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An den Standorten Cottbus und Frankfurt Oder zeigt das Landesmuseum über 300 Fotografien von 31 Künstler*innen. Immer geht es um das Feiern in der DDR, vornehmlich in den 80er Jahren. Feste waren eine der wenigen Möglichkeiten, in einer geschlossenen Gesellschaft quer durch die Schichten Druck abzulassen.
Ganz schön was los in der Konsumgaststätte – am Wochenende ist Discozeit. Nur mit dem sozialistischen Menschenbild haut’s nicht so hin. Das Fernsehen der DDR ist irritiert.
DDR-Fernsehen 1975
"Nun, wohl kaum ein Grund für uns, das Glas zu heben. Wir waren ob dieser Bilder etwas erschrocken. Kennen die Vertreter des Rates des Kreises Abteilung Kultur sie?"
Auch er hat Bilder in einer Dorfdisko gemacht, in seinem Heimatort Beyern bei Falkenberg. Der Fotograf Thomas Kläber kannte sein Umfeld natürlich bestens. Einige Aufnahmen wurden später Teil seiner Diplomarbeit. Mit seiner Praktica samt Orwo-Film war er Teil des Gewühls.
Thomas Kläber, Fotograf
"Ende der 70er Jahre, wir waren jung. Da ging immer was los, war immer Stimmung. Und ich war in dem Fall immer mittendrin. Es wurde viel miteinander gemacht und das Wochenende war dann immer ausgebucht mit Sport und Disco. Natürlich gab’s dann auch Situationen, wo der eine n bisschen über den Durst getrunken hatte, dann hat sich der Kumpel eben mit um den gekümmert. Der wurde dann nicht allein gelassen. Oder hier… Es war nie ein Problem, wenn da auch mal die Eltern aufgetaucht sind und geguckt haben."
Oben im Cottbusser Dieselkraftwerk laufen die Vorbereitungen für "Der große Schwof" – Thomas Kläbers Fotografien gehören zu den sozialdokumentarischen Bildern der Ausstellung.
Petra Göllnitz, Kuratorin "Der große Schwof"
"Das ist eines der Hauptmerkmale von Thomas, dass er mit seiner Scholle und mit seinem Dorf und mit seinen Menschen so verbunden ist und dass man diese Liebe und diese Intensität auf den Fotos sieht. Selbst in der Dorfdisco."
Aber es gibt noch 30 andere Fotografinnen und Fotografen in dieser Doppelausstellung über das Feiern in der DDR. Sie zeigt die Feierkultur in vielen Facetten, in Stadt und Land. Auch die staatlichen Veranstaltungen gehören dazu – oder besser gesagt, wie sie gesehen wurden. Das Turn- und Sportfest in Leipzig – durch die Augen des Leipzigers Jens Rötzsch.
Carmen Schliebe, Kustodin Sammlung Fotografie
"Da spielt natürlich auch in so großen Massenveranstaltungen, den Festen, die der Staat organisiert hat, dieses Verhältnis von Individuum, Masse und Macht eine Rolle, die hier von ihm sehr ironisch kommentiert wird. Wir sind nicht auf der Hauptveranstaltung, sondern sind immer am Rande dieser Ereignisse, wo er die Menschen beobachtet und wie sie zu diesem Ereignis auch stehen. Und das finde ich eigentlich ganz spannend auch an diesen Bildern."
Während einige ältere Herren den Schuss nicht hören, haben sich andere längst verabschiedet, oder wollen das tun. In Prenzlauer Berg häufen sich Ende der 80er die Ausreiseparties.
Petra Göllnitz, Kuratorin "Der große Schwof"
"Man hat sich mittlerweile längst eine eigene Welt geschaffen, auch eine eigene Partywelt. Man hat irgendwie Tropenpartys inszeniert. Man hat alles, was man nicht hatte, ironisiert und auf die Spitze getrieben. Es war eigentlich die Zeit, wo man permanent Freunde verabschieden musste und man wusste nicht, ob man sie wiedersieht oder wann."
Carmen Schliebe, Kustodin Sammlung Fotografie
"Und hier sieht man aber auch, wie kühn manchmal so Anschnitte sind, da sind Köpfe weggeschnitten… Denen ist klar, hier bricht jetzt letztendlich alles zusammen und das wollen sie auch in ner neuen Bildsprache ausdrücken und das machen sie dann auch."
Fest steht – der Alkohol floss reichlich in der DDR – am Ende 143 Liter Bier pro Kopf im Jahr – so ergaben sich beeindruckende Bilder am Vatertag.
Petra Göllnitz, Kuratorin "Der große Schwof"
"Die Fotografen haben in ihren Fotos ihre eigene Sicht der Dinge, ihre eigene Sicht der Welt dokumentiert. Und dieses mit ganz großer Wahrhaftigkeit."
Einblendung: Bilder aus "Flüstern und Schreien", DEFA 1988
Je später die DDR – desto wilder und extravaganter wurde offenbar gefeiert. Und wichtig war: selbst ist die Partygemeinde. Bestes Beispiel sind die alternativen Modeschauen namens "chic, charmant und dauerhaft".
Petra Göllnitz, Kuratorin "Der große Schwof"
"Also, alle, die hier beteiligt sind, haben alles bei dieser Show gemacht. Sie haben das Licht gemacht, sie haben die Klamotten genäht, sie haben sich selber frisiert, sie haben sich selber geschminkt, sie haben ihre eigene Choreographie erdacht. So dass das alles auch wieder n sehr schönes Beispiel ist wie man in der DDR kreativ gefeiert hat, während man sich heute alles bringen lässt, angefangen vom Essen über die Musik, hat man da alles zusammen gemacht und das sieht man in den Fotos ganz schön. Wenn einer gut zu feiern verstand – dann waren wir das!"
Auch mit einem Lächeln vom Leben in der DDR zu erzählen, das war der Kuratorin Petra Göllnitz wichtig. Und da wir eben bei der Modenschau waren – dieses Bild aus dem Dorfgasthof von Thomas Kläber begeistert nachhaltig.
Petra Göllnitz, Kuratorin
"Wir sind auf dem Land. Alle Frauen haben ähnliche Kleider an, weil man gerne dunkel trug, wenn es festlich wurde. Alle waren beim gleichen Friseur und hatten die gleiche Kaltwelle."
Carmen Schliebe, Kustodin Sammlung Fotografie
"Ja, mit welcher Haltung auch diese Frau hier den Laufsteg betritt. Mit welcher Würde sie diesen Morgenmantel öffnet… Das ist natürlich auch ein Festhalten von Zeitgeschichte, das so nicht wiederholbar ist."
Und eben deshalb steht man nach dem Besuch von "Der große Schwof" vor einem Problem. Man möchte eigentlich gerne mitfeiern. Aber - es geht halt nicht mehr.
Autor: Steffen Prell