Alzheimerdemenz: Entstehung und Therapie - Gegen das Vergessen
Zur Alzheimererkrankung wird fieberhaft geforscht. Doch Medikamente, die sie heilen könnten, gibt es nach wie vor nicht. Dafür wächst das Wissen um die Erkrankung: Forscher arbeiten an Tests zur Früherkennung. Und es gibt Therapien, die die Symptome der Erkrankung lindern können.
Rund 48 Millionen Menschen weltweit sind an Demenz erkrankt. Weil vor allem in den Industrienationen die Menschen immer älter werden, befürchten Forscher schon seit vielen Jahren eine regelrechte "Alzheimer-Epidemie". Allein für Deutschland soll sich bis 2050 die Zahl der Erkrankten bis auf drei Millionen verdoppeln.
Eine neue Studie aus Großbritannien gibt jetzt vorsichtige Entwarnung. Nach den Ergebnissen dieser Studie ist das Risiko eines einzelnen Menschen, an Demenz zu erkranken in Großbritannien in den letzten zwanzig Jahren um ein Fünftel gesunken. Ein 80-Jähriger hat heute also ein 20 Prozent niedrigeres Risiko dement zu werden, als ein 80-Jähriger, der Mitte der 90er Jahre lebte. Damit sinken die Erkrankungszahlen zwar nicht, weil die Zunahme der älteren Bevölkerung diesen Effekt wieder relativiert. Allerdings fallen die prognostizierten Erkrankungszahlen nicht so dramatisch aus, wie befürchtet.
Der Krankheit frühzeitig auf der Spur
Alle Früherkennungstests auf Alzheimerdemenz haben einen entscheidenden Nachteil: Weil es noch keine Medikamente gibt, die die Krankheit direkt bekämpfen können, bleibt der Nutzen der Früherkennung begrenzt. Auf der anderen Seite, kann es durchaus hilfreich sein, frühzeitig eine beginnende Demenz zu erkennen, um mit den vorhandenen Therapien gegenzusteuern und zumindest die Schwere des Verlaufs abzumildern.
Ein Ansatz ist ein simpler Urintest. Wissenschaftler um Prof. Cheng am Neurologischen Institut der Tianjin Medizinischen Universität in China haben entdeckt, dass im Urin von Menschen mit Alzheimer vermehrt ein bestimmter Eiweißstoff zu finden ist. AD7c-NTP, so der Name des Proteins, ist ein bekannter Auslöser für das Absterben von Nervenzellen. Patienten mit den für die Alzheimerdemenz typischen Plaques im Gehirn, hatten deutlich höhere Werte von AD7c-NTP im Urin als gesunde Patienten. Die Beta-Amyloid Plaques im Gehirn von Alzheimer Patienten können bislang nur mit invasiven und aufwändigen Untersuchungen nachgewiesen werden. Ein einfacher Urintest könnte das in Zukunft erleichtern. Das gilt auch für einen Test, der die Netzhaut im Auge untersucht. Auch hier gibt es einen Zusammenhang zwischen den Amyloid-Plaques im Gehirn von Alzheimer-Patienten und Amyloid Ablagerungen in Randbereichen der Netzhaut. Je mehr Ablagerungen im Gehirn, desto mehr finden sich auch in der Netzhaut. Allerdings wurden diese Tests mit relativ wenigen Probanden durchgeführt, sodass weitere Forschung zu diesem Thema notwendig ist.
Krankheitsentstehung
Durch ein besseres Verständnis für die Krankheitsentstehung erhoffen Forscher in Zukunft Therapieansätze zu finden, die Alzheimerdemenz tatsächlich heilen können. Eines der Hauptmerkmale der Alzheimer Krankheit ist die Anhäufung sogenannter Plaques zwischen den Nervenzellen im Gehirn. Sie bestehen aus Beta-Amyloid, einem Teil eines Eiweißmoleküls. Im gesunden Gehirn werden diese Beta-Amyloide zersetzt und vernichtet. Bei der Alzheimer Krankheit häufen sie sich zu harten unauflöslichen Plaques an. Ein anderes Eiweißmolekül, welches ebenfalls bei der Krankheitsentstehung eine Rolle spielt, nennt sichTau. Tau-Fibrillen bestehen aus Fasern, die sich im Innern von Nervenzellen finden. Sie bilden eine Art "Röhrchen" über das Nährstoffe und andere wichtige Substanzen von Nervenzelle zu Nervenzelle transportiert werden. Bei der Alzheimerdemenz ist das Tau Protein verändert, dadurch können die "Röhrchen" ihre Funktion nicht ausüben. Forscher gehen inzwischen davon aus, dass erst das Zusammenspiel beider Moleküle, Beta-Amyloid und Tau, die Gehirnzellen untergehen lässt.
