Gekrümmte Finger (Quelle: Colourbox)
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Gekrümmte Finger, eingeschränkte Hand - Morbus Dupuytren

Beim Morbus Dupuytren sorgen Wucherungen des Bindegewebes dafür, dass sich die Finger Richtung Handfläche krümmen. Es gibt verschiedene therapeutische Optionen, am besten bewährt hat sich die Operation. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt dafür?

Herabschauender Hund, Kobra oder Katze – bei diesen Yoga-Positionen legt man die Handflächen flach auf den Boden. "Irgendwann merkte ich, dass ich Probleme habe, die Übungen zu machen", erzählt Michael Kern. Es gelang dem Hamburger nicht mehr, die Ringfinger seiner Hände zu strecken. Ein paar Jahre zuvor hatte der 57-Jährige erste Knötchen auf den Handflächen getastet. Zunächst hatte er sich keine Gedanken gemacht. Doch die Knubbel nahmen zu. "Eines Tages war mein Finger so verändert, dass ich meinen Ehering nicht mehr abziehen konnte", so Kern. Er ging zu einer Handchirurgin. Ihr reichte ein Blick und das Abtasten der Hände für die Diagnose: Kern leidet unter Morbus Dupuytren, früher als "Kutscherhand" bezeichnet. Dabei wuchert gutartiges Bindegewebe um die Sehnen der Handmuskeln und zieht die Finger in Richtung Handfläche.

Nicht zu spät operieren

Die Deutsche Dupuytren Gesellschaft schätzt, dass bis zu zehn Millionen Menschen in Deutschland zumindest leichte Krankheitssymptome haben. Zwischen 1,5 und 2 Millionen sind deutlich befallen; schätzungsweise 50.000 werden jedes Jahr operiert. Betroffene können wählen zwischen Bestrahlung, dem Aufweichen oder Zerstechen des wuchernden Bindegewebes sowie einer Operation. Unter Experten fällt die Wahl eindeutig aus: "Ein guter Handchirurg beobachtet und kontrolliert den Verlauf, doch wenn die Einschränkungen zu groß werden, wird der Morbus Dupuytren operiert", erklärt Arne Tenbrock, Handchirurg am Krankenhaus Waldfriede in Berlin-Zehlendorf. "Die anderen Verfahren haben hohe Rückfallquoten und Nebenwirkungen, die auch das Ergebnis einer späteren Operation schmälern können." Mit der OP lassen sich Symptome und Handfunktion verbessern, die Erkrankung kann später trotzdem wieder auftreten. Umso wichtiger sei es, so Tenbrock, sich frühzeitig an einen Spezialisten zu wenden, um den richtigen Zeitpunkt für die OP nicht zu verpassen.

Infokasten: Morbus Dupuytren

  • Nadelfasziotomie

  • Stadieneinteilung

Was steckt dahinter?

Viele Patienten erkennen ihr Leiden zunächst nicht. Sie vermuten eine Verletzung oder eine Erkrankung der Sehnen. "Es handelt sich hier aber um zusätzliches Gewebe, dass die Funktion der Sehnen und des Fingers behindert und dazu führt, dass Betroffene die Finger nicht mehr richtig strecken können", sagt Tenbrock. Der Schweregrad des Morbus Dupuytren lässt sich in vier Stadien einteilen (siehe Kasten). Die Auslöser sind weitestgehend unbekannt. "Neben einer erblichen Vorbelastung kommen oft noch weitere Faktoren dazu, etwa Verletzungen wie ein gebrochenes Handgelenk oder internistische Erkrankungen wie etwa ein Diabetes, die offensichtlich das Gewebewachstum stimulieren", so Tenbrock.

Verlauf der Krankheit

Im Schnitt beginnen die Symptome zwischen dem 50sten und 60sten Lebensjahr. Michael Kern bemerkte erstmals mit Ende 40, dass sich seine Finger krümmten. "Weil ich in der Zeit viel am Haus rumwerkelte, dachte ich erst, die Knötchen seien Schwielen", erzählt Kern. Er unternahm zunächst nichts. Bei vielen bleibt die Erkrankung über Jahre stabil, bei anderen schreitet sie in kürzester Zeit voran. Häufig sind es Männer, die mit Beschwerden bei Tenbrock in der Sprechstunde auftauchen und um Rat fragen. Bei ihnen beginnt die Krankheit oft früher und aggressiver. "Vermutlich hat dies hormonelle Ursachen", sagt der Handchirurg. Später, wenn Frauen in die Menopause kommen, sind sie ähnlich oft betroffen wie Männer.

Bestrahlung als Therapie?

