr heraus als alle die andern, aber sie sagten gleich wie der Kaiser: "Oh, das ist hübsch!' und sie rieten ihm, diese neuen prächtigen Kleider das erste Mal bei dem großen Feste, das bevorstand, zu tragen.
Die ganze Nacht vor dem Morgen, an dem das Fest stattfinden sollte, waren die Betrüger auf und hatten sechzehn Lichte angezündet, damit man sie auch recht gut bei ihrer Arbeit beobachten konnte. Die Leute konnten sehen, dass sie stark beschäftigt waren, des Kaisers neue Kleider fertigzumachen. Sie taten, als ob sie das Zeug aus dem Webstuhl nähmen, sie schnitten in die Luft mit großen Scheren und sie nähten mit Nähnadeln ohne Faden.
Der Kaiser legte seine Kleider ab, und die Betrüger stellten sich, als ob sie ihm ein jedes Stück der neuen Kleider anzogen, die fertig genäht sein sollten, und der Kaiser wendete und drehte sich vor dem Spiegel. Die Kammerherren, die das Recht hatten, die Schleppe zu tragen, griffen mit den Händen gegen den Fußboden, als ob sie die Schleppe aufhöben, sie gingen und taten, als hielten sie etwas in der Luft; sie wagten es nicht, es sich merken zu lassen, dass sie nichts sehen konnten.
So ging der Kaiser unter dem prächtigen Thronhimmel auf die Straße. Keiner wollte es sich merken lassen, dass er nichts sah; denn dann hätte er ja nicht zu seinem Amte getaugt oder wäre sehr dumm gewesen. "Aber er hat ja gar nichts an!" sagte endlich ein kleines Kind. "Hört die Stimme der Unschuld!" sagte der Vater; und der eine zischelte dem andern zu, was das Kind gesagt hatte.
"Aber er hat ja gar nichts an!" rief zuletzt das ganze Volk. Das ergriff den Kaiser, denn das Volk schien ihm recht zu haben, aber er dachte bei sich: ,Nun muss ich aushalten.' Und die Kammerherren gingen und trugen die Schleppe, die gar nicht da war.
Nach der Vorlage von Hans Christian Andersen
Herkunft und Bedeutung
Andersen variierte bei dem Märchen eine Geschichte (Ejemplo XXXII) der spanischen Sammlung von Don Juan Manuel, die ursprünglich 1335 im Buch "El Conde Lucanor" erschien und offenbar der maurischen Erzähltradition entstammt. Andersen bekannte diese Entlehnung in seinem Tagebuch unter Hinweis auf die Novellensammlung von Karl Eduard von Bülow.
Die Erzählung wird gelegentlich als Beispiel angeführt, um Leichtgläubigkeit und die unkritische Akzeptanz angeblicher Autoritäten und Experten zu kritisieren – vergleichbar mit "Kleider machen Leute" und dem "Hauptmann von Köpenick". Aus Furcht um seine Stellung und seinen Ruf spricht wider besseres Wissen niemand die offensichtliche Wahrheit aus. Aufgrund dieses Konfliktes ist Märchen ist zeitlos.
"Des Kaisers neue Kleider" in Film und Fernsehen
1961 drehte die DEFA den Spielfilm "Das Kleid" unter der Regie von Konrad Petzold, der an Andersens Märchen angelehnt ist. Unter der Regie von Juraj Herz entstand 1992-1994 der Film "Des Kaisers neue Kleider" mit Harald Juhnke in der Hauptrolle. In der ProSieben Märchenstunde wurde 2006 die Komödie "Des Kaisers neue Kleider - Mode, Mob und Monarchie" gezeigt.