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Luvre47 hat die Berliner Hochhaussiedlung Gropiusstadt auf die Deutschrap-Karte gebracht. Auf insgesamt drei Alben erzählt er vom Leben in Plattenbauten, Vereinsamung und dem Aufwachsen ohne Orientierung. Bekannt wurde er durch seine Auftritte im Film "Sonne und Beton". Dass die Gropiusstadt immer noch sein Leben bestimmt, das beweist sein neues Album "Depression mit Meerblick". Es handelt von Beobachtungen im Berliner Süden, Drogen, Elend, Gewalt, Autos, schnelles Geld und Perspektivlosigkeit.
Hier wird er bald sein neues Album zum ersten Mal live spielen. Luvre47 hat sich mit uns im Gemeinschaftshaus Gropiusstadt verabredet. Um die Ecke ist er aufgewachsen.
"Ich geb mir Mühe doch kann nicht glauben, was ich hör in deinen Liedern
Autobahn nach Spanien spiegelt sich in…
Eurem Deutschrap-Zirkus zeig ich Zeigefinger und sag `zieh mal´"
Luvre 47, Rapper
"Ich bin sehr aufmerksam durch die Welt gegangen. Ich hab mir immer viel angeguckt, viel hinterfragt, sehr oft `warum?´ gesagt und das hat, also, man kriegt’s ja einfach mit also, ne… Klassenunterschiede, nicht jeder hat die gleichen Mittel."
Luvre kommt aus einer intakten Mittelstandsfamilie. Aber das Leben im sozialen Brennpunkt prägt ihn von klein auf. Erste Texte schreibt er mit 12. Aber Musik machen fühlt sich unerreichbar an. Er weiß nicht, wohin mit sich. Schule und Ausbildung bricht er mehrfach ab. Seine Freunde sehen sein Talent und überreden ihn, Tracks im Internet zu veröffentlichen. Musik wird Luvres Rettung.
"Ich lag am Boden, kam von nix und grad ist Leben wie im Film
Bunte Packets, die wir rauchen, und dein Team kackt ab auf Pill’n
Ich pump’ laut T9ine im Auto, bring paar Pounds weg auf gechillt
Nie mehr hungern oder klau’n ich mach nur noch, was ich will"
Luvre 47, Rapper
"Denn hat man da jetzt natürlich noch nicht bei seinen ersten Stolperversuchen so überlegt: wie schreib ich mir jetzt Frust von der Seele? Oder so. Aber ich hab sehr schnell gemerkt, dass es so die Funktion mit sich bringen kann. Und ist halt immer bewusster geworden, dass da auch ein Sprachrohr vorherrscht, so, und man auch sprechen kann für Leute."
"Du bist was du hast seit dem Pausenhof."
Elend, Perspektivlosigkeit, erbarmungsloser Kapitalismus. All das beobachtet Luvre um sich herum.
Luvre 47, Rapper
"Es geht auch nicht, sag ich mal, explizit um Gropiusstadt oder, dass ich der Welt erklären will, wie schlimm der Ort ist. Sondern Gropiusstadt ist lediglich die Bühne der Geschichten, die ich erzähle, weil ich sie hier sehe, so. Aber die Geschichten passieren stellvertretend weltweit und in verschiedenen Ausmaßen und durchaus schlimmer."
Luvre sieht Menschen, die es raus schaffen wollen. Um jeden Preis. Chancen auf schnelles Geld, die in den Abgrund führen. Drogen, Sucht, Kriminalität, Freunde hinter Gittern und unter der Erde.
"Scheiße was für ne gefickte Welt
Lange Nächte kurze Tage zwischen Gift und Geld
Goofies machen sich zum Affen für ein bisschen fame"
Luvre 47, Rapper
"Da spreche ich keinen Ort der Welt von frei, aber es gibt definitiv Flecken, an denen du dich schneller verlaufen und verirren kannst, als an anderen und verschiedene Ausgangssituationen, warum du schneller auf so einen Abweg kommen kannst oder langsamer."
