Das E.T.A. Hoffmann-ABC - L - wie Lutter und Wegner
Von Norbert Kron
Wer heute am Berliner Gedarmenmarkt an der Ecke Charlotten- und Taubenstraße steht, sieht sich doppelt getäuscht. Zwar stimmt es, was die Plakette an der Hauswand behauptet: dass Hoffmann an dieser Stelle im zweiten Stock gewohnt hat. Aber das ursprüngliche Gebäude gibt es gar nicht mehr. Und auch das große Restaurant, das hier im Parterre den Namen Lutter und Wegner trägt und Touristen mit seiner E.T.A. Hoffmann-Stube anlockt, hat nichts mit Hoffmanns Stammlokal zu tun. Zu seiner Zeit musste der Meister zwei Straßenecken laufen, bis zur Französischen Straße, um sein zweites Zuhause, eine Kaschemme mit erlesener Weinauswahl, zu betreten. Dort hatten ihm die beiden Wirte, die das Lokal seit 1818 unter ihrem Namen führten, einen Stammplatz mit zwei Stühlen reserviert.
Hoffmann nahm dort Platz und wartete, dass sein bester Weinhausfreund aus dem Theater rüberkam. Auch der fügt sich gut bei L ins Hoffmann-ABC ein: Schauspieler und Theater-Star Ludwig Devrient. Was diese beiden Berühmtheiten bei ihren Zechabenden im Lokal aufführten, besaß den Charakter eines entfesselten Improvisationstheaters. Im Suff brannten sie ein Feuerwerk an Witzen ab, das oft auf Kosten der anderen Gäste ging. Und das sorgte für so viel Furore, dass Menschen von überall her anreisten, um Hoffmann und Devrient live zu erleben. Für den Schriftsteller ging es an diesen Abenden aber nicht darum, sich von seiner anstrengenden Schreibarbeit zu erholen. Im Gegenteil: Mit dem Weingenuss wollte er sich für seine nächtliche Schreibstunden, wie er sagte, "montieren". Denn erst wenn er aus der Weinstube zurückkehrte, begann er – wie im Rausch – seine fantastischen Geschichten aufzuschreiben.