Mögliche Argumente und Hintergrundinfos - Organspende: Pro und Contra
Organspende ja oder nein? Mögliche Argumente dafür und dagegen haben wir aufgelistet - ebenso Infos zum Ablauf einer Organspende.
Soll man nach seinem Tod Organe spenden, wie Nieren, Lunge oder Herz, die dringend gebraucht werden? Nicht jeder oder jede ist sich darüber im Klaren. Eine Entscheidung schon zu Lebzeiten zu treffen, entlastet einen selbst und die Angehörigen. Für eine Entscheidungshilfe oder Diskussion haben wir Argumente für und Argumente gegen eine Organspende zusammengeführt und den Ablauf einer Organspende zusammengefasst.
Ablauf einer Organspende
In Deutschland ist die Organspende durch das Transplantationsgesetz geregelt. Hauptsächlich zwei Organisationen sind an dem Prozedere selbst beteiligt. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) in Frankfurt am Main ist für alle Entnahmekrankenhäuser Ansprechpartnerin für die Organentnahme. Die DSO sendet die Laborwerte (u.a. zu den Gewebeeigenschaften von Spender und Empfängerin) und weitere Daten an Eurotransplant. Die im niederländischen Leiden ansässige Stiftung Eurotransplant koordiniert die Daten von Menschen, die auf ein Organ warten mit den Daten potenzieller Organspender oder Organspenderinnen und informiert wiederum die DSO, wenn es ein "Match" gibt. Die letzte Entscheidung für eine Transplantation trifft allerdings das ärztliche Transplantationsteam. In Deutschland gibt es rund 50 Transplantationszentren; nur dort dürfen Organe transplantiert werden. Entnahmekrankenhäuser müssen über eine Intensivstation verfügen und die räumlichen und personellen Voraussetzungen für eine Organentnahme vorweisen. Bei Bedarf organisiert die DSO Entnahmeteams für die Organentnahme.
Gespendet werden können Nieren, Herz, Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Darm. Die Entnahme der Organe erfolgt unter den gleichen Bedingungen wie jede andere Operation. Die Ärzte oder Ärztinnen verschließen die Operationswunde sorgfältig und übergeben den Spender somit in einem würdigen Zustand für eine mögliche Aufbahrung. Die Angehörigen können sich so auch nach der Organentnahme von dem Verstorbenen oder der Verstorbenen verabschieden.
Organe werden in Deutschland nur Menschen entnommen, die unwiederbringlich hirntot sind. In den meisten Fällen sterben Menschen allerdings an einem Herz-Kreislaufstillstand und kommen damit für eine Organspende nicht infrage. Von rund 400.000 Menschen, die jährlich in deutschen Krankenhäusern versterben, erleiden nur rund 4.000 einen Hirntod – das sind lediglich ein Prozent. Die meisten von ihnen haben einen Schlaganfall erlitten oder hatten einen schweren Unfall.
Zwei Ärzte oder Ärztinnen (zum Beispiel Anästhesist, Neurologin), die nicht an der Organentnahme oder Organtransplantation beteiligt sind, müssen unabhängig voneinander der Hirntod eines Patienten oder einer Patientin bestätigen – und zwar mehrmals. Die Bundesärztekammer hat hierfür Richtlinien entwickelt, an die sich alle Ärzte und Ärztinnen halten müssen. Liegt jemand im künstlichen Koma und wird beatmet, gibt es spezielle Tests, die zeigen, ob dieser Mensch hirntot oder nur bewusstlos ist. Solche Tests sind zum Beispiel die Reaktion der Pupillen auf Licht oder eine Stressreaktion des Körpers auf das kurzzeitige Abschalten der künstlichen Beatmung.
Die Bereitschaft zur Organspende kann ab dem 16. Lebensjahr erklärt werden. Bei Kindern entscheiden die Erziehungsberechtigten über eine Organspende. Für die Organspende selbst wurde die Altersgrenze in den letzten Jahren immer weiter erhöht, was auch mit dem Mangel an Organen zu tun hat. Inzwischen werden auch Organe von 80-jährigen transplantiert, natürlich abhängig vom Zustand des Organs.
