-
Seit ziemlich genau 10 Jahren ist das Internationale Congress Centrum Berlin geschlossen und niemand weiß so recht, wie es dort weitergehen soll. Mittlerweile steht das ICC unter Denkmalschutz und die Politik sucht nach einer neuen Aufgabe für das Gebäude. Ein Ort für Kunst, Kultur und Innovation soll es werden, dafür ist ein Wettbewerb angekündigt. Fachleute zweifeln, dass das etwas bringt.
"Beton ist extrem haltbar. Und so hat dieses Kongresszentrum gute Chancen hier noch zu stehen, wenn die Cheopspyramide möglicherweise schon verwittert ist."
"Es ist das Lieblingsgebäude von meinem Opa."
"Ham se nich, ham se nich, ein Kongresszentrum für mich? Ja, ja, ja, jetzt haben wir eins da!"
1 Milliarde DM hat es gekostet. Es sieht nach Ewigkeit aus. Aber nur 35 Jahre war es in Betrieb. Seit 10 Jahren ist das Raumschiff ein Geisterschiff.
Felix Torkar ist Architektur-Historiker. Sein Spezialgebiet: Der Brutalismus in der Baugeschichte. Aber für ihn ist das ICC trotz seiner immensen Größe ein filigranes Bauwerk mit einem unübertroffenen Ausdruckswillen.
Felix Torkar, Architekturhistoriker
"Also für mich ist das ICC wunderschön. Und ich finde es auch weniger kontrovers als andere Projekte dieser Zeit, die oft auch stärker dem Betonbrutalismus zuzuordnen sind. Ich würde sagen, das ist hier eher Hightech-Architektur. Man fühlt sich hier wirklich wie im Raumschiff."
2024 soll das Jahr eines neuen Aufbruchs für das ICC werden. Vorigen Herbst hat Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey eine Ausschreibung für Investoren angekündigt.
Aber das leerstehende ICC war schon immer Opfer von Ankündigungen - denen nichts folgte. Nach 6 Monaten und zum 10. Jahrstag der Schließung wollten wir von Franziska Giffey wissen, wie es denn nun weitergeht mit der Ausschreibung.
Franziska Giffey, Wirtschaftssenatorin
"Die Vorbereitungen laufen dafür und dann gehen wir wirklich in die weltweite Werbung für diesen Standort. Wir suchen weltweit Akteure, die unter bestimmten Bedingungen dort investieren. Das eine ist das Thema Denkmalschutz, das zweite ist das Thema, das wir sagen, wir wollen einen Ort für Kultur, Kreativität, Innovation, Technologie, aber auch das Kongressgeschäft."
So weit so bekannt – aber es wird sich lohnen, das Kleingedruckte der Ausschreibung zu lesen: Das Land Berlin will für die Betriebskosten des ICC keinen Euro bezahlen – aber seit wann tragen sich Kunst und Kultur selbst? Auch der Messe- und Kongressbetrieb kriegt keine Zuschüsse. Die Präsidentin der Berliner Architektenkammer hat Zweifel, dass das funktioniert.
Theresa Keilhacker, Präsidentin Berliner Architektenkammer
"Eigentlich geben alle Städte Geld dazu beim Kongressbetrieb, weil sie sagen, das ist unsere Eintrittskarte in die Welt und da legen wir was drauf. Hier kommt ja eine Kaufkraft über solche Kongresse rein. Und dann muss man sich am Riemen fassen und sagen: Da muss ich jetzt durch."
Es wird eine Ausschreibung mit weiteren Überraschungen: Berlin zahlt nichts für die Sanierung, die kostet aber mindestens 330 Mio. €, manche sagen: 1 Mrd. Es gibt nach 10 Jahren Leerstand immer noch keine Schadstoff-Analyse und es fehlt eine Verkehrswertermittlung. Ist es unfair, die zu erwartende Ausschreibung, als die "maximale Katze im Sack" zu bezeichnen?
Franziska Giffey, Wirtschaftssenatorin
"Was wäre denn die Alternative? Wenn man feststellt, dass das Land nicht die Mittel dafür hat in der finanziellen Lage, in der wir sind, das selbst zu machen, dann bleibt nur die Alternative, die wir uns die ganzen Jahre mit anschauen – das man’s liegen lässt. Das kann ja nicht die Lösung sein."
Das ICC ohne Plan zu schließen war ein Fehler. Man hat es zur Flüchtlingsunterkunft gemacht und zum Impfzentrum. 2018 gab es schon mal eine Ausschreibung – ohne Ergebnis. Und 2019 wurde es zum Denkmal erklärt – fast schon ein Verzweiflungsakt. Am ICC wurde die berüchtigte Berliner Mischung aus Größenwahn und Wurschtigkeit exekutiert. Der oberste Denkmalschützer Christoph Rauhut sekundiert jetzt seiner Senatorin: Man soll doch das ideelle Potential des Hauses sehen und nicht immer nur die Probleme.
Christoph Rauhut, Landeskonservator
"Sie haben jetzt die Herausforderungen aufgezählt. Aber man kann natürlich auch die positiven Punkte hervorheben. Also Berlin gibt hier auf den Markt eine Marke für die Bund und Land vor einer Zeit mal sehr viel Geld ausgegeben haben. Es ist im Grunde genommen ein weltweit bekanntes Objekt, was eine einzigartige Architektur hat. Also wenn ich da als Nutzer reingehe, habe ich im Grunde genommen schon mein Branding gesetzt."
Es gab schon wilde Ideen für das ICC: Bordell, Autohaus, Waffenhandlung, Einkaufszentrum, Spielbank. All das will der Senat nicht - man will die Kontrolle über das Gebäude behalten, aber es soll nichts kosten.
Felix Torkar, Architekturhistoriker
"Gleichzeitig halte ich die Attraktivität für potenzielle Investoren, die ja gerechtfertigterweise sicherlich sich auch eine Rendite erwarten, für so gering, dass ich mich gerne eines Besseren belehren lassen würde. Aber ich gebe der neuen Planung und der neuen Ausschreibung eigentlich eher keine guten Chancen."
Ob das ICC die Cheopspyramide überlebt, ist fraglich. Aber es ist auf jeden Fall too big to fail. Insofern kann man auf eine Wiedergeburt hoffen.
Autor: Ulf Kalkreuth