Was Sie über Migräne wissen sollten - Mehr als Kopfschmerzen
Migräne ist eine Volkskrankheit: Etwa zehn Prozent der Deutschen sind betroffen. Spannungskopfschmerzen kommen noch häufiger vor. Warum Migräne mehr ist, als "nur" Kopfschmerz, welche Rolle der "Nocebo-Effekt" spielt und wie ein Kopfschmerz-frei-Tagebuch Betroffenen helfen kann.
Migräne und Kopfschmerzen – die beiden Begriffe werden im Alltag schon mal synonym benutzt. Zu Unrecht, denn Migräne ist mehr, als "nur" Kopfschmerz. Mal angenommen, es gäbe Kopfschmerzen und Migräne in einem Fast-Food-Restaurant zu kaufen, könnte eine Bestellung so aussehen:
Ein Besuch bei Mc Headache
Bedienung: Hallo, was möchten Sie bestellen?
Kundin: Einmal Kopfschmerzen, bitte. Aber nur einseitig.
Bedienung: Gerne. Wollen Sie noch Übelkeit, Licht- Geruchs- und Lärmempfindlichkeit zu Ihren Kopfschmerzen dazu? Da haben wir gerade das Migräne-Menü im Angebot…
Kundin: Super, das nehme ich! Kann ich noch eine Aura dazu bekommen?
Typisch Migräne
Charakteristisch für Migräne ist, dass sie meist nur auf einer Kopfhälfte auftritt. Der Schmerz kann pochend, pulsierend oder stechend sein und hält mindestens vier Stunden lang an. Hinzu kommen starke Übelkeit (bis hin zum Erbrechen) und eine Empfindlichkeit gegenüber Licht und Geräuschen.
Am häufigsten sind laut Deutscher Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft Menschen zwischen 35 und 45 Jahren betroffen – danach gehe die Schwere und Häufigkeit der Attacken zurück. Aber auch Kinder können schon unter Migräne leiden, obgleich dies seltener vorkommt und sich die Symptome bei Kindern von denen Erwachsener unterscheiden, sodass die Diagnose mitunter schwerer zu stellen ist.
Der Migräne auf der Spur
Migräne oder nicht? Um diese Frage eindeutig beantworten zu können, ist ein Besuch bei einem Facharzt sinnvoll. Vorbereitend auf das Gespräch können Patienten ein Kopfschmerz-Tagebuch führen.
Migräne mit und ohne Aura
Aura ist nicht nur die griechische Göttin der Morgenbrise – Der Begriff "Aura" fasst verschiedene neurologische Ausfallserscheinungen und Störungen zusammen, die den Kopfschmerzen vorausgehen. Dabei können beispielsweise Sicht und Sprache gestört sein; manche Patienten sehen Doppelbilder, andere Flimmern und Blitze vor den Augen; andere Patienten klagen über Drehschwindel, Sensibilitätsstörungen oder Lähmungen.
Ungefähr jeder zehnte Migräniker leidet an einer Form mit Aura; Männer sind von dieser Form tendenziell häufiger betroffen als Frauen.
Am häufigsten verbreitet ist jedoch eine Form der Migräne ohne Aura. Das heißt, dass Kopfschmerzen und weitere Symptome auftreten, ohne, dass diesen die obig beschriebenen neurologischen Störungen vorausgehen.
Bei Frauen kommt diese Art der Migräne besonders häufig vor. Schuld sind oft die hormonellen Schwankungen, die mit dem Menstruationszyklus verbundenen sind. Migräne ohne Aura kommt daher bei Frauen besonders häufig unmittelbar vor oder nach der Regelblutung vor.
Trigger sind nicht die Ursache
Die hormonellen Schwankungen während des Zyklus sind jedoch nicht die Ursache der Migräne, sie sind lediglich ein Triggerfaktor, der dazu beitragen kann, dass eine Attacke ausgelöst wird – Vorausgesetzt, eine Frau hat eine Veranlagung zu Migräne. Häufig müssen aber erst mehrere Triggerfaktoren zusammenkommen, damit ein Migräneanfall ausgelöst wird; bei Frauen wie bei Männern.
Dabei kann es sich um biologische Faktoren wie Hormonschwankungen oder Umwelteinflüsse handeln, die von Patientin zu Patient individuell variieren. Als typische Trigger gelten außerdem Stress (auch emotionaler), sowie Entlastungsreaktionen nach dem Stress, Veränderungen im Schlaf-Rhythmus, Wetterumschwung, Alkohol, Nikotin und Schwankungen im Koffein-Spiegel bei regelmäßigem Kaffeegenuss.
