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Den Räuber Hotzenplotz kennt jedes Kind. Geschrieben hat die Geschichte Otfried Preußler, der jetzt 100 Jahre alt geworden wäre. Seine Geschichten sind voller Fantasie und Magie. In seinen Büchern wollte Otfried Preußler unseren Kindern Werte wie Mut, Neugier und Gerechtigkeit nahebringen. Sein Nachlass liegt in Berlin in der Staatsbibliothek und die widmet ihm zum Jubiläum eine große Ausstellung: "Der Mensch braucht Geschichten".
Kinder brauchen jemanden, der sie an die Hand nimmt. Sie ermutigt, für sich selbst einzustehen und für das Gute zu kämpfen. "Kinderhände sind schwache Hände." sagte der Kinderbuchautor Otfried Preußler einmal in einem Interview. Und so erschuf er Figuren, die den Kindern Vertrauen geben – in das Leben, in sich selbst.
Otfried Preußler, Kinder- und Jugendbuchautor
"Ich glaube an die Kraft der Fantasie und ich glaube an die seelischen Kräfte, die sich in magische Wirkungen umsetzen können. Sei es zum Bösen oder sei es zum Guten."
38 Bücher hat Otfried Preußler geschrieben. Sie wurden in über 55 Sprachen übersetzt. Am 20. Oktober wäre er 100 Jahre alt geworden. Die Staatsbibliothek zu Berlin zeigt in einer Ausstellung sein Werk und sein Leben. Ob die kleine Hexe, die so gern zu den großen Hexen dazugehören möchte. Das kleine Gespenst, dessen größter Traum es ist, die Welt einmal bei Tageslicht zu sehen. Der kleine Wassermann, der sich mutig in Abenteuer stürzt – in allen Geschichten von Otfried Preußler tauchen magische Wesen auf. Denn Preußlers Kindheit war geprägt von der Sagenwelt seiner böhmischen Heimat. Aufgewachsen ist er in Reichenberg, heutiges Liberec in Tschechien. Die Geschichten, die ihm seine Großmutter Dora erzählte, prägten ihn ein Leben lang.
Carola Pohlmann, Kuratorin
"Da gibt so eine schöne Geschichte, das haben wir hier auch als Zitat in der Ausstellung, dass das liebste Geschichtenbuch von Otfried Preußler das große Buch seiner Großmutter Dora war, aus dem sie immer erzählte. Und erst später haben Otfried Preußler und sein jüngerer Bruder festgestellt, dass es dieses Buch gar nicht gab, dass das Geschichten waren, die die Großmutter sich ausgedacht hat, auf der Grundlage von Sagen in Böhmen."
1942, mit 19, meldet sich Otfried Preußler zur Wehrmacht. 1944 kommt er in Sowjetische Kriegsgefangenschaft. Fünf Jahre verbringt er in Lagern.
Carola Pohlmann, Kuratorin
"Ich halte ihn für einen Optimisten. Er hat auch wirklich tragische und schlimme Schicksalsschläge erlitten, aber er hat immer an das Gute irgendwo im Menschen, in der Welt, auch in Menschen anderer Nationen geglaubt und das wird ihn am Leben erhalten haben."
In Gefangenschaft schreibt Otfried Preußler Gedichte und Theaterstücke, die er trotz Zwangsarbeit mit seinen Mitgefangenen auf der Lagerbühne aufführt.
Carola Pohlmann, Kuratorin
"Das war für ihn und seine Mitgefangenen, für diesen kleinen Kreis um ihn herum, tatsächlich lebensnotwendig. Diese Kunst war eine Möglichkeit, diese schlimme Zeit zu überstehen."
Nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft findet Otfried Preußler in Rosenheim in Bayern eine neue Heimat. Hier lebt er mit seiner Frau und seinen drei Töchtern. Arbeitet als Lehrer und schreibt nebenbei seine Bücher. Er sieht sich als Erzähler, nicht als Schriftsteller. Seine Geschichten entstehen nicht an der Schreibmaschine, sondern auf dem Diktiergerät beim Spazieren.
Susanne Preußler-Bitsch, Tochter
"In unserer Familie war immer der Klassiker, wer setzt heute den Vater aus. Das heißt, wer fährt den Vater irgendwo mit dem Auto fünf, sechs Kilometer weg und dann ist er heimgelaufen und hat diktiert. Und manchmal ist er dann nur mit Schwammerln heimgekommen, weil er keine gescheiten Sätze hatte, die brauchbar waren. Und ansonsten hat er seine Ausbeute, hat er dann hinterher in die Schreibmaschine geschrieben."
Preußler erzählt mit Heiterkeit. Selbst die Bösewichte haben etwas liebenswertes. Allen voran der Räuber Hotzenplotz.
Seine Kriegserlebnisse, seine Traumata, auch aus der Gefangenschaft, begleiten ihn sein ganzes Leben. Deshalb schreibt er "Krabat". Eine düstere Geschichte über einen Waisenjungen, der der schwarzen Magie verfällt und sich seine Freiheit zurückerkämpfen muss.
Otfried Preußler, Kinder- und Jugendbuchautor
"Ich habe meine Erfahrungen mit der Diktatur gemacht. Nicht einmal so sehr mit Hitler, aber mit Stalin. Und der Diktator, der seine Knechte im Lager hält. Das ist auch eine alte Figur."
10 Jahre, mit vielen Unterbrechungen, arbeitet Otfried Preußler an "Krabat."
Carola Pohlmann - Kuratorin
"Das war ein Prozess, der offenbar für ihn sehr schmerzhaft war. Also da gibt es dann so Aussagen von ihm, dass er krank ist, weil er am "Krabat" gearbeitet hat. Und er hat ja dann selbst auch dazu gesagt, dass der "Krabat" für ihn ein Werk ist, über seine Jugend, über Verfehlungen seiner Jugend. Und über die Gefahren, wenn sich junge Menschen mit bösen Mächten einlassen."
Otfried Preußler antwortete auf jede Fanpost, die er von einem Kind bekam, persönlich. Sein Werk ist beseelt davon, den Kindern ihre Ängste zu nehmen. Er vermittelt ihnen Menschlichkeit, Selbstbestimmtheit, Hoffnung. Werte, die unverzichtbar bleiben.
Autorin: Lilli Klinger