Symptome, Ursachen & Behandlung - Fatigue oder chronisches Erschöpfungssyndrom, was tun?
Fatigue und chronisches Erschöpfungssyndrom sind zwei Krankheitsbilder. Was das heißt, mehr zu den Symptomen und Therapiemöglichkeiten lesen Sie hier.
Müdigkeit und schnelle Erschöpfung sind typische Symptome der Fatigue. Kommen andere Symptome hinzu und bestehen die Beschwerden über längere Zeit, spricht man vom chronischen Fatigue-Syndrom (CFS). Wie Sie erkennen können, worunter sie leiden, was die Ursachen einer Fatigue beziehungsweise eines chronischen Fatigue-Syndroms sind und welche Therapien es jeweils gibt, lesen sie hier.
Was ist Fatigue?
Fatigue heißt übersetzt Müdigkeit, Ermüdung, Abgespanntheit, Erschöpfung. Das Wort gibt es im Englischen und im Französischen; ausgesprochen wird es französisch. Fatigue ist im engeren Sinne zunächst nur ein Symptom, das Begleiterscheinung vieler Krankheiten sein kann. Wer mit einer Infektion zu kämpfen hat, leidet zum Beispiel unter Müdigkeit, weil das Immunsystem des Körpers besonders stark beansprucht wird. Mit Fatigue im weiteren Sinne ist allerdings eine Ermüdung gemeint, die über das normale Maß hinausgeht. Sie bleibt bestehen, obwohl eine Erkrankung überwunden ist oder ist ständiges Begleitsymptom einer chronischen Erkrankung geworden, wie zum Beispiel Multiple Sklerose, Krebs oder Rheuma.
Kommen neben der Müdigkeit und Erschöpfung noch andere Symptome hinzu und bestehen diese Symptome länger als sechs Monate, spricht man vom chronischen Fatigue-Syndrom (CFS). CFS wird seit 1969 von der Weltgesundheitsorganisation als eigenständige Erkrankung angesehen und es gibt auch einen ICD-10-Code für diese Erkrankung (G93.3).
Andere Begriffe für das chronische Fatigue-Syndrom sind "chronisches Erschöpfungssyndrom" und "ME/CFS". ME steht für "Myalgische Enzephalomyelitis". Der Begriff ME/CFS wird vor allem von Betroffenen verwendet, die darauf aufmerksam machen wollen, dass es sich bei ME/CFS um eine neuroimmunologische Erkrankung handelt, die weit über "Fatigue" bzw. "Müdigkeit" hinausgeht.
Wie erkenne ich ein chronisches Fatigue-Syndrom?
Menschen, die "nur" unter Müdigkeit und Erschöpfung leiden, fallen nicht unter das chronische Fatigue-Syndrom. Zwar kann es auch hier mühsam sein, die Ursache der Müdigkeit zu finden (u.a. Eisenmangel, Schilddrüsenunterfunktion, Schlafstörungen, Nebenwirkungen von Medikamenten) in der Regel ist das Symptom Müdigkeit aber klar. Beim chronischen Fatigue-Syndrom (ME/CFS) kommen noch andere Symptome hinzu, wie: Schlaflosigkeit trotz Erschöpfung, Muskel-, Hals und Kopfschmerzen, Fieber, Konzentrationsschwierigkeiten, Kreislaufprobleme, Magen-Darm-Beschwerden, geschwollene Lymphknoten oder Belastungsintoleranz. Dieses auch als "Post-Exertional Malaise" bezeichnete Phänomen ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Symptome des Fatigue-Syndroms bis zu 48 Stunden nach mitunter kleinsten Anstrengungen verschlimmern. Viele Patienten leiden auch an häufigen Infektionen oder neu aufgetretenen Allergien.
In Deutschland geht man davon aus, dass 250.000 bis 300.000 Menschen unter ME/CFS leiden, darunter 40.000 Kinder. Frauen im Alter von 30 bis 40 Jahren sind überdurchschnittlich häufig betroffen. Experten und Expertinnen gehen von einer hohen Dunkelziffer aus, da die Diagnosestellung schwierig ist. (siehe: Wie wird ein chronisches Fatigue-Syndrom diagnostiziert?).
Was verursacht Fatigue?
Fatigue, Müdigkeit oder starke Erