Frau steht in einer Stadt auf der Straße und hält schreiend Ohren zu (Bild: Colourbox)
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Gefahr Dauerlärm - Zu viel Schall: Wenn Lärm krank macht

Das menschliche Ohr ist immer im Einsatz - was es empfängt ermöglicht Kommunikation, Spaß und unseren Vorfahren sicherte es das Überleben. Doch der moderne Mensch ist oft Dauerlärm ausgesetzt und das kann krank machen. Die Folgen reichen von Gehörschäden über Depression bis zu Herz-Kreislauferkrankungen. Wie können wir uns in einer lauten Welt schützen? Und welche Techniken und Technologien können dabei helfen?

Laute Musik, Verkehrslärm, schreiende Kinder, das pulsierende Großraumbüro - jeden Tag und potentiell fast überall sind Menschen lautem Schall ausgesetzt. Von Lärm spricht man dann, wenn er zu Belästigungen, Störungen, schlimmstenfalls kurzzeitigen oder sogar dauerhaften Schäden für Körper und Psyche des Menschen führt, so auch die Definition des Bundesumweltministeriums.

Was Lärm ist, wird in den meisten Fällen sehr subjektiv empfunden. Tatsächlich hängt die Wahrnehmung nicht nur von der Situation ab, in der man sich befindet, sondern beispielsweise auch davon, ob man die "Lärmquelle" sympathisch findet oder die Dauer des Lärms abschätzen kann.
Fest steht aber: Wir können unser Ohr nicht abschalten. Zu jeder Zeit empfängt das menschliche Ohr Geräusche, also Schallwellen, die über die Luft bis ans Ohr zu rund 15.000 Hörzellen gelangen, die dann Signale ans Gehirn senden. Geräusche im Bereich zwischen 40 und 65 Dezibel (dB) empfinden Menschen in aller Regel als "normal" laut. Aber schon bei einer Lautstärke von 80 - 85 dB kann unser Gehör dauerhaften Schaden nehmen, so der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte.

Der Lärmstress liegt auf der Straße

Solche Pegel (rund 80 db) können beispielsweise in der Nähe von Autobahnen oder an stark befahrenen Straßen gemessen werden. Nach regelmäßigen Studien des Umweltbundesamtes (UBA) empfinden tatsächlich auch die meisten Deutschen Straßenverkehrslärm als am meisten störend oder sogar belästigend: 2016 gaben das 76 Prozent der Befragten an. Fluglärm störte 44 Prozent und Schienenverkehr 38 Prozent.
 
Allerdings: Jenseits vom Verkehrslärm - also unter Einbeziehung aller Lärmquellen - landete der durch Nachbarn verursachte Lärm auf Platz 2 unter den Befragten - 60 Prozent fühlten sich dadurch gestört.

Gesundheitsrisiko Lärm

Wissenschaftlich unbestritten: Lärm kann krank machen. Kurze, laute Geräusche um die 120 dB können zu Tinnitus, Schwerhörigkeit oder einem Hörsturz führen. In der Regel kann sich das menschliche Ohr von solchen Ereignissen aber wieder erholen, wenn sie selten auftreten.
 
Dauerhafter Lärm dagegen kann auch zu dauerhaften Hörschäden führen - und ein lautes Großraumbüro kann Werte von rund 80 dB erreichen. Aber schon ab etwa 25 dB kann beispielsweise der Schlaf oder die Konzentration gestört werden, so das Umweltbundesministerium. Auf Dauer erhöht das die Anfälligkeit für Depression. Außerdem kann Lärm - je nach Situation und Wahrnehmung - vor allem auch Stress bedeuten: Ab etwa 60 Dezibel schüttet der menschliche Körper z.B. die Stresshormone Cortisol und Adrenalin aus und diese erhöhen Herzfrequenz und Blutdruck. Neben dem Hormonhaushalt verändern sich auch Stoffwechsel und Gehirnstromaktivität durch langanhaltenden Lärm.

Lärmstress treibt den Blutdruck rauf

Die Risiken für Herz-Kreislauferkrankungen und Arteriosklerose werden ebenfalls nachweislich durch "Lärmstress" erhöht. Und in Sachen Blutdruckrisiko konnte das Umweltbundesamt in einem Forschungsprojekt 2015 an überwiegend älteren Menschen in Berlin zeigen, dass diese ein fast 50 Prozent höheres Risiko dafür hatten, wegen Bluthochdrucks in medizinischer Behandlung zu sein, wenn nachts vor ihrem Schlafzimmerfenster im Schnitt 55 dB oder mehr Lärm auftraten, verglichen mit Menschen, bei denen dieser Lärm unter 50 dB im Schnitt lag. Gerade die Belastungen in der Nacht stellten sich als risikoerhöhend heraus.

