Das E.T.A. Hoffmann-ABC - D - wie die Damen
Von Norbert Kron
Hoffmann und die Damen - das ist eine schwierige und immer wieder auch problematische Geschichte. Schon der junge Hoffmann scheut keine Mühen, den Mädchen nachzusteigen oder richtiger: sie im wahrsten Sinn des Worte anzugraben. E.T.A. Hoffmann wächst ja nach der Trennung der Eltern bei seinem Onkel auf. Und der Garten des Onkels grenzt an ein Wohnheim junger Frauen. Zusammen mit seinem Schulfreund Hippel kommt der 14 Jahre alte Hoffmann auf die Idee, einen unterirdischen Stollen dorthin zu graben – Das erzählt Wilhelm Heinrich Schollenheber in seinem Hoffmann-Band "Schwänke und Charakterzüge" von 1922. Ehe die beiden Teenager aber durch ihren Tunnel zum Wohnheim der jungen Frauen durchdringen können, entdeckt der Onkel das Loch im Erdreich und lässt es wieder zuschütten, ohne Verdacht zu schöpfen.
Die Mauern, die sich zwischen Hoffmann und dem anderen Geschlecht auftun, wiederholen sich auch andernorts – und enden nicht selten in Liebesqual. Als er während seines Jurastiums Musikunterricht gibt, verliebt er sich in seine Gesangs- und Klavierschülerin Dora. Sie ist allerdings neun Jahre älter als er - und hat obendrein bereits Ehemann und fünf Kinder. In Bamberg ist es umgekehrt. Da ist er bereits verheiratet, und verliebt sich in eine weitere Klavierschülerin - Julia. Anfangs ist die erst dreizehn! Weshalb er die pädophile Verliebtheitsraserei nur in verschlüsselten Worten seinem Tagebuch anvertraut.
In seiner Hoffmann-Biographie "Das Leben eines skeptischen Phantasten" schildert Rüdiger Sanfranski, wie sich Hoffmann in den kommenden drei Jahren zerfleischt. Lange ahnt die inzwischen fünfzehnjährige Julia nur von alldem. Doch dann dringt Hoffmanns Irrsinn unübersehbar nach außen. Am Klavier singt er an die Angebetete in peinlich schmachtendem Gesang hin. Dann legt er sich auch noch mit ihrem Verlobten an. Es kommt endgültig zum Eklat. Der Musiklehrer Hoffmann wird von der Familie aus dem Haus geworfen. Hoffmann flüchtet sich in die Literatur. In seinen Texten sind die Frauenfiguren oft ähnlich wirklichkeitsfern und märchenhaft. Weit weniger emotional scheint sein Verhältnis zu seiner Ehefrau gewesen zu sein. In seinen Briefen und Tagebuchaufzeichnungen kommt sie gar nicht vor - von Schwärmereien keine Spur. Aus Zeitzeugenberichten wissen wir zwar, dass er sie in der Öffentlichkeit mit großem Respekt behandelte, aber seine große, romantische Liebe war sie vermutlich nicht. Mischa, wie er sie nannte, hielt all seine Eskapaden aus und stand ihm ein Leben lang treu an seiner Seite - bis zu seinem Tod.