
-
100 Jahre alt würde Hans Rosenthal am 2. April. Jahrzehntelang war er einer der beliebtesten Showmaster im deutschen Fernsehen, mit einem heute unvorstellbaren Millionenpublikum. Auch in der DDR. Dass er als Jude den Holocaust nur knapp überlebt hatte, wurde öffentlich nicht thematisiert. Erst 1980 erzählte Hans Rosenthal seine Geschichte in einer Autobiografie. Seine beiden Kinder führen heute seine karitative Stiftung fort und haben vor kurzem eine Sammlung mit Fotos, Kalendern, Briefen und Alltagsgegenständen an das jüdische Museum in Berlin übergeben. Mit Ihnen schauen wir zurück auf das Leben des nur anscheinend immer heiteren Entertainers.
Das war in den 70ern und 80ern ein Pflichttermin in vielen deutschen Haushalten.
"Guten Abend, liebe Dalli-Dalli-Freunde!"
Der Donnerstag mit Hans Rosenthal.
"Dalli, Dalli!"
"Lummi… Mäuschen…"
Bei Tochter Birgit Hofmann und Sohn Gert Rosenthal war das so ne Sache mit dem Dalli-Dalli-Konsum.
Birgit Hofmann, Tochter von Hans Rosenthal
"Als die erste Sendung kam, da warn wir natürlich mit im Aufnahmestudio, das war ja noch hier in Berlin. Und dann habe ich noch zwei, drei Sendungen gesehen und dann habe ich das eigentlich eingestellt."
Gert Rosenthal, Sohn von Hans Rosenthal
"Er wollte schon, dass ich gucke und auch dazu was sage und von daher habe ich es dann auch gemacht."
Birgit Hofmann, Tochter von Hans Rosenthal
"Du wohntest ja auch zuhause, ich wohnte ja nicht mal mehr in Berlin."
Gert Rosenthal, Sohn von Hans Rosenthal
"Er hat, als ich kleiner war, unheimlich gerne gespielt. Mein Vater hat alles gespielt. Ob das Fußball war, Kicker, Schach, Doppelkopf, Skat. Und das ist für ein Kind natürlich perfekt - Später, als wir größer wurden, hat er viel mit uns diskutiert."
"Dalli, Dalli…"
Er begeisterte ein Millionenpublikum in Ost und West – die Geschichte seiner Jugend war lange unbekannt. Hans Rosenthal war als Jude in der NS-Zeit durch die Hölle gegangen – dass dieser begnadete Entertainer auch einmal in der Zwangsarbeit als Totengräber eingesetzt war ist nur ein dunkles Detail. Er konnte wie im Plauderton erzählen, dass er dem Tod von der Schippe gesprungen war.
Hans Rosenthal (1985)
"Ausweis, ich sach, ich hab keen Ausweis. Ich dachte, nun ist aus. Wie ich hinter den beiden herlaufe sagt der eine zum anderen: wenn wir den überprüfen kommen wir zu spät zum Mittagessen. Sagt er: steig in den Zug, fahr nach Berlin. Wahr ich das fünfte Mal durch."
Birgit Hofmann, Tochter von Hans Rosenthal
"Wir haben beide eigentlich immer gewusst, was er erlebt hat, vielleicht nicht so ausführlich und er hat es auch nicht dramatisiert. Er hat uns eigentlich immer von dem guten Ausgehen, selbst wenn er in Todesgefahr war, erzählt. So wie ein Märchen…"
Gert Rosenthal, Sohn von Hans Rosenthal
"…dass immer ein gutes Ende hat, immer nur drei, vier Sätze und dann war’s auch wieder vorbei."
Aber da war viel mehr – sein jüngerer Bruder Gert wird 1942 deportiert und ermordet. Hans selber übersteht den Krieg unter dramatischen Umständen, versteckt in einer Berliner Gartenlaube.
