Grafik einer gichtbedingten Arthrose im Zehengelenk (Bild: imago/StockTrek Images)
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Erkennen, behandeln, vorbeugen - Stoffwechselerkrankung Gicht: Gelenke in Gefahr

Gicht gilt vielen als Krankheit der Könige und eine von gestern - aber sie ist die häufigste Form der Gelenkentzündung in Deutschland und ein echtes First World Problem. Ein Gichtanfall kommt aus heiterem Himmel: Das Gelenk des großen Zehs schmerzt, als ob winzige Scherben darin knirschen. Oft ist das Gelenk auch gerötet, geschwollen, manchmal haben Betroffene Fieber.

Der plötzliche Schmerz, scharf wie Tausend Nadelstiche, kann schon die kleinste Berührung unmöglich machen. So kann zum Beispiel die Daunendecke auf der Zehe unerträglich sein.

So ein Gichtanfall kann alternativ auch in den Knien oder Fingern auftreten. Er zeigt eine Erkrankung an, die vor allem unbehandelt zu langfristigen Veränderungen an den Gelenken führt.
Auch in der Haut kommt es durch Gicht manchmal zu Kristallansammlungen, die als weißliche Knoten sichtbar werden.

Gicht ist eine Wohlstanderkrankung

Gicht ist die häufigste Form der Gelenkentzündung in Deutschland: Bis zu zwei Prozent der
Bevölkerung leiden an Gicht.
Ältere Menschen sind häufiger betroffen als Jüngere. Bei Männern tritt der erste Gichtanfall oft um das 40. Lebensjahr herum auf. Frauen trifft es eher erst nach der Menopause - das weibliche Geschlechtshormon Östrogen schützt vor dieser chronischen Stoffwechselstörung.
 
Die Gicht, auch Arthritis urica genannt, ist die Bezeichnung für eine Reihe verschiedener Stoffwechselstörungen und deren Folgeerkrankungen. Es gibt eine genetische Disposition, allerdings müssen weitere Faktoren hinzukommen, damit sich die "Krankheit der Könige" ausprägt. Dazu zählen:
- Übergewicht
- eine fettreiche, opulente Ernährungsweise,
- Ernährung mit vielen tierischen Fetten und Eiweißen z.B. durch viel Fleisch mit Bratenkruste oder Fisch mit Haut wie Sprotten, Sardinen,
- viel Fruchtzucker in der Ernährung, enthalten zum Beispiel in Säften, Eis, Fertigprodukten.

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Ursache: zu viel Harnsäure

Was steckt dahinter, wenn sich eine Gicht ausprägt? Prinzipiell entstehen die Beschwerden, wenn der Harnsäurespiegel im Körper erhöht ist.
Jeder dritte Mann hat erhöhte Harnsäurewerte. Bei Frauen trifft es nur fünf von hundert. Experten nennen das Hyperurikämie.
 
Normalerweise entfernt unser Körper überschüssige Harnsäure über die Nieren und den Darm. Ist aber die Ausscheidungsfunktion der Nieren zum Beispiel genetisch bedingt beeinträchtigt und/oder der Harnsäure-Stoffwechsel im Körper gestört, erhöht sich die Konzentration im Blut.
Das Immunsystem reagiert mit einer Entzündung. Es kommt in verschiedenen Gelenken zu Schmerzen und Schwellungen. Werden Betroffene unzureichend versorgt, drohen Folgeschäden an Gelenken und inneren Organen. Kristalle lagern sich in den Gelenken ab.
 
Harnsäure entsteht beim Stoffwechsel aus Purinen. Purine befinden sich im Eiweißanteil der Nahrung - vor allem in den Zellkernen. Purinhaltig sind also solche Lebensmittel, die viele Zellen enthalten.
 
Unbehandelt führt Gicht dazu, dass die betroffenen Gelenke deformiert sind und weniger funktionstüchtig werden. Langfristige Folgen sind Harnsäurekristalle in den Gelenken, eine so genannte Gichtniere, Nierensteine und Gichtknoten. Diese so genannten Gichttophi sind derbe Knötchen unmittelbar unter der Haut oder auch an den Ohrknorpeln.
 
Erhöhte Harnsäurespiegel fördern außerdem, dass Arterien verkalken - langfristig ist das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöht.

Wie wird Gicht festgestellt?

Eine Untersuchung des Blutes kann Aufschluss darüber geben, ob Gicht die Beschwerden verursacht: Wenn der Harnsäurewert im Blut 6,5 mg/dl übersteigt, ist Gicht wahrscheinlich.
Aber: Nach einem Gichtanfall sind die Harnsäurewerte im Blut sogar oft normal.
 