2022 haben 869 Menschen Organe nach ihrem Tod gespendet; ihnen wurden insgesamt 2662 Organe entnommen, das sind 243 weniger als 2021. Derzeit stehen 8500 Menschen auf der Warteliste für ein Organ. Die meisten von ihnen warten auf eine Spenderniere (Quelle: DSO) Ein Organspende-Ausweis ist in vielen Arztpraxen, Apotheken und bei den Krankenkassen erhältlich. Man kann ihn aber auch bestellen oder sich den Ausweis als PDF-Dokument herunterladen, ausdrucken und den Vordruck ausschneiden und ausfüllen. (Organspendeausweis bestellen oder download)
Organspende: Warum eine Entscheidung fällen?
In Deutschland gilt die so genannte Entscheidungslösung statt einer Widerspruchslösung. Die Entscheidungslösung besagt, dass nur diejenigen Organe entnommen werden dürfen, der sich zu Lebzeiten dazu bereit erklärt hat. Allerdings können auch die Angehörigen dazu befragt werden, die im besten Fall den mutmaßlichen Willen des im Koma liegenden oder gerade verstorbenen Menschen kennen. Für Angehörige ist es sehr entlastend, wenn sie sich in einer solch emotional schwierigen Situation auf die Aussage oder schriftlich festgehaltene Stellungnahme des Angehörigen berufen können. Das setzt aber voraus, dass man sich zu Lebzeiten mit dem Tod auseinandersetzt, was viele Menschen scheuen.
In den meisten westeuropäischen Ländern (u.a. Frankreich, Spanien, Italien, Belgien und England) gilt die so genannte Widerspruchslösung. Die Widerspruchslösung besagt, dass Menschen, die nicht wollen, dass man ihnen Organe entnimmt, aktiv widersprechen müssen. Wer das nicht tut, dem dürfen Organe entnommen werden. In Ländern mit Widerspruchslösung ist die Zahl der Organtransplantationen deutlich höher als in Ländern mit Entscheidungslösung.
Argumente pro Organspende
Pro Organspende - Leben retten
In Deutschland warten derzeit mehr als 8.500 Menschen auf ein Spenderorgan. 2021 sind 826 Menschen verstorben, weil sie nicht rechtzeitig ein Spenderorgan erhalten haben. Mit der Einwilligung zur Organspende (zum Beispiel im Organspende-Ausweis) kann man zwar auch nur einzelne Organe spenden. Mit einem generellen Einverständnis hilft man in der Regel aber gleich mehreren Menschen.
Pro Organspende - Höhere Erfolgschancen der Transplantation
Menschen, die lange auf ein Organ warten müssen, sind oftmals sehr geschwächt und in einem körperlich schlechten Zustand. Mehr Organspenden verringern die Wartezeit auf ein Spenderorgan und erhöhen damit die Chance, dass eine Transplantation erfolgreich ist.
Pro Organspende - Wer nehmen will, soll auch geben
Umfragen zufolge, wären rund 90 Prozent aller Deutschen bereit, ein Spenderorgan zu empfangen. Tatsächlich zur Organspende bereit erklärt (durch Organspende-Ausweis oder eine Patientenverfügung) haben sich aber nur etwa 30 Prozent. Nicht wenige Menschen sind daher der Meinung, dass nur diejenigen ein Organ erhalten sollten, die sich selbst auch zur Spende bereit erklärt haben. Wer dies zu Lebzeiten tut, schließt damit eine "moralische Lücke".
Pro Organspende - Der Tod bekommt einen Sinn
Vor allem für Angehörige von Menschen, die unerwartet verstorben sind, kann es tröstlich sein, dass die Organe des geliebten Menschen jemand anderem das Leben gerettet haben. So bekommt der Tod am Ende noch einen Sinn.
Pro Organspende - In anderen weiterleben
Ob das Leben nach dem Tod endet, ist Glaubenssache. Für manche Menschen, die sich zu einer Organspende bereit erklären, ist es eine schöne Vorstellung, dass ihr Herz oder ihre Nieren in einem anderen Menschen weiterleben und nicht einfach nur der Erde oder dem Feuer übergeben werden.
