Das E.T.A. Hoffmann-ABC - G - wie Gespensterhoffmann (oder: Der Goldene Topf)
Von Norbert Kron
Schon bald nach Erscheinen seiner ersten Bücher geht ein Gespenst um in Deutschland. Oder besser: ein "Gespensterhoffmann". Mit seinem Roman "Die Elixiere des Teufels" greift Hoffmann Elemente der damals sehr beliebten englischen Schauerromane auf. Dem Motiv des wahnsinnigen Doppelgängers lässt er später "Elementargeister" oder "Spukgeschichten" folgen. Doch die wahre Kunst von Hoffmanns Literatur besteht darin, dass er das Fantastische in der Wirklichkeit ansiedelt. Hoffmann schreibt so realistisch, dass man nie richtig merkt, wann Wirkliches und Märchenhaftes ineinander übergehen. Das Märchen vom "Goldenen Topf", der im Zweiten Band der "Fantasiestücke in Callots Manier" erschienen ist, ist ein perfektes Beispiel. Die Geschichte spielt in Dresden, wo Hoffmann selbst für ein Jahr wohnte. Am Himmelfahrtstag rennt die Hauptfigur, der tolpatschige Student Anselmus, in den Korb einer Apfelverkäuferin hinein, die ihn daraufhin mit einem Fluch belegt. Kurz darauf erblickt Anselmus an einem Holunderbaum drei gold-grüne Schlangen und verliebt sich unsterblich in eine von ihnen, Serpentina. Träumt er das? Oder ist das eine andere, eine märchenhafte Wirklichkeit? Für die Leser*innen ist es unmöglich, das zu unterscheiden.
Auf dem E.T.A. Hoffmann-Portal im Internet bringt es die Literaturwissenschaftlerin Marion Bönninghausen auf den Punkt. Es ist das "kindliche poetische Gemüt", das Anselmus "befähigt, Kontakt mit der Geisterwelt aufzunehmen". Sein Publikum in Dresden hatte dafür wenig übrig. Er schreibt, dass die Leser*innen dort seine Geisterwelten mit ihren "materialistischen und kunstfeindlichen Einstellungen noch nicht einmal wahrnehmen" könnten. Hoffmanns Märchenwelt ist also immer auch Kritik und Spott über die spießige Wirklichkeit seiner Zeit.