Es gibt auch viele Lebensmittel, von denen Betroffene annehmen, dass es sich um Trigger für die Migräne handelt – wie Schokolade, Käse und Zitrusfrüchte beispielsweise. Allerdings konnte für alle drei Lebensmittel nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden, dass sie tatsächlich Migräne auslösen. Mehr dazu auch weiter unten beim Stichwort "Nocebo-Effekt".
Was ist dran am China-Restaurant-Syndrom?
Auch der Geschmacksverstärker Glutamat gilt als möglicher Auslöser für Kopfschmerzen – letzteres wird auch als China-Restaurant-Syndrom bezeichnet, da in asiatischen Gerichten oft viel Glutamat verwendet wird. Glutamat wirkt wie ein Botenstoff im Körper. Mediziner gehen davon aus, dass eine Überaktivierung der Nervenzellen im Gehirn dann den Kopfschmerz auslöst.
Allerdings handelt es sich dabei nicht um Migräneattacken, sondern um sekundäre Kopfschmerzen, die durch eine bestimmte Substanz ausgelöst werden. Forscher vermuten, dass die Erwartungshaltung Betroffener der entscheidende Faktor für das Auslösen einer Migräne-Attacke ist. Sie sprechen vom "Nocebo-Effekt".
Der "Nocebo-Effekt"
Wenn ich befürchte, dass beispielsweise der Konsum von glutamathaltigem Essen bei mir einen Migräneanfall auslöst, kann diese negative Erwartungshaltung als psychosomatischer Faktor dazu führen, dass ich tatsächlich Migräne bekomme.
Genauso kann es sein, dass nicht Schokolade einen Anfall auslöst, sondern der Heißhunger darauf bereits Teil eines Anfalls ist. Solche Erkenntnisse machen es schwer, Regeln für das Vermeiden bestimmter Lebensmittel oder anderer möglicher Trigger aufzustellen.
Psyche und Prophylaxe
Da psychologische Faktoren eine wichtige Rolle beim Auslösen von Migräne-Anfällen spielen, sollten bei der Therapie ebenfalls auch psychologische Verfahren zum Einsatz kommen. Je früher die Diagnose gestellt und je eher eine Migräne ganzheitlich behandelt wird, desto besser.
Ein besserer Umgang mit Stress kann helfen, diesen zu reduzieren und dafür sorgen, dass die Migräne-Attacken seltener und schwächer werden und weniger Medikamente im Akutfall benötigt werden. All das trägt entscheidend zur Lebensqualität Betroffener bei.
Therapie im Akutfall
Durch die beschriebenen Maßnahmen können viele Patienten die Frequenz der Migräne-Anfälle reduzieren, aber komplett los werden sie die Kopfschmerzen dadurch nicht.
Rückzug in einen reizarmen Raum
Im Akutfall hilft es den Betroffenen, sich in eine möglichst reizarme Umgebung zurückzuziehen: Ein abgedunkeltes Zimmer und Ohrstöpsel können vor Licht und Geräuschen abschirmen. Vielen Patienten helfen auch Schlaf oder kühlende Kompressen sowie leichte Massagen. Um Übelkeit und Schmerzen entgegenzuwirken, können Medikamente eingesetzt werden.
Medikamente im Akutfall
Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft empfiehlt bei Übelkeit und Erbrechen zunächst Antiemetika mit den Wirkstoffen Metoclopramid oder Domperidon zunehmen. Diese bessern nicht nur die Symptome, sondern helfen auch, die Aufnahme von Schmerzmitteln zu erleichtern.
Auf der Grundlage wissenschaftlicher Studien hat die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft so genannte evidenzbasierte Empfehlungen zur Selbstmedikamentation bei Migräne entwickelt, die hier abgerufen werden können.
Bei mittelschweren bis schweren Attacken wird mit spezifischen, verschreibungspflichtigen Migränemitteln behandelt, aus der Stoffgruppe der Triptane. Diese beeinflussen einen bestimmten Serotonin-Rezeptor und gelten derzeit als Substanz mit der besten Wirksamkeit bei Migräne.
Bei einigen Patienten kann auch eine medikamentöse Prophylaxe sinnvoll sein. Welche Medikamente am besten helfen, ist letztlich individuell von den Patienten abhängig. Für eine optimale Therapie empfiehlt sich daher eine regelmäßige Absprache mit der behandelnden Fachärztin.