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Puppenspiel kann sehr viel mehr sein, als leichte Unterhaltung für Kinder. Das beweist die Puppenspielerin Shlomit Tripp, die mit ihren Stücken unterschiedlichste Gruppen zusammenbringt. Und so ist es schon geschehen, dass konservativ muslimische und orthodox jüdische Familien bei ihren Vorstellungen lachend nebeneinander sitzen.
Es ist stiller geworden in der Werkstatt von Shlomit Tripp in Berlin-Kreuzberg. Hier baut sie alle Ihre Puppen und Requisiten. Vor über zehn Jahren hat sie das jüdische Puppentheater "bubales" erfunden.
Shlomit Tripp, Puppenspielerin
"Wo ich mich am allermeisten freue, ist wirklich, wenn ich Kinder lachen höre. Wenn ich Kinder zum Lachen bringe, da geht in mir wirklich die Sonne auf. Das ist das Schönste überhaupt."
Gerade entwirft und fertig sie Puppen für ein Stück das Purim erklärt, ein ausgelassenes Fest, das an die Rettung des jüdischen Volkes in Persien im 5. Jahrhundert vor Christus erinnert. Die Terroranschläge vom 7. Oktober in Israel haben Shlomit Tripps Leben verändert.
Shlomit Tripp, Puppenspielerin
"Das ist ein ganz tiefer Schmerz einfach. Ich…, mir fehlen eigentlich noch immer die Worte. Ich hab erst gedacht, das sind fake news, weil ich dachte, das kann niemals wahr sein, niemals. Und als ich dann verstanden habe, dass das wahr ist, hab ich mich in meinen Schlafsack verkrochen. Und hab erst mal ne ganze Weile gebraucht."
Die Unterstützung aus der jüdischen Community und der Beistand ihres Rabbis haben ihr geholfen, wieder an die Arbeit zu gehen. Aber Shlomit Tripp tritt jetzt fast nur noch unter Polizeischutz auf. Auf den Reisen mit dem Zug ist sie allein und da werden Aufkleber mit jiddischen Worten und hebräischen Buchstaben auf dem Gepäck auf einmal zum Risko.
Shlomit Tripp, Puppenspielerin
"Mein Mann meinte, ich solle das jetzt alles abmachen, weil er sich Sorgen um meine Sicherheit macht. Und solche Diskussionen hatten wir vorher eigentlich nicht. Aber ich hab mir gesagt: Nee, das lasse ich mir nicht nehmen."
Puppen zu bauen, hat Shlomit Tripp von ihrer Mutter gelernt. Schon ihre Großmutter konnte dieses Handwerk. Ihre Auftritte hat sie in ganz Deutschland. In jüdischen Gemeinden, aber auch in Kirchen, Schulen, Museen und Theatern. Auch der Islam kommt in vielen ihrer Stücke vor. So hat zum Beispiel der 8-jährige Shlomo eine arabische Freundin namens Ayshe.
Youtube Video: "Das groovige Alef-Bet - Teil 1 von Ayshe und Shlomo"
"Wie sagt man auf Hebräisch "Hallo"?"
- "Schalom."
"Schalom? Das klingt ja wie Salam."
- "Salam?"
"Salam ist Arabisch und bedeutet "Hallo" und auch "Frieden"."
Die beiden lernen voneinander, entdecken viele Gemeinsamkeiten. Lange wurde Shlomit Tripp auch von muslimischen Gemeinden gebucht. Momentan allerdings kaum noch.
Shlomit Tripp, Puppenspielerin
"Dann kommt aber so eine E-Mail: Es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, dass türkische Kinder in ein jüdisches Puppentheater gehen. Und ich denke, nein, es ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt."
Bei manchen Veranstaltungen, bei denen sie schon häufig aufgetreten ist, heißt es plötzlich: es gäbe Platzmangel oder zu wenig Personal. Shlomit Tripp vermutet andere Gründe. Erinnert sich an einen früheren Fall.
Shlomit Tripp, Puppenspielerin
"Innerhalb unserer eigenen Community gibt es praktisch, so hieß es zum Beispiel mal, einen Shitstorm. Das heißt, wir können eigentlich nicht für deine Sicherheit garantieren, wenn wir dich in unseren Räumen bei unserer Community auftreten lassen. Und das finde ich krass, weil das bedeutet, dass praktisch die Leute, diese Veranstalter selber, ihrer Community gegenüber machtlos sind. Und das finde ich alarmierend eigentlich."
Das Leben in verschiedenen Kulturen prägt Shlomit Tripps Familiengeschichte. Ihre Großeltern fliehen vor der Judenfeindlichkeit aus Griechenland in die Türkei. In den 60ern ziehen ihre Eltern dann von Istanbul nach Westberlin. Die ersten 7 Jahre wächst Shlomit in Charlottenburg auf, danach lebt die Familie, wegen des Berufs des Vaters als Auslandskorrespondent türkischer Zeitungen in Prag, Moskau und Sofia.
Mit 18 kehrt Shlomit Tripp nach Berlin zurück. Sie fühlt sich in vielen Sprachen und Kulturen zuhause, kennt aber auch das Gefühl als jüdische Deutschtürkin immer irgendwie durchs Raster zu fallen, das Gefühl aus mehreren Perpektiven einer Minderheit anzugehören.
Shlomit Tripp, Puppenspielerin
"Muslime sind immer noch eine Minderheit in Deutschland und auch Juden sind eine Minderheit in Deutschland. Und eine Minderheit ist immer verletzlich. Und wenn die Karten schlecht gemischt sind, das wissen wir aus der Erfahrung, dann kann es einer solchen Minderheit ziemlich schnell an den Hals gehen. Deswegen ist es wichtig, denke ich, dass wir miteinander uns zusammenschließen und eben gerade gegen Hass und gegen Rassismus angehen."
Mit ihrem Puppentheater will Shlomit Tripp Vorurteile abbauen und erreichen, dass Menschen wieder aufeinander zugehen. Ihre Aufgabe ist schwieriger geworden.
Shlomit Tripp, Puppenspielerin
"Die erste Woche nach dem 7. Oktober habe ich wirklich gedacht, dass ich alle meine interkulturellen Projekte in die Tonne werfe. Ich hab schon sogar angefangen Puppen aus meinem deutsch-arabischen Stück zu verkaufen, weil ich dachte, dieses Stück wird sowieso nie wieder aufgeführt. Aber nachdem ein bisschen Zeit vergangen ist, denke ich, ich muss einfach weitermachen. Weil wenn ich jetzt aufgebe, wer soll das dann machen? Irgendjemand muss ja weitermachen mit dem Dialog."
Autorin: Lilli Klinger