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Ein Künstler aus Stuttgart und seine Partnerin - eine Kuratorin aus London - haben das leerstehende Elektrizitätswerk im brandenburgischen Luckenwalde wiederbelebt: als Kunstzentrum. Im Oktober hat die Performancekünstlerin Melanie Jame Wolf dort ihre neue Ausstellung "The Creep" eröffnet.
Der Wilde Westen - Künstlerin Melanie Jame Wolf holt ihn ins E-Werk Luckenwalde. Ihre neue Videoarbeit "The Creep" hat sie in der Turbinenhalle des historischen Kraftwerks gedreht. Sie imitiert darin Posen von Männlichkeit und Machtgebahren.
Melanie Jame Wolf, Künstlerin
"Wir müssen über Macht reden. Macht ist Politik und das betrifft uns alle. Das kann nicht nur was für Theoretiker sein. Wir alle müssen darüber reden. Und das versuche ich mit meiner Arbeit: Meine Gedanken auf eine Weise runterzubrechen, die spielerisch ist und lustig."
Über ihre Kunst darf man auch lachen, sagt Melanie Jame Wolf. Die Australierin lebt seit bald 15 Jahren in Berlin, hat dort in den Sophiensälen performt, in den Kunst-Werken ausgestellt. In Brandenburg arbeitet sie zum ersten Mal - und hofft in Luckenwalde auch auf den Austausch mit dem Publikum vor Ort.
Melanie Jame Wolf, Künstlerin
"Als Nicht-Deutsche, die in Deutschland lebt, interessiert es mich, mal aus dieser Berlin-Blase rauszukommen. Ich versuche, das Umfeld, in dem ich lebe, zu verstehen."
Das E-Werk in Luckenwalde liegt 50 Kilometer südlich der "Berliner Blase": Heute hat die Stadt rund 20.000 Einwohner und blickt zurück auf eine große Industriegeschichte - bis zur Wende. Danach stand das historische Kraftwerk leer - bis ein Künstlerpaar den denkmalgeschützten Bau als Ausstellungsort wiedereröffnet hat.
Helen Turner, Kuratorin E-Werk
"Ich bin 2018 aus London nach Luckenwalde gezogen. Davor hatte ich 15 Jahre lang in Großstädten gewohnt. Aber sowas wie das, was wir hier in Brandenburg machen - das ginge weder in London, noch in Berlin, in keiner großen Stadt. Hier in Luckenwalde gibt es an die 150 leerstehende Gebäude - viele davon denkmalgeschützt. Darin haben wir Potential gesehen, diese beeindruckenden Bauten wiederzubeleben."
Helen Turner hat in den letzten vier Jahren mit ihrem Team im E-Werk Ausstellungen organisiert, Fördermittel und Künstler nach Luckenwalde geholt. Sie meint es ernst mit dem Austausch zwischen internationaler Kunstszene und den Menschen vor Ort.
Das bringt neues Leben in die Stadt - auch in den Imbiss von Bülent Derin. Seit 30 Jahren verkauft er in Luckenwalde Döner.
"Merkt ihr das, wenn da eine Ausstellung eröffnet?"
- "Ja, das kriegt man mit. So wie heute auch!"
"Und woran merkt ihr das?"
- "Ich hab dann noch mehr vegane Leute hier, Leute, die kein Fleisch essen. Dann krieg ich mit, dass sie hier nebenan sind. Ansonsten freu ich mich natürlich: für mich, für die Stadt, mehr Arbeit, mehr Geld."
Kunst direkt nebenan - das bringt mehr Kundschaft - und hat auch Bülent Derin, wie viele Luckenwalder, schon ins E-Werk gelockt.
Bülent Derin, Imbiss-Besitzer
"Das war interessant - war die letzte Ausstellung. Der hat Musik hergestellt mit einem Hammer und so einem Teil. Das war schön - mal was anderes!"
Eine Hochschule hat Luckenwalde nicht - doch das E-Werk bringt Studierende hierher. In dieser Woche ist das dritte Semester Architektur von der Fachhochschule Potsdam zu Gast, um Gebäude zu zeichnen. Campus-Atmosphäre kommt auf - auch im verlassenen Stadtbad nebenan, das seit über 20 Jahren leer steht.
Helen Turner und ihr Partner, der Künstler Pablo Wendel, wollen auch diesen denkmalgeschützten Bau wiederbeleben.
Pablo Wendel, Künstler
"Das ist ein ehemaliges Stadtbad. Hier haben ganz viele Menschen aus Luckenwalde und der Region schwimmen gelernt. Es wurde 1928 errichtet von Hans Hertlein, einem großen, bekannten Bauhaus-Architekten."
Seit der Wende verfällt das Gebäude - eine neue Schwimmhalle gibt es in Luckenwalde längst. Jetzt soll das alte Stadtbad ein Kulturort werden. Mit dem Probebetrieb hat das E-Werk schon begonnen: 2021 wurde hier die preisgekrönte Performance-Oper "Sun & Sea" aufgeführt.
Pablo Wendel, Künstler
"Das war zum ersten Mal der Moment, wo alle erfahren konnten, dass [...] das Ganze ein Ort sein kann, der für Kultur funktioniert und für eine ganz neue Form von Begegnung genutzt werden kann."
Gemeinsam mit der Stadt Luckenwalde hat das E-Werk-Team ein Zukunftskonzept für das Stadtbad geschrieben, 4 Millionen Euro Fördermittel vom Bund sind bewilligt. Entstehen soll der "E-Campus": ein Ort für Kultur und Bildung, der das Stadtbad mit dem benachbarten Kraftwerk verbindet.
Helen Turner, Kuratorin
"Wenn wir über Kultur reden, muss das nicht nur zeitgenössische Kunst heißen oder Musik oder Malerei. Das kann auch sowas wie ein Flohmarkt sein. Ich verstehe unter Kultur: Community, Menschen zusammenbringen."
Bis 2027 soll das Stadtbad in Luckenwalde fertig restauriert sein und offiziell wiedereröffnen. Gleich nebenan ist die neue Ausstellung von Melanie Jame Wolf schon jetzt im E-Werk zu sehen.
Autorin: Anne Kohlick