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Wer mit 50 noch auf der Bühne im Chor singen will, hat es schwer. Die meisten Chöre nehmen in dem Alter niemand mehr auf - die Stimme werde dann brüchig und klinge nicht mehr so voll. Bei den Herzschrittmachern ist 50 viel zu jung - 66plus ist bei diesem Chor das Mindestalter. Sie singen alles - von Grönemeyer bis Peter Fox und jetzt auch Weihnachtslieder – gegründet 2019 in Berlin und inspiriert von dem US-amerikanischen Chor Young@heart.
Im Theater am Potsdamer Platz – gerade die Zwischenunterkunft der Komödie am Ku‘damm – haben sich die "Herzschrittmacher" zum Proben versammelt. Für den Senioren-Chor ist es das erste großes Konzert in diesem Jahr… und es läuft bestens: Über 900 Karten haben sie schon verkauft – ein Riesenerfolg.
"Das Leben ist zu kurz..."
Mindestens 66 Jahre muss man alt sein, um hier mitmachen zu dürfen. Der Älteste ist schon 82. Für sie ist der Chor ein echter Glücksfall.
Christoph Westecker, Chormitglied
"Es ist wunderbar. Plötzlich mit 66 und älter kriegst du 30 neue Freunde. Und du hast plötzlich ein richtiges Familienleben. Einmal die Woche treffen wir uns alle und das wird immer ein großer Fest. Also es wird immer schön."
Jutta Baasner , Chormitglied
"Und damals mussten wir ja ein Casting machen. Und das war natürlich toll, wenn man da genommen wurde, das war ein schönes Gefühl, ja. Auch mit anderen Menschen zusammen zu singen, vor allem in der Größenordnung, das ist schon toll."
"...Halleluja!"
Für sie ist es vielmehr als einfach nur ein Chor. Die Idee hatte Brigitta Valentin. Eigentlich macht sie die Pressearbeit für die Komödie am Kurfürstendamm.
Brigitta Valentin
"Ich habe vor einigen Jahren den Chor Young@Heart gesehen, hier in Berlin. Und das ist unser großes amerikanisches Vorbild. Ich wusste gar nicht, was mich erwartet damals und habe aber dann zwei Stunden geweint, weil mich das so berührt hat. Weil es ist einfach ein riesiger Unterschied, ob jemand, der 30 ist, einen Popsong singt oder jemand, der 70 oder 75 ist. Das hat eine ganz andere Wirkung."
Brigitta Valentin
"Das hat mich gar nicht mehr losgelassen. Und als mich dann mein Kollege gefragt hat "Ich suche nach einem Projekt für den Verein. Hast du nicht eine Idee?", habe ich gesagt: "Ja, doch, wir können doch so ein 66 plus Chor gründen"."
Schon kurze Zeit später hat der Chor nach einem Casting mit 200 Teilnehmern den Kern der Gruppe zusammen. Die Chorleitung übernimmt Wolfgang Thierfeldt: ein erfahrener Chorleiter, Komponist und Dozent an der UDK.
Wolfgang Thierfeldt
"Ja, es gibt eine glasklare Herausforderung, die diese Altersgruppe betrifft. Das ist die Merkfähigkeit. Und da haben wir natürlich immer Späße. Wenn ich in manche Gesichter gucke, in manchen Momenten, und die mich dann bitten, sie nicht anzugucken, weil immer, wenn ich gucke, ist natürlich der Text weg. Und das ist schon herausfordernd für sie. Und es ist toll. Man bleibt im Hirn wach."
Der Chor soll aber mehr bieten als ein Gedächtnistraining für Senioren. Die Ansprüche sind hoch: professionell singen und dabei das Publikum berühren und entertainen.
Wolfgang Thierfeldt
"Die Luft muss brennen. Ich möchte gerne, dass die Luft brennt. Und das Publikum sich selber entscheidet: man, die nehmen uns mit auf eine Reise, die uns die Tränen in die Augen treibt. Oder die nehmen uns mit auf eine Reise, wo wir auf dem Sitz gar nicht mehr ruhig sitzen können. Dass es jetzt nicht nur einfach ein Seniorenchor ist, sondern schon etwas, was unter die Haut und ins Gestell gehen soll."
Die Herzschrittmacher haben geschafft, was sich wohl viele im Alter wünschen. Sie haben Spaß und Erfolg als Künstler.
"Es ist herrlich zu leben... in Berlin"
Autor: Ufuk Cam