Frau krümmt sich vor Schmerz im Bett (Quelle: imago/Panthermedia)
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Ein langer Weg zur Diagnose - Fibromyalgie – wenn der Schmerz nicht aufhören will

Zu Beginn ist ihre Zunge immer über das Wort gestolpert: "Fibromyalgie". Inzwischen geht es ihr lässig über die Lippen. Über 30 Jahre hat es gedauert, bis Monika Richter einen Namen hatte, für die ständigen Schmerzen in ihren Armen und Beinen. Rund zwei bis drei Prozent der deutschen Bevölkerung leiden unter dem Fibromyalgie-Syndrom.

Inzwischen ist Fibromyalgie als Erkrankung anerkannt. Das war nicht immer so. Viele Betroffene wurden lange Zeit mit psychischen Diagnosen von Arzt zu Arzt geschickt. Monika Richter hat all das selbst erlebt. Und berichtet der "rbb Praxis" davon. Vor allem, weil sie anderen Betroffenen Mut machen will.

Monika Richter

Monika Richter (Quelle: privat)
privat

Monika Richter wurde vor 62 Jahren in Berlin in Treptow-Köpenick geboren. Schon als junge Frau hatte sie immer wieder starke Muskelschmerzen. Doch erst vor 11 Jahren wurde bei ihr die Diagnose "Fibromyalgie" gestellt. Monika Richter war bis zu ihrem 57. Lebensjahr berufstätig und hat dann einen Rentenantrag gestellt. Seit März letzten Jahres fährt sie mit ihrem Mann im Wohnmobil durch Europa. Wegen Corona steht das Wohnmobil zurzeit allerdings auf dem Grundstück ihres Sohnes bei Berlin. Dort wartet sie mit ihrem Ehemann gerade auf die Geburt des vierten Enkelkindes.

Symptom: Schmerzen

Ich habe Schmerzen im gesamten Körper, die sich nicht durch Abnutzung, eine Verletzung oder Überanstrengung erklären lassen. Mir tun vor allem die Unterarme weh. Die Ärzte haben immer wieder auf Sehnenscheidenentzündung getippt. Daraufhin wurde ich behandelt, dann wurde es kurzzeitig besser und kam dann immer wieder. Ich erkläre das Außenstehenden immer so: Früher in der Schule haben wir "Stecknadel" gespielt. Dabei verdreht man beim anderen die Haut des Unterarms mit großer Kraft gegeneinander, bis es sich anfühlt wie tausend Nadelstiche. Und genau solche Schmerzen habe ich in den Armen. Auch meine Beine schmerzen viel. Mal tut der linke Unterschenkel weh, mal ist die rechte Hüfte betroffen, das wechselt ständig. Und gerade deshalb nimmt einen die Umgebung anfangs auch nicht ernst. Ich habe oft gehört: "Kannst du dich mal entscheiden, was dir eigentlich weh tut?"
 
Der Schmerz wird manchmal verglichen mit einem Muskelkaterschmerz. Dieser Vergleich hinkt aber. Denn beim Muskelkater tun die Muskeln weh, weil man den Körper überlastet hat. Das ist beim Fibromyalgie-Syndrom aber nicht der Fall. Bei mir schmerzen die Muskeln, auch wenn ich sie gar nicht bewege. Vor allem dann, wenn ich mich auf das Sofa lege und mich entspannen will. Gerade dann kommen die Schmerzen.