Hans Rosenthal (1985)
"Wenn man Schritte hörte, wusste man nicht, kommen sie zu dir und holen dich ab oder gehen sie vorbei? Das ist bis heute geblieben. Wenn ich manchmal wo bin und kann Schritte nicht einordnen, werde ich kribbelig."
Mit Kriegsende beginnt für ihn ein neues Leben. Im Haus des Rundfunks an der Masurenallee – damals noch ein sowjetisch kontrollierter Sender. Hans Rosenthal weiß, was er will.
Hans Rosenthal (1985)
"Ich wollte vor allen Dingen Politik machen. Wollte den Leuten beibringen, nach allem, was passiert war: alle Menschen sind gleich. Und dann kam ich da zum Eingang, da stand ein russischer Soldat vor der Tür. Was Du wollen? Raboti, raboti. Zack, war ich drin."
Statt der Politik wird es aber die Unterhaltung – erst beim RIAS, mit Rateshows im Hörfunk.
"Auch diese Antwort ist richtig!"
Dann kommt das Fernsehen.
Gert Rosenthal, Sohn von Hans Rosenthal
"Er hat sehr viel gearbeitet, also auch an seinem Schreibtisch gesessen. Er musste immer ja ein bestimmtes Pensum fertig haben, weil er seine Sendungen selber schrieb, sich die Fragen überlegte, seine Hörerpost persönlich beantwortete."
"Dalli, Dalli."
Wenn es um Hans Rosenthal geht, stellt sich immer die eine Frage. Als jüdischer Entertainer im Land der Täter. Wie war das möglich? Schon er selbst hat von seinen Retterinnen in der Gartenlaube erzählt.
Hans Rosenthal (1985)
"Dadurch, dass ich zwei Menschen in Deutschland kennengelernt habe, die ihr Leben für mich aufs Spiel gesetzt haben, keinen Pfennig genommen haben, ich konnte ihnen ja nichts geben… Bin ich ohne Ressentiments. Wissen Sie, ich habe in der schlimmsten Zeit auch das gute Deutschland kennengelernt."
Der kleinen Birgit hat Vater Hans 1959 eine Lebensweisheit ins Poesiealbum geschrieben.
Birgit Hofmann, Tochter von Hans Rosenthal
"Sei streng zu Dir selber und nachsichtig zu anderen – so wirst du keine Feinde haben. Für meine süße Birgit von Deinem Papa."
"Unsere Antwort jetzt ist, dass er wahrscheinlich wirklich sehr gerne das Gute im Menschen gesehen hat, solange er nicht irgendetwas gegenteiliges erfahren hat. Und das ist ja auch ne Gabe."
Ein Optimist - mit leuchtenden Augen erzählt er 1985 vom besseren Deutschland.
Hans Rosenthal (1985)
"Ich glaube, dass Deutschland sich verändert hat. Ich merke das an meinen eigenen Kindern, die sehen eigentlich im anderen eher den Menschen als der ist das oder der ist das."
Und heute?
"EINIGKEIT…"
Wir müssten uns wohl schämen, vor ihm.
Gert Rosenthal, Sohn von Hans Rosenthal
"Ich glaube, die größte Sorge von ihm war, dass Deutschland wieder einen Rechtsruck macht."
Birgit Hofmann, Tochter von Hans Rosenthal
"Dass er entsetzt wäre, wie so viele Leute, das scheint mir auch ohne Zweifel, aber ich glaube, er wäre nicht still geblieben."
Hans Rosenthal schaut uns von oben zu – das steht fest – als er 1987 starb, sprach sein Freund, der Bühnenautor Curth Flatow, das schönste Abschiedswort.
Curth Flatow (1987)
"Wenn seine Kandidaten besonders viel Beifall bekamen flackerte das Licht auf und Hans rief: Sie sind der Ansicht, das war -Spitze! Dann sprang er mit strahlendem Gesicht in die Luft und das Bild blieb sekundenlang stehen. Nun bleibt es für immer stehen. Er schwebt und kommt nie mehr auf diese Erde zurück."
"Sie sind der Meinung, das war: Spitze!"
Autor: Steffen Prell