Interview l Spenderherz rettet Leben - "In tiefer Dankbarkeit, Dein Roman"
Roman Knopf hatte Glück ein Spenderherz zu bekommen. Dem 40-jährigen transplantierten Chirurgen des Herzzentrums Berlin Ende 2015 ein neues Herz.
Seit knapp drei Jahren lebe ich mit einem gespendeten Herz. Ich leide unter einer genetisch bedingten Herzschwäche: Bei der sogenannten Laminopathie fehlt grob gesagt der Impuls, dass sich die Herzmuskelzellen zusammenziehen. Das Herz schlägt nicht kräftig genug, um den Körper ausreichend mit Blut und Nährstoffen zu versorgen. Die Krankheit ist tödlich: Mein Vater, meine Tante und mein älterer Bruder sind daran bereits gestorben.
Herzschwäche und Schrittmacher
Eigentlich wurde ich bei dem entscheidenden Gentest negativ getestet, aber das Ergebnis stimmte wohl nicht. Denn im Frühjahr 2013 begann auch mein Herz zu Schwächeln. Damals begann ich im ganzen Körper Wasser einzulagern, meine Beine waren dick geschwollen, ich bekam schlecht Luft.
Mein Hausarzt reagierte schnell: Schon nach zwei Wochen setzten mir die Ärzte in der Uniklinik Rostock einen Herzschrittmacher ein. Dann schickten sie mich nach Berlin ins Herzzentrum. Dort bekam ich sehr starke Medikamente und wurde auf die sogenannte HU-Liste für eine Herztransplantation gesetzt. Weil es kaum Organe gibt, werden in Deutschland heute fast nur noch Menschen transplantiert, die auf dieser Hochdringlichkeitsliste (HU = high urgency) stehen. Bei meiner Erkrankung ist ein neues, gesundes Herz die einzige Chance zu überleben.
Würfeln und Gespräche
Zunächst erholte sich mein Herz, so dass ich wieder nach Hause gehen konnte. Nach einem Jahr verschlechterten sich die Werte aber wieder. Ab Januar 2015 wartete ich im Paulinenkrankenhaus in Berlin auf ein Spenderorgan. Nach Hause konnte ich nicht mehr, dafür ging es mir zu schlecht.
Die Tage in der Klinik verliefen meist gleich: Wiegen, Blutdruck, Puls und Fieber messen. Medikamente einnehmen. Auf die Mahlzeiten warten. Oft haben wir uns die Zeit mit Karten spielen und Würfeln vertrieben. Mein Bettnachbar war in einer ähnlichen Lage wie ich; unsere Gespräche haben mir über manches Tief hinweg geholfen, zumal meine Familie mich nicht so häufig besuchen konnte. Wenn es mir gut ging, habe ich mir meinen Medikamentenständer geschnappt und bin im Park der Klinik spazieren gegangen.
215 Tage
Trotzdem war die Warterei zermürbend. Wieder und wieder gingen mir die gleichen Gedanken durch den Kopf: Wie lange wird es noch dauern? Wie gut wird das neue Herz sein? Wie überstehe ich die Transplantation? Mein Bettnachbar lag zwischendurch schon auf dem OP-Tisch. Am Ende wurde das neue Organ doch nicht freigegeben. Solche Momente sind bitter. Erst fünf Monate später bekam er sein lang ersehntes Herz.
Mein Warten war nach 215 Tagen zu Ende. Im November 2015 kam der erlösende Anruf: "Wir haben ein Herz für Sie!" Dass ich relativ lange warten musste, hatte verschiedene Gründe. Mit meinen 1,92 Meter bin ich recht groß und dazu jung. Das Herz musste also vom Alter und der Größe passen. Außerdem habe ich eine häufige Blutgruppe, die auch viele Menschen vor mir auf der Liste hatten, die mussten alle erst mal "abgearbeitet" werden.
Der lange Weg zurück
Bei der OP gab es Komplikationen, statt normalerweise vier Stunden dauerte sie bei mir acht. Danach lag ich zehn Tage im Koma. Als ich aufwachte, war ich extrem schwach. Also beatmeten sie mich weiter. Gleichzeitig war ich anfänglich wie gelähmt, konnte nicht mal den kleinen Finger rühren. Mit dem Beatmungsschlauch im Hals und komplett unbeweglich war ich völlig hilflos und ganz und gar auf die Hilfe anderer angewiesen. Diese Zeit habe ich nicht gut in Erinnerung.