Massive Erschöpfungsphasen

Ich vermute mal, dass ich die Fibromyalgie seit meinem 15. Lebensjahr habe. Wenn man jung ist, einen Beruf lernt und eine Familie gründet, dann drückt man die Schmerzen weg und ignoriert sie. Mit zunehmendem Alter kann man das aber nicht mehr ignorieren, weil der Körper insgesamt schwächer wird. Wenn ich heute über meine Grenzen gehe, dann breitet sich die Schwäche so stark aus, dass ich nur noch auf dem Sofa liegen kann. Da ist es ganz wichtig, sich nicht zu übernehmen und auf sich zu achten. Denn jede Überanstrengung hat eine massive Erschöpfungsphase zur Folge. Ich musste das mühsam lernen. Wie viele Fibromyalgie-Patienten und Patientinnen wollte auch ich immer alles perfekt machen und konnte nicht "nein" sagen. Das habe ich inzwischen gelernt und gehe achtsam mit meinen eigenen Grenzen um. Manchmal übernehme ich mich allerdings bewusst, weil ich eine Sache zu Ende machen möchte oder sie ganz besonders schön machen möchte. Dann sage ich, okay, dann folgen eben wieder zwei, drei Tage, an denen du gar nichts machen kannst.

Den Alltag meistern mit Fibromyalgie

Menschen, die unter Fibromyalgie leiden, sind hochsensible Menschen, die auf alles Mögliche reagieren, wie zum Beispiel Veränderungen des Wetters. Ich habe trotzdem, bis ich Anfang 50 war, immer gearbeitet und mich um meine Familie gekümmert. Fünf Jahre lang habe ich gemeinsam mit meinem Mann und meiner Schwiegermutter, meine schwer an multipler Sklerose erkrankte Schwägerin gepflegt. Das war für mich selbstverständlich, hat mich aber seelisch sehr stark belastet, zumal sie in meinem Alter war und dann auch verstorben ist. Ich habe Bauzeichnerin gelernt und später in einem Büro gearbeitet, wo es um Versicherungen und Hausverwaltung ging. Manchmal konnte ich vor Schmerzen im Arm den Telefonhörer nicht mehr halten. Als ich Anfang 50 war, hatte ich einen Zusammenbruch. Nach einem anstrengenden Gespräch mit einem Kunden, habe ich mich plötzlich unter dem Schreibtisch wiedergefunden. Ich war einfach zusammengebrochen. Ich bin dann ins Krankenhaus gekommen, wo ich schmerztherapeutisch behandelt wurde. Zum Glück kannten die Ärzte dort sich mit der Erkrankung aus und haben meine Probleme sehr ernst genommen. Das ist bis heute nicht überall der Fall. Leider sagen manche, die Diagnose "Fibromyalgie" sei nur eine Mode, wenn die Ärzte nicht wüssten, was es ist. Ich kenne durch meine Arbeit in der Selbsthilfegruppe viele Betroffene, die jahrelang von Arzt zu Arzt geschickt werden. Das wird allerdings langsam besser.
 
Ich habe nach diesem Zusammenbruch immer wieder gedacht: "Du musst doch arbeiten, du willst deinem Mann doch nicht auf der Tasche liegen". Zum Glück hat mir dann jemand geraten, doch einen Rentenantrag zu stellen. Der wurde zunächst abgelehnt, doch ich habe Widerspruch eingelegt und konnte dann mit 57 Jahren in die vorzeitige Rente gehen. Das war eine riesige Erleichterung. Schon mit dem Erhalt des positiven Bescheides, sind mir tausend Felsen vom Herzen gefallen. Es ist ja nicht nur die Arbeitsbelastung an sich. Viel Anspannung findet im Kopf statt, weil man nicht so belastbar ist und doch alles richtig machen will. Seitdem kann ich endlich abschalten und loslassen. Ich kann mich hinlegen, wenn die Schmerzen kommen, kann mich ausruhen und übernehme mich nur noch, wenn ich es bewusst so entscheide.

Was hilft gegen die Schmerzen?

