Interview l Kommunikation mit Ärztin & Arzt - Infovermittlung: Wie sag ich's meinem Doc?
Wer zum Hausarzt geht, dem werden eine Menge Fragen gestellt - auch unangenehme. Aber was soll man als Patientin oder Patient eigentlich alles erzählen und wie ordnet man ein? Was bedeutet "normaler" Stuhlgang oder "seit längerem"? Wir haben bei der Potsdamer Hausärztin Dr. Verena Ernst nachgefragt, was hinter solchen Formulierungen steckt und welche Infos Ärztin und Patient helfen.
Frau Dr. Ernst, wie spreche ich am besten mit meinem Hausarzt/meiner Hausärztin?
Das Wichtigste ist erst mal, dass man als Patient nicht falsch kommunizieren kann. Kein Patient muss vor der Kommunikation mit dem Hausarzt Angst haben. Der Hausarzt sollte die Vertrauensperson sein und bei der kann man nichts falsch machen.
Aber auf was sollte ich im Gespräch achten?
Grundsätzlich sollte jeder Patient im Hinterkopf haben, dass der Hausarzt ganz viele Patienten zu versorgen hat. Daher ist er natürlich darauf bedacht, möglichst schnell zur Diagnose zu kommen oder zu dem Inhalt im Gespräch, der einem hilft, weiterzukommen und die richtige Diagnose zu finden.
Das heißt: Es hilft, wenn der Patient zielgerichtet berichtet, was ihn bedrückt. Wobei man sagen muss, die Informationen, die der Patient als wichtig empfindet, die sind auch wichtig. Es ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, welche Symptome einem Patienten als bedrückend oder bedrohlich erscheinen und die müssen ernst genommen werden.
Wenn ich Medikamente einnehme - von welchen muss ich meinem Hausarzt oder meiner Hausärztin erzählen?
Von den klassischen Medikamenten, wie zum Beispiel Blutdruckmedikamente, Blutverdünner, neurologische Medikamente. Das sind die Medikamente, die Hausärzte interessieren, weil sie einen erheblichen Einfluss haben.
Zudem geben sie Aufschluss darüber, welche Krankheiten der Patient hat.
Außerdem ist es interessant zu wissen, ob die Patienten Nahrungsergänzungsmittel oder pflanzliche Medikamente nehmen. Die können nämlich Einfluss auf die Verstoffwechselung von anderen Medikamenten haben.
Häufige Fragen bei Hausarzt oder Hausärztin sind ja z.B.: "Sind der Stuhlgang und der Urin normal?" Was verstehen Sie denn unter normal?
Hier ist auch das Bauchgefühl des Patienten immer richtig. Wenn er etwas als nicht normal empfindet, hat das einen Grund. Der Arzt sollte zu dieser Frage auch immer noch Nachfragen stellen.
Hier können sich Patienten auch an den W-Fragen orientieren, zum Beispiel "Wie oft gehe ich auf Toilette?". Es ist hilfreich, wenn sich Patienten so etwas vor einem Arztterim aufschreiben.
Gibt es beim Wasser lassen einen Richtwert, bei dem Sie sagen würden: Das ist nicht mehr normal?
Der ist mir nicht bekannt. Das liegt zum Beispiel daran, dass die Flüssigkeitszufuhr sehr unterschiedlich ist.
Jemand, der vier Liter pro Tag trinkt geht häufiger auf die Toilette als jemand, der 1,5 Liter trinkt.
Würde mir ein Patient allerdings erzählen, dass er alle fünf Minuten Wasser lassen muss und es kommt dann auch nur ganz wenig, würde ich auf einen Harnwegsinfekt tippen.
Was will ein Arzt oder eine Ärztin hören, wenn er/sie fragt: Ist der Stuhlgang okay?
Das wäre eine Frage, die ich nie stellen würde. Ich bin in der Sprechstunde immer darauf bedacht, Fakten zu sammeln und zu objektivieren, damit ich einen guten Eindruck erhalten kann.
Das heißt, ich würde mich auch wieder an den W-Fragen entlang hangeln: Wie oft haben Sie Stuhlgang? Wie ist die Konsistenz des Stuhlgangs? Haben Sie Blut gesehen?
Es gibt, gerade was die Häufigkeit des Stuhlgangs angeht, eine ganz große Varianz - von bis zu drei Mal täglich bis hin zu alle drei Tage.
Welchen Zeitraum meint Arzt, wenn er fragt "in letzter Zeit"?
Hier versuche ich auch, genauer nachzufragen: Waren es die letzten der Tage, die letzten Wochen oder das letzte halbe Jahr?
Wenn es zum Beispiel um Schmerzen geht, muss man ganz gezielt nachfragen: Wann hat es genau angefangen? Sind es stechende Schmerzen oder ziehende Schmerzen? Ich habe auch gute Erfahrung damit gemacht, Schmerzskalen zu verwenden. Also zu fragen, wie stark die Schmerzen auf einer Skala von null bis zehn sind. Damit können Ärzte auch gut Verlaufskontrollen machen.
Wenn ich bei einer Ärztin bin, die nicht so differenziert fragt: Was sollte ich als Patientin oder Patient auf jeden Fall immer berichten?
Der "Muster-Patient" sollte von sich aus so genau wie möglich seine Beschwerden schildern. Das bedeutet, die Symptome anhand von Frequenz und Intensität zu schildern.
Natürlich wird das nicht jeder Patient können.
Wenn wir es mal konkret machen: Wenn ich Schmerzen im Arm habe, muss ich meinem Arzt/meiner Ärztin doch nichts über meine Ernährung erzählen - oder?
Das wird nicht die erste Frage sein, aber auch hier gibt es wieder Beschwerden wie Muskelschmerzen, wo man doch auch mal über den Magnesiumhaushalt sprechen kann.
Was mache ich, wenn ich beim Arzt oder der Ärztin war und danach merke, dass ich beim Erzählen etwas vergessen haben?
Da ist die Frage, wie wichtig dem Patienten die Information für sich selbst ist. Wenn sie für den Patienten von Bedeutung ist, dann ist sie wichtig.
Ich sage meinen Patienten: Wenn etwas zwischendurch ist, sollen sie in die Praxis kommen.
Dr. Ernst, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Laura Will