Technik vs. Lärm?

Lärm kann man gerade in Ballungsgebieten nur schwer aus dem Weg gehen. Wie lassen sich Körper und Psyche schützen, besonders bei einem Organ, das sich nicht willentlich "schließen" lässt? Mit Technik kann man Schallwellen auf dem Weg zum Ohr stoppen - einerseits wird das seit Jahren z.B. durch Lärmschutzfenster in Gebäuden versucht und auch Lärmschutzwände in Büros beispielsweise versuchen den Schall zu brechen. Aber diese Maßnahmen sind einerseits aufwändig, andererseits für Mieter oder Arbeitnehmer auch eventuell gar nicht selbstständig umsetzbar.

Der Gegenschall

Firmen für akustische Geräte, aber auch Start-Ups aus aller Welt arbeiten und forschen mit einer anderen Technik: Gegenschall. Die Idee: Den Schallwellen, die von Lärmquellen ausgelöst werden andere, künstlich erzeugte Schallwellen in gleicher oder ähnlicher Frequenz entgegenzusetzen, um so die Luftbewegung, also die ursprünglichen Schallwellen, zu neutralisieren.
 
Ein physikalisch logischer Weg und die Technik dazu kommt beispielsweise schon in noise cancelling Kopfhörern (Lärm auslöschenden Kopfhörern) zum Einsatz. Ein Startup aus den USA arbeitet an kleinen Geräten mit Saugnapf, die zum Beispiel Fenster der heimischen Wohnung zum gleichen Zweck in Schwingungen bringen soll - auf Knopfdruck. Und ein Hamburger Startup, das schon beim Gründerwettbewerb Digitale Innovationen des Bundeswirtschaftsministeriums 2018 gewann, hat Geräte mit dieser Technik für Flugzeuge und Autos, vor allem Baumaschinen entwickelt. Vielleicht könnten ähnliche Produkte - Hardware oder auch Software als App - in Zukunft mehr Menschen ein handliches Mittel gegen Lärm an die Hand geben, gerade im wichtigen Schlafbereich.

Achtsamkeit: Innere Ruhe finden kann schützen

Auch die eigene Psyche kann zum Helfer werden - nicht direkt gegen Lärm, aber dessen Folgen, wie Stress oder auch Depressionen. So veröffentlichten Wissenschaftler aus Oxford 2015 eine Studie, die zeigte, das eine achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie (MBCT), basierend auf Kenntnissen der Verhaltenstherapie und buddhistischen Meditationstechniken die Rückfallquote Depressiver geringfügig besser senken konnte, als Medikamente.
 
Durch Techniken der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion (englisch: Mindfulness-Based Stress Reduction, kurz MBSR) können Studien zufolge auch Herzfrequenz und Blutdruck gesenkt werden. Eine Untersuchung, die 2015 in der Fachzeitschrift Nature Neuroscience Reviews veröffentlicht wurde zeigte sogar, dass sich Hirnareale durch regelmäßige Übungen verändern können: in diesem Fall vergrößerten sich Bereiche des Hirns, die für Aufmerksamkeit, Regulation von Emotionen oder die Körperwahrnehmung zuständig sind. Entspannende Techniken bieten also durchaus Potential dafür zumindest körperlichen und psychischen Folgen von Lärm - und dem damit einhergehenden Stress - entgegenzuwirken.

Die gesunde stille Pause

Schon wenige Minuten solcher achtsamer „Pausen“ pro Tag sollen sich positiv auf den Blutdruck auswirken. Ähnliches konnte auch schon für Yoga bewiesen werden. In einer 2018 veröffentlichten Studie beispielsweise konnten Forscher der Uni Duisburg-Essen nachweisen, dass Yoga - und gerade die Atem- und Meditationsübungen deutlicher, als die Yogahaltungen - sich positiv bei arterieller Hypertonie auswirken. Die Autoren kommen sogar zu dem Schluss: "Übereinstimmend mit vorhergehenden Studien induzierte nur Yoga ohne Yogahaltungen eine kurzfristige Reduktion des systolischen ambulatorischen Blutdrucks. Da Yoga bei Patienten mit Hypertonie unter pharmakologischer Behandlung sicher und wirksam war, kann er als zusätzliche Behandlungsoption für Betroffene empfohlen werden."
Für die Gesundheit können also kleine und große Pausen der Ruhe, der Achtsamkeit, Meditation und Entspannung, große Wirkungen entfalten.

Beitrag von Lucia Hennerici

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