Auch Michael Kerns Mutter hat Dupuytren-Kontrakturen, ließ sich vor 30 Jahren die linke Hand operieren. Der Aufwand hielt sie am Ende davon ab, die Finger der anderen Hand ebenfalls begradigen zu lassen. "Die nicht-operierte Hand kann sie heute gar nicht mehr strecken, sie ähnelt schon fast einer Klaue", sagt Kern. Obwohl er wie die meisten Betroffenen keine Schmerzen hatte, war für den Hobbymusiker schnell klar: Das will ich nicht. "Ich gehe viel in Konzerte, dass ich da nicht klatschen konnte, hat mich schon genervt", so Kern.
 
Der Hamburger versuchte es zunächst mit Bestrahlung, die im Anfangsstadium der Erkrankung manchmal Besserung bringt. Die Idee dahinter: Bindegewebszellen, die für die Wucherungen verantwortlich sind, werden zerstört und wachsen nicht mehr weiter. Nach fünf Anwendungen konnte Michael Kern seine Finger immer noch nicht gerade biegen, dafür spürt er bis heute die Nachwirkungen der Behandlung: "Meine Hände sind seitdem so trocken, dass ich sie ständig eincremen muss", erzählt der Marketing-Experte, der bei einer Krankenkasse angestellt ist. Das passt zu den Erfahrungen, die Handchirurg Tenbrock mit dieser Therapiemöglichkeit hat. Er rät davon ab: "Die Bestrahlung zerstört oft die Schweißdrüsen." Dazu kommt: Es kann Narbengewebe entstehen, das eine spätere OP möglicherweise erschwert.

Weitere Therapiemöglichkeiten

Nach dem erfolglosen Therapieversuch entschied sich Michael Kern für die Operation. Der richtige Zeitpunkt dafür sei immer eine individuelle Entscheidung, betont Handchirurg Tenbrock. In der Regel wird ab Stadium zwei operiert, wenn die Finger mindestens 45 Grad gekrümmt sind (Stadieneinteilung siehe Kasten). "Wenn jemand schon früher Einschränkungen hat, die ihn etwa im Job oder bei seinen Hobbies behindern, kann man auch schon eher darüber nachdenken", so Tenbrock. Das Verfahren der Wahl ist die partielle Aponeurektomie – eine offene OP, bei der die Handchirurgen das überschüssige Bindegewebe sorgfältig entfernen. Mancher Kollege bietet auch die Nadelfasziotomie als Alternative an (siehe Kasten). Als weitere Therapieoption kann man sich ein Enzym in die Hohlhand spritzen lassen, das die bindegewebigen Strukturen auflösen soll. Beide Verfahren haben im Vergleich zur OP jedoch eine höhere Rückfallquote.

Der Eingriff sei nichts für Empfindliche, sagt Kern rückblickend. Drei Stunden Operation, die Hand komplett aufgeschnitten. "Das sah in der ersten Zeit ganz schön wüst aus", erinnert sich der Hamburger. Zwei Monate war er insgesamt krank geschrieben. Mit der OP allein war es indes nicht getan. Die ersten drei Wochen musste Kern durchgehend eine Gipsschiene tragen; dadurch wird verhindert, dass sich Narbengewebe bildet, das die Finger krümmt. In der Regel folgen weitere drei Wochen, in denen man die Schiene zumindest nachts tragen muss. Etwa vier Wochen nach der OP geht es los mit Physio- und Ergotherapie, bei der die Hand mindestens zwei Mal wöchentlich gedehnt und intensiv beübt wird.

Der Eingriff hat sich gelohnt

"Mindestens 50 Prozent des Erfolges beruhen auf Ergo- und Physiotherapie nach der OP", sagt Tenbrock. Nur wer auch zu Hause übt, wird für sich das optimale Therapieergebnis herausholen. Dehnung, Bewegung, Anregung des Stoffwechsels, Mobilisierung und Muskelaufbau sind wichtig nach dem Eingriff. Oft geht es dabei bis an die Schmerzgrenze – sonst geht der Krümmungsprozess geradewegs von vorne los.

So haben Patienten im Schnitt ein halbes Jahr mit dem Eingriff zu tun, bestätigt Handchirurg Tenbrock. "Das ist eine große Sache, die Hand ist über Wochen nur eingeschränkt nutzbar, das muss den Patienten klar sein", so der Experte.
 
Trotz des Aufwands entschied sich Michael Kern zwei Jahre später, auch die andere Hand operieren zu lassen. Dass bei vielen Betroffenen die Wucherungen trotz OP wiederkommen, weiß er. Erste Knötchen hat er schon wieder getastet. "Vermutlich war das nicht der letzte Eingriff", so Kern. Im Moment genießt er jedoch die neu erlangte Bewegungsfreiheit seiner Hände. "Endlich komme ich beim Yoga wieder richtig in den Flow."

Beitrag von Constanze Löffler

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