Wenn ich mir heute die Bilder aus der Klinik anschaue, erschrecke ich mich regelmäßig. Mein Körper war völlig aufgedunsen. Nach sieben endlosen Wochen war ich endlich soweit fit, dass ich auf die Station für Transplantierte kam. Durch viel Üben konnte ich nach ein paar Wochen auch wieder alleine auf Toilette gehen, alleine essen, mich allein waschen. Bis dahin war es allerdings ein mühsamer Weg.
Immunsuppression ist eine Gratwanderung
Die ersten Wochen zu Hause war ich auf einen Mundschutz angewiesen. Bis heute trage ich den, wenn ich zum Arzt muss. Das Risiko mich an einem lapidaren Schnupfen anzustecken, ist einfach zu groß. Immerhin muss ich lebenslang Medikamente nehmen, die mein Immunsystem unterdrücken. Sie verhindern, dass mein Körper das neue Herz abstößt.
Dass diese Immunsuppression eine Gratwanderung ist, habe ich noch im ersten Jahr nach der Transplantation erfahren: Im Sommer 2016 wurden die Lymphknoten am Hals dick und ich bekam Schluckbeschwerden. Die Ärzte diagnostizierten eine Art Blutkrebs, bei dem sich bestimmte Blutzellen unkontrolliert vermehren. Die Erkrankung ist bei Menschen relativ häufig, die wie ich Immunsuppressiva bekommen; bis zu zehn Prozent sollen betroffen sein. Ich bekam daraufhin Antikörper gespritzt und erhielt eine Chemo-Therapie.Glücklicherweise ist die Erkrankung inzwischen nicht mehr nachweisbar. Ich gehe aber weiter in regelmäßigen Abständen zur Kontrolle.
Die Dankbarkeit für das neue Leben
Nicht zu Transplantieren wäre trotz aller Schwierigkeiten keine Option für mich gewesen, denn dann wäre ich heute tot. Letzten Endes hatte ich viel Glück und habe alle Schwierigkeiten gemeistert. Ich denke oft an den Spender. Klar würde ich gern mehr über den Menschen wissen, dem mein Herz mal gehörte. Aus Rücksicht auf die Angehörigen forsche ich aber nicht weiter nach. Ich weiß nicht, wie gut sie meine Neugier verkraften würden.
Ich bin dankbar für die Chance weiterzuleben. Das zeige ich, indem ich mein Herz sehr gut "pflege". Ich rauche nicht und trinke keinen Alkohol. Ich ernähre mich gesund, verzichte auf alle rohen Lebensmittel wie Sushi, Hackepeter oder Rohmilchkäse, die eine schwere Infektion nach sich ziehen könnten. Das Leben meint es gut mit mir! Ich lebe auf dem Darß - für mich der schönste Ort der Welt. Jetzt, wo das Wetter so wunderbar ist, bin ich jeden Tag draußen, fahre zehn bis zwanzig Kilometer mit dem Fahrrad. Am liebsten bin ich am Weststrand. Der Duft der Kiefern, die entwurzelten Bäume am Strand, die Rauheit, die dort herrscht – wenn ich da draußen bin, spüre ich eine tiefe Zufriedenheit.
Mehr Organe durch die Widerspruchsregelung
Mich macht es traurig, dass viele Menschen weniger Glück haben als ich und vergeblich auf ein gesundes Organ warten. Ich bin mir sicher, dass ich mit der Widerspruchsregelung bei Organspende schon früher ein Herz bekommen hätte. Ich fände es gut, wenn wir dahin kämen – andere Länder machen vor, dass das funktioniert. Warum soll in Deutschland nicht klappen, was in Spanien, Frankreich, in Slowenien oder Ungarn schon praktiziert wird? Organspenden würden selbstverständlich sein und die Ablehnung wäre eine erklärungsbedürftige Ausnahme.
Das Interview führte Constanze Löffler