Fibromyalgie wird ja immer noch zu den rheumatischen Erkrankungen gezählt, weil die Schmerzen ähnlich sind. Allerdings handelt es sich bei der Fibromyalgie nicht um eine entzündliche Erkrankung, weshalb die Behandlung nicht mit der von Rheuma-Patienten verglichen werden kann. Inzwischen gehen viele Betroffenen auch gar nicht mehr zum Rheumatologen, sondern zu Schmerzspezialisten. Bei mir hat ein Orthopäde die Diagnose gestellt, im Jahr 2009, also mehr als 30 Jahre nachdem ich die ersten Beschwerden hatte. Letztlich war das eine Ausschlussdiagnose. Ich bin immer wieder mit Schmerzen an allen möglichen Stellen des Körpers zu ihm gekommen und am Ende hat er gesagt: "Arthrose, Osteoporose, das ist es alles nicht, sie haben Fibromyalgie." Seit sechs Jahren bin ich bei einem Schmerztherapeuten in Berlin in Behandlung. Ich nehme jeden Abend in einer geringen Dosierung ein trizyklisches Antidepressivum ein, welches entspannend wirkt. Das hilft mir auch gegen meine Schlafstörungen, unter denen viele Betroffene leiden. Ich habe jahrelang jede Nacht nur vier Stunden geschlafen, weil ich immer wieder aufgewacht bin und vor Schmerzen nicht wieder einschlafen konnte. Zum Glück kann ich bestimmte Schmerzen mit Novalminsulfon-Tropfen lindern. Andere Schmerzmittel helfen mir allerdings nicht, was auch typisch ist für die Fibromyalgie.
 
Was mir sehr geholfen hat, ist eine Verhaltenstherapie; die habe ich zweimal in einem Abstand von drei Jahren gemacht. Was ich da gelernt habe, ist, dass ich hochsensibel bin und auf mich Acht geben muss. Ich war immer diejenige, die nicht "nein" sagen konnte. Ich habe mir dann ein Mantra an den Spiegel geschrieben, das hieß: "Ich lerne, nein zu sagen."
 
Eine von vielen Nebenerkrankung der Fibromyalgie sind Probleme mit Magen und Darm, also Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung. Deshalb spielt die Ernährung eine wichtige Rolle. Ich versuche, möglichst wenig Kohlenhydrate zu essen und viel Gemüse, Obst und Vollkornprodukte zu mir zu nehmen. Das hilft mir auch gegen die Schmerzen.

Inzwischen hat meine Familie und vor allem mein Mann gelernt, dass ich eben manchmal gar nichts machen kann. Er sagt dann: "Nimm dir die Zeit, die du brauchst, bis es dir wieder besser geht." Das ist eine große Entlastung für mich. Das war aber auch nicht immer so. Irgendwann waren wir mal bei einer Informationsveranstaltung zum Thema "Fibromyalgie"; danach sagte mein Mann: "So viele Leute haben dasselbe wie du!" Da war er völlig von den Socken und hat danach aber verstanden, dass ich ihn nicht ärgern will, wenn ich "nein" sage.
 
Wir haben im letzten Jahr unsere Wohnung verkauft und reisen seitdem mit dem Wohnmobil durch Europa, wenn nicht gerade Corona uns einschränkt. So kann ich vor allem dorthin fahren, wo es warm ist, was meine Schmerzen lindert. Wir waren im letzten Jahr fünf Monate in Portugal und Spanien und es war fantastisch. Ich hatte so einen gleichmäßigen Tagesablauf, ein bisschen Sport machen, ein bisschen wandern, ein bisschen am Strand spazieren gehen, das war toll. Bewegung, wenn ich es nicht übertreibe, tut mir nämlich sehr gut.
 
Seit acht Jahren engagiere ich mich in einer Selbsthilfegruppe in Berlin, die ich selbst gegründet habe. Es gab zwar eine Gruppe in Falkensee, aber es war mir zu weit, dorthin zu fahren, also habe ich selbst die Initiative ergriffen. Der Austausch hilft mir sehr. Es tut gut, Erfahrungen weiter zu geben und von anderen neue Impulse zu bekommen. Man kann sich Menschen gegenüber, die auch ständig unter Schmerzen leiden, viel besser öffnen. Denn die wissen genau, worüber man spricht.

Beitrag von Ursula Stamm

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