Auch Luvre ist schon vom Weg abgekommen. Reflektiert erzählt er davon in seiner Musik. Und realisiert dabei auch: Genug ist leider nie genug.
"Ja nur noch ein zwei Dinger, danach bin ich draußen
Hab ich gelernt ist nur ne Floskel, wenn Geschäfte mal laufen"
Man wird nicht glücklicher, nur weil man mehr hat. Der harte Weg ins Paradies lässt einen abstumpfen und mit leeren Augen zurück. "Depression mit Meerblick" heißt sein neues Album.
"Mit Stichen im Herzen, suchen was Schmerzen nimmt
Zwischen `Wie soll alles enden?´ oder vielleicht ist noch mehr drin
Heb mein Glas auf Depression mit Meerblick"
Luvre 47, Rapper
"Ich hab mir das sehr lange einfach so vorgestellt, du stehst an `nem gewissen Punkt im Leben, hast ein zwei Meilensteine erreicht irgendwie, dass dich das so `ne Grundgelassenheit und so mitbringen lässt. Und ich glaub einfach diese Erkenntnis, dass man das nicht kaufen kann, sondern dass du dich am Ende des Tages, wenns dir scheiße geht halt leider Gottes mit dir selber auseinandersetzen musst."
Luvre lebt nach wie vor in Gropiusstadt. Einige seiner Freunde arbeiten jetzt für ihn. Dass seine Karriere auch ein Ausweg für sie sein kann, macht ihn froh und treibt ihn an.
Luvre 47, Rapper
"Ich weiß nicht, wie jetzt ein 15-Jähriger auf Gropius guckt oder auf das Viertel guckt oder welchen Problemen er sich ausgesetzt fühlt. Ich kann’s nur erahnen. Und ich glaube, es sind die gleichen wie damals. Und politisch gesehen genau das Gleiche, hat sich nicht zum Besseren verändert, safe nicht. Also die stehen an Silvester, stehen Politiker vor `nem ausgebrannten Bus und erzählen, alles muss sich ändern und drei Monate später kürzen die 20 Millionen. Naja, was denkst du, was passiert? Und dann stehen die in zwei Jahren wieder hier und sagen: wie kann sowas passieren?"
"Fick das System fick die Banken, wolln’, dass wir uns unterwerfen
Freund und Helfer nie verstanden, Hass auf Cops ist was wir lernten
Grillanzünder, Vorderreifen, nein niemand muss Bulle werden
Was für ackern bis wir sterben, leg dein’ Block in Schutt und Scherben"
Der Weltschmerz sitzt tief bei Luvre. Kann er unserer Gesellschaft gar nichts mehr abgewinnen?
Luvre 47, Rapper
"Ich bin sehr hoffnungslos was unsere Gesellschaft angeht. Will mich aber auch nicht auf diesen Stuhl setzen und sagen: Alles ist so scheiße, lass alle `nen schönen Monat machen und dann Ende. Weißt du? Das macht ja auch keinen Sinn, so. Ich bin der Auffassung man sollte schon den Glauben nicht verlieren, dass man Sachen verbessern kann, Sachen verändern kann. Aber die aktuelle Ist-Situation, macht mir sehr große Sorgen. Weltweit. Ja, weltweit. Und das… da müssten wir jetzt `nen Film drehen, so. Das ist `ne sehr philosophische Frage."
Luvres Album ist düstere Sozialkritik. Und: ein ungeheuer gutes Rap Album.
Am Ende gibt es doch noch etwas Zuversicht.
Luvre 47, Rapper
"Der allerletzte Part vom Album ist optimistisch. Ob ich das jetzt mache, weil ich da zu 100 Prozent dran glaube oder vielleicht das auch nur für mich manifestieren will, kann ich dir nicht beantworten. Aber es war zumindest meine Absicht den Blickwinkel nicht zu vergessen oder nicht verlieren."
Autorin: Lilli Klinger