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Daniel Schreiber schreibt meist über Themen, die tief gehen, die manchmal auch weh tun. Ein Buchessay handelt von Einsamkeit, ein anderes von Alkohol. In seinem neuesten Werk geht es um Verluste, beispielsweise von geliebten Menschen, aber auch von Sichergeglaubtem.
Daniel Schreiber, Autor
"Ich liebe die Gemäldegalerie. Es ist immer für mich eine Form von Selbstpflege. Man taucht in andere Welten ein, man kann Schönheit genießen. Man arbeitet Dinge durch, die man nur durcharbeiten kann, wenn man sich Bilder anschaut."
Der Tod seines Vaters, die Trauer um ihn – der Verlust – diesen Schmerz bearbeitet Daniel Schreiber in seinem neuen Buch, das seinen Tag in Venedig beschreibt. Das sieht übrigens, noch immer so aus wie auf den Gemälden von Canaletto, sagt Daniel Schreiber. Er war für ein Stipendium 2 Wochen in der italienischen Kunstmetropole. Macht sie vom Aufstehen bis zum Schlafengehen zum Ort seines Essays:
Daniel Schreiber, Autor
"Ich glaube, dass das ganz viel über Trauer aussagt, dass es ganz viel über die schwierigen Phasen aussagt, die man Tag für Tag erlebt und Tag für Tag durchlebt und wo es auch nur darum geht, diesen einen Tag zu durchleben."
"Mir ist aufgefallen, das ist genau der richtige Ort – hier muss der Tag spielen, weil es in dieser Stadt immer darum geht, das Bild zu bewahren, Geschichte zu bewahren. Es geht immer um Trauer, die Trauer ist der Stadt eingeschrieben."
Venedig liegt im Nebel, an jenem Tag, von dem uns Daniel Schreiber erzählt. Die Stimmung hat er in Videos und Fotos festgehalten. Der Nebel legt sich auf die Stadt, ähnlich wie die Trauer sich auf die Seele legt, wie eine Taubheit gegen die Daniel Schreiber anschreibt - seine Art Trauerarbeit zu leisten.
Daniel Schreiber, Autor
"Wir alle sind auf unsere eigene Art unfähig zu trauern. Wir alle versuchen den Schmerz zu betäuben. Für viele Menschen ist es die Arbeit, für andere Menschen sind es Drogen, Alkohol. Und Trauer kann aber eigentlich erst dann beginnen, die eigentliche Trauerarbeit, wenn wir aufhören, davor wegzulaufen, wenn wir uns dem Schmerz stellen. Also gerade dieser Impuls, uns dem Schmerz nicht zu stellen, ist das, was uns daran hindert, durch die Trauer zu kommen. Weil natürlich, der Schmerz gehört dazu und dem, dem kann man nicht ausweichen."
Venedig in Berlin - die venezianischen Maler wie Tizian oder Veronese hängen in Saal 6 der Gemäldegalerie.
Der tote Jesus von 2 Engeln gestützt. Die Engelspieta von Paolo Veronese ist ein typisches Motiv im 16. Jahrhundert. Trauer in der Renaissance.
Daniel Schreiber, Autor
"Je weiter wir meinetwegen Bücher lesen, die von Trauer berichten, je mehr Bilder wir uns angucken, in denen Trauer verarbeitet wird, private aber auch gesellschaftliche Trauer, desto besser ist es für uns und desto einfacher fällt es uns auch eine Sprache für unsere Gefühle zu finden, für unsere Gefühle der Trauer."
"Ich habe das Buch unter anderem deshalb geschrieben, weil ich gemerkt habe, wir reden nicht wirklich über Trauer. Zum einen können wir schlecht darüber reden, weil das eben so ein überwältigendes Gefühl ist. Zum anderen gibt es aber auch einen gewissen gesellschaftlichen Kodex, dass man über diese Gefühle nicht redet, dass man die mit sich selbst ausmacht."
In seinem Buch geht es Daniel Schreiber nicht nur um persönliche Trauer: Er sieht auch den kollektiven Verlust an Zuversicht – eine tiefe Verunsicherung in der heutigen Zeit, die Angst vor wachsendem Rechtsextremismus, Klimawandel und Krieg. Dabei, so Daniel Schreiber, kann aber der Umgang mit dem ganz persönlichen Verlust helfen wieder Vertrauen zu gewinnen.
Daniel Schreiber, Autor
"Vertrauen bedeutet nicht, dass wir glauben, dass übermorgen alles ganz toll wird. Oder dass sich die Uhren zurückdrehen und wir in eine Welt ohne Klimawandel gelangen und wo sich alle Probleme wie magisch lösen. Vertrauen bedeutet wirklich, dass wir Vertrauen darin finden, dass wir mit dieser Situation umgehen können. Und dafür sind diese privaten Verluste, die wir durchleben, wirklich ein gutes Beispiel."
Und genau dieses Vertrauen will uns Daniel Schreiber mit seinem Buch schenken. Denn die Zukunft ist längst noch nicht geschrieben.
Autorin: Nathalie Daiber