Ältere Frau auf Sofa mit VR-Brille (Bild: imago images/Panthermedia)
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Ü65-Games in der Praxis - Silverplayer: wie Videospiele fit halten

Eigentlich gehört die Generation über 65 Jahre eher nicht zu den Zockerkandidaten, für die Videospiele entwickelt werden. Doch das therapeutische Videospiel "memoreBox" ist genau für diese Altersgruppe konzipiert. 2014 von einer Hamburger Firma entwickelt, wird es derzeit unter Federführung der BARMER Krankenkasse in 100 Senioreneinrichtungen bundesweit erprobt. Erste Ergebnisse haben positive Effekte auf Beweglichkeit, kognitive Fähigkeiten und soziale Interaktion älterer Teilnehmer gezeigt.

Wer heute 65 Jahre oder älter ist, hat seine Kindheit nicht vor Computerspielen verbracht, vielleicht gab es zu Hause nicht mal einen Fernseher. Senioren sind also zumindest keine "Game-Natives".
 
Heißt auch: Videospiele für Ältere dürfen nicht kompliziert sein. Was für Jüngere selbstverständlicher ist, das Handling technischer Geräte, fällt Älteren oft schwer. MemoreBox, das von der Hamburger Firma RetroBrain R & D für Senioren entwickelte Spielportfolio, funktioniert deshalb ohne Controller, also Eingabegeräte zur Steuerung. Die Interaktion erfolgt allein über Gestensteuerung. Das ermöglicht eine Kamera, ansonsten wird nur ein handelsüblicher Fernseher gebraucht. Im Programm sind sechs verschiedenen Spiele: die Sonntagsfahrt mit dem Motorrad, Kegeln, Tischtennis, ein Briefträger, der Post über den Gartenzaun wirft, sowie Singen und Tanzen.

Praxistest an der Charité: Trainieren in Eigenregie

Auf der Station 46 der Klinik für Geriatrie und Altersmedizin der Charité in Berlin wurden drei Module der memoreBox angeboten: die Sonntagsfahrt, das Kegeln und der Postbote. Zwei Monate von Anfang Februar bis Ende März 2017 haben 28 Patientinnen und Patienten der Station das Videospiel erprobt.
 
Auf dieser Station sind Menschen ab 65, die meist mehrere Erkrankungen haben und die über zwei Wochen lang wieder fit gemacht werden sollen für ein Leben zuhause oder auch im Pflegeheim. Physio- und Ergotherapeuten, Ärzte und Psychologinnen wirken daran mit. Und für einige Wochen auch die memoreBox.
"Wir wollten unseren Patienten mit dem Videoprogramm etwas anbieten, womit sie ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten auch ohne einen Therapeuten, in Eigenregie, verbessern können", sagt Neuropsychologin Mareike Kirsch von der Klinik für Geriatrie und Altersmedizin an der Charité am Standort Benjamin Franklin. Voraussetzung war, dass die Patienten einigermaßen mobil sind und sie die Spielanweisungen verstehen konnten. "Patienten mit mittelgradiger und schwerer Demenz mussten leider ausgeschlossen werden", so Mareike Kirsch.

Positive Rückmeldung

Um den Patienten den Anfang zu erleichtern und auch weil die Station 46 an einer Studie teilgenommen hat, war immer eine Studentin dabei. Wenn die Patienten erst einmal zu spielen begonnen hätten, seien sie durch den Erfolg motiviert worden, weiterzumachen, gern auch allein, berichtet Neuropsychologin Mareike Kirsch: "Das Besondere an diesen Spielen ist, dass man nicht verlieren kann." Spielerfrust als Anreiz, nach einem verlorenen Spiel weiterzumachen, gibt es bei der memoreBox also nicht.
 
Die Senioren sollen sich verbessern und auch das Spiel selbst "lernt" mit fortschreitendem Kontakt. Es steigert Hindernisse und Herausforderungen entsprechende der Fähigkeit des Patienten. "So sollen Motorik und Gehirn trainiert werden", sagt Psychologin Kirsch.

Fazit nach der ersten Praxisphase

Inzwischen ist das Videospiel längst abgebaut; erste Bachelor- und Masterarbeiten werten die Ergebnisse gerade aus. Für die Neuropsychologin steht fest, dass ein regulärer Betrieb der memoreBox wünschenswert wäre. Vorausgesetzt, die Technik funktioniert reibungslos, was anfangs nicht immer der Fall war. Inzwischen wurde das therapeutische Videospiel mehrmals überarbeitet, die Anfängerfehler ausgeschaltet, sagt Dr.-Ing. Sebastian Arndt, bei der Entwicklungsfirma RetroBrain zuständig für die wissenschaftliche Begleitung der memoreBox.

Erste wissenschaftliche Ergebnisse

Sebastian Arndt von RetroBrain berichtetet von einer ersten wissenschaftlichen Evaluation, die von 2016 bis 2018 in Zusammenarbeit mit der Barmer Krankenkasse durchgeführt wurde. 72 Senioren und Seniorinnen haben daran teilgenommen. Es gab eine so genannten Interventionsgruppe, die mit der memoreBox ein halbes Jahr gespielt hat und eine Kontrollgruppe, die die normale Förderung im Rahmen einer geriatrischen Rehabilitation bekommen hat.
 
Der Effekt der Videospiele wurden durch verschiedene Methoden gemessen: zum einen durch die Befragungen der Teilnehmer sowie durch standardisierte Tests, etwa zur Erhebung des Gesundheitszustandes oder von kognitiven Fähigkeiten. Erste Ergebnisse zeigen positive Auswirkungen in verschiedenen Bereichen: Nutzer der Videospiele konnten ihre Stand- und Gangsicherheit verbessern, sie haben mehr Ausdauer und eine bessere Koordinationsfähigkeit.
 
Neben den motorischen Effekten haben die Videospiele die geistige Leistungsfähigkeit verbessert, sowie soziale Interaktion und Kommunikation befördert. Sogar das subjektive Schmerzempfinden mancher Teilnehmer ist durch die Videospiele verringert worden.

Das nächste Level für die Seniorengames

"Darauf aufbauend machen wir gemeinsam mit der Barmer jetzt eine bundesweite Evaluation, die 2018 begonnen hat und für die wir seit einigen Monaten in über 100 Einrichtungen bundesweit die memoreBox aufbauen. Ziel ist es, die Tendenzen, die sich in der ersten Auswertung ergeben haben, zu bestätigen" erläutert Dr.-Ing. Sebastian Arndt von RetroBrain.
 
Die memoreBox steht derzeit nur für Seniorenwohnheime und geriatrische Stationen von Krankenhäusern zur Verfügung. Ein Vertrieb an Einzelpersonen wird im kommenden Jahr angestrebt.

Beitrag von Ursula Stamm

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