Zur Diagnosesicherung grenzt das ärztliche Team die akute Gicht von der rheumatoiden Arthritis ab. Eine Hyperurikämie mit Gelenkbeschwerden bedarf immer einer fachärztlichen Abklärung. Gesichert ist die Diagnose durch eine Gelenkpunktion bei einem erfahrenen Rheumatologen oder Orthopäden.
Findet der Experte Harnsäurekristalle in der Gelenkflüssigkeit, ist die Diagnose klar.
 
Alternativ lohnt ein Test mit dem Wirkstoff Colchicin aus der Giftpflanze Herbstzeitlose: Dieses Medikament hindert die weißen Blutkörperchen daran, Harnsäure zu transportieren. So lässt sich ein akuter Gichtanfall beenden. Einen rheumatischen Schub dagegen würde Colchicin nicht positiv beeinflussen.
 
Colchicin ist nicht zur Dauereinnahme geeignet, Nebenwirkungen wie Durchfall sind häufig.

Wie kann man Gicht behandeln?

Klar ist: Gicht kann (vor allem unbehandelt) langfristig erhebliche Folgekomplikationen für die Gelenke haben und ist deshalb nicht nur ein Risiko in Sachen Schmerz, sondern bedroht überhaupt die Beweglichkeit der Betroffenen.
 
Darum sollten auch schon leicht erhöhte Harnsäurewerte konsequent behandelt werden. Medikamente sind keine Dauerlösung, sie haben Nebenwirkungen. Sie sollten nur bei Harnsäurewerten über 9 mg/dl gegeben werden.
Zum Einsatz kommen dann sogenannte Urikosurika. Sie fördern die Harnsäureausscheidung, verhindern die Neubildung von Gichtknoten und bauen diese zum Teil sogar ab. Urikostatika hemmen den Aufbau von Harnsäure im Körper.
 
Ziel der medikamentösen Therapie von akuter Gicht sollten die schnellstmögliche Schmerzfreiheit und der Rückgang der Gelenkentzündung sein. Ohne Behandlung dauert der Gichtanfall zwischen drei Tagen und zwei Wochen. Die antientzündliche Therapie sollte schnellstmöglich mit Schmerzmittel wie zum Beispiel Naproxen, Diclofenac oder Ibuprofen, Glukokortikoide wie zum Beispiel Prednisolon und Colchicin begonnen werden.
 
Mittel der ersten Wahl für die chronische Gicht ist Allopurinol. Zudem gibt es Reservemittel wie Probenecid und Benzbromaron. Sie werden auch kombiniert verbreicht. Febuxostat, mit einer ähnlichen Wirkung wie Allopurinol, sollte nur bei sehr schweren Fällen genommen werden.

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Gamechanger: Ernährung

Langfristig hilft vor allem eine Ernährungsumstellung nach folgenden Regeln:
 
- purinarm essen und trinken.
- Wenig Fleisch und Fisch essen.
- Auf Fruchtzucker verzichten,
- Normalgewicht anstreben.
 
Lange riet man zudem von purinhaltigen Gemüsen und Hülsenfrüchten wie Linsen, oder Bohnen, Erbsen, Spinat, Spargel ab. Heute weiß man: Menschen, die eine Gicht haben oder dazu neigen, müssen in dieser Hinsicht keine strenge Diät einhalten.
Purinhaltiges Gemüse und auch Hülsenfrüchte
sind dabei kein Problem: aktuellen Studien zufolge beeinflussen sie den Harnsäurespiegel nicht signifikant, sie dürfen verzehrt werden.
 
Auch fettarme Milchprodukte sind OK. Studien zufolge kann bereits ein Viertelliter Magermilch oder Naturjoghurt pro Tag die Ausscheidung von Harnsäure fördern.
Auch Kaffee war lange für Gichtpatienten untersagt. Heute wissen Fachleute: Täglich vier bis fünf Portionen sind für Patienten mit Gicht durchaus empfehlenswert.
 
Aktuelle Untersuchungen legen zudem nahe: Gichtpatienten sollten eher vorsichtig sein mit dem Einfachzucker Fruktose, wie er zum Beispiel in Limonaden und Säften enthalten ist. Bei Menschen mit bereits erhöhtem Harnsäurespiegel wirkt Fruktose genauso ungünstig wie Alkohol. Experten erlauben heute beim Alkohol einen moderaten Konsum, statt einem totalen Verzicht. Tabu für Gichtpatienten bleiben aber hochprozentige Spirituosen und purinreiches Bier.
 
Wichtig ist zudem ein Normalgewicht. Und wer abnimmt, sollte das langsam tun, sonst drohen erneute Gichtanfälle. Bewegung unterstützt die Gewichtsreduktion und stärkt die muskulären Strukturen um die Gelenke.

Text: Beate Wagner

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