Ein experimenteller medikamentöser Ansatz zur Behandlung der Alzheimerdemenz ist die Gabe des Nervenwachstumsfaktors NGF. Auf dieses Medikament setzen die Wissenschaftler große Hoffnungen; die medikamentöse Therapie mit NGF ist aber noch in einem ersten Stadium der klinischen Forschung. Wissenschaftler der University of California in San Diego haben die Wirksamkeit von NGF nach dem Tod der von ihnen zu Lebzeiten behandelten zehn Patienten untersucht. Eine Analyse der anatomischen Strukturen in den Gehirnen der zehn behandelten Patienten zeigte, dass die sonst typischen Veränderungen schwächer ausgefallen waren. Das lässt Patienten hoffen, die bereits jetzt an Phase II Studien mit dem Nervenwachstumsfaktor teilnehmen.
Mögliche Auslöser
Auch mögliche Auslöser einer Alzheimerdemenz werden immer wieder kontrovers diskutiert. So haben Wissenschaftler des Leibnitz-Instituts für umweltmedizinische Forschung in Düsseldorf einen Zusammenhang zwischen der hohen Luftverschmutzung, insbesondere mit Feinstaub, und der Entstehung von Alzheimer aufgezeigt. Epidemiologische Daten hatten diesen Zusammenhang in der Vergangenheit bereits hergestellt. Es war allerdings nicht klar, ob es zwischen der Feinstaubbelastung und der Demenz tatsächlich einen kausalen Zusammenhang gibt.
Zumindest im Labor an Mäusen wurde dieser Zusammenhang nun nachgewiesen, indem die Mäuse Schadstoffen aus Dieselfahrzeugen ausgesetzt wurden, woraufhin sich bei ihnen verstärkt schädliche Plaques im Gehirn bildeten. Auch Pilze, Viren und Bakterien sind schon im Gewebe der Alzheimer Plaques nachgewiesen und als mögliche Auslöser der Erkrankung deklariert worden. Allerdings ist nicht klar, ob diese Stoffe die Demenz auslösen oder nicht vielmehr die Folge der Alzheimer Erkrankung sind. Womöglich ist das Eindringen von Pilzen, Bakterien und Viren ins Gehirn eine Folge der Erkrankung, weil das Immunsystem der Betroffenen geschwächt ist.
Was helfen kann
Auch wenn es noch keine Medikamente gibt, die Demenzerkrankungen heilen können, gibt es doch eine Reihe von Wirkstoffen, die den kognitiven Leistungsabbau verlangsamen und die Begleitsymptome der Alzheimerdemenz lindern können. Die Basistherapie der Alzheimerdemenz besteht aus drei Wirkstoffen: Antidementiva, Neuroleptika und Antidepressiva. Auch Wirkstoffe aus der Naturheilkunde wie Gingko und neuerdings auch Curcumin werden eingesetzt. In einer Studie, die kürzlich im "Journal of Alzheimer's Disease" erschienen ist, untersuchten Forscher die Effekte von Curcumin auf neuronale Zellen im Labor. Die Daten zeigen, dass Curcumin starke neuroprotektive, also die Nervenzellen schützenden Effekte, hat. Zusätzlich verlangsamt Curcumin die Ansammlung von Tau-Proteinen in den Nervenzellen; die Proteine die neben dem Beta-Amyloid für den Untergang von Nervenzellen im Gehirn verantwortlich gemacht werden.
Auch durch eine gesunde Lebensweise lässt sich das Risiko für die Entwicklung einer Alzheimerdemenz zumindest senken, auch wenn es kein Patentrezept für eine wirksame Prävention gibt. Dazu gehören regelmäßige Bewegung, geistige Fitness, eine ausgewogene Ernährung, soziale Kontakte und medizinische Vorsorge. Was nicht beeinflussbar ist, sind die Gene und das Alter. Je älter ein Mensch wird, desto höher ist sein Alzheimer-Risiko. Von den 70 bis 75-Jährigen sind drei bis vier Prozent betroffen, bei den über 90-Jährigen schon mehr als ein Drittel.