Pro Organspende - Legalisierung
Ein Mangel an Spenderorganen erhöht das Risiko für den illegalen Handel mit Organen, vor allem in Ländern, in denen viele Menschen wirtschaftliche Not leiden. Jede legale Organspende verringert dieses Risiko.
Argumente contra Organspende
Contra Organspende - Umstrittener Hirntod
Auch wenn strenge Regeln existieren, nach denen ein Mensch für hirntot erklärt wird (siehe Kapitel "Wie läuft eine Organspende ab?"), bezweifeln doch viele Menschen, dass diese Regeln eingehalten werden. Sie haben Angst, dass nicht alles getan wird, um ihr Überleben zu sichern. Dagegen sagen Experten und Expertinnen, dass der "Tod des Gehirns" mit dem Tod des Menschen gleichzusetzen ist und ganz klar festgestellt werden kann, zum Beispiel durch das Austesten von Reflexen und Schmerzempfinden sowie die Messung elektrischer Gehirnaktivität.
Contra Organspende - Tod auf der Intensivstation
Um für einem Organspende infrage zu kommen, müssen Menschen in der Regel auf einer Intensivstation behandelt werden, wo ihre Herz-Kreislauffunktion künstlich aufrechterhalten wird. Nicht wenige Menschen haben aber zum Beispiel in ihrer Patientenverfügung festgehalten, dass sie eine künstliche Verlängerung ihres Lebens nicht wollen. Da der Zeitraum, in welchem die Vitalfunktionen (nach Eintreten des Hirntods) künstlich aufrechterhalten werden, in der Regel aber nur sehr kurz ist, widerspricht dies dem mutmaßlichen Willen des Patienten nicht unbedingt (Quelle: Bundesärztekammer)
Contra Organspende - Angst vor Schmerzen
Viele Menschen, die eine Organspende ablehnen, befürchten, dass ihnen Organe entnommen werden, ohne dass sie dabei in Narkose versetzt werden. Es werden aber nur Menschen Organe entnommen, die hirntot sind. Das wird unter anderem damit überprüft, ob der Körper Schmerzreize zeigt (siehe Kapitel "Wie läuft eine Organspende ab?") Wurde der unumkehrbare Ausfall der gesamten Hirnfunktionen (Hirntod) festgestellt, kann der Mensch keine Schmerzen mehr empfinden.
Contra Organspende - Die Würde des Menschen ist unantastbar
Für manche Menschen ist eine Entnahme von Organen mit der Würde des Menschen nicht zu vereinbaren. Sie kritisieren auch, dass auf ein Spenderorgan zu hoffen, immer bedeutet, auf den Tod eines anderen Menschen zu hoffen. Auch die Vorstellung, dass man selbst oder nahe Angehörige ohne Organe beerdigt werden, wird als problematisch empfunden.
Contra Organspende – Religiöse Gründe
Manche Menschen entscheiden sich aus religiösen Gründen gegen eine Organspende. Die christlichen Kirchen in Deutschland haben sich aber eindeutig für die Organspende ausgesprochen.
Contra Organspende - Organspende-Skandal
Der Organspende-Skandal von 2012 ist bis heute für manche ein Grund, eine Organspende abzulehnen. Damals ging es nicht darum, dass Menschen unrechtmäßig Organe entnommen wurden, sondern darum, dass die Regeln der Vergabe (etwa nach Dringlichkeit und Erfolgsaussichten der Transplantation) nicht eingehalten wurden. Daraufhin kam es zu einer Novellierung des Transplantationsgesetzes, das – durch bessere Kontrollmechanismen - solche Vorfälle verhindern soll.
Contra Organspende - Kosten
Auch die hohen Kosten einer Organtransplantation – mit möglicherweise ungewissem Ausgang - werden von manchen angeführt, um diese abzulehnen. Das gilt aber für viele andere medizinische Eingriffe und Behandlungen auch. Die Frage, wie ein begrenztes Budget für Gesundheitsausgaben verteilt werden soll, ist eine medizinethische Frage, die immer wieder diskutiert werden muss.
Autorin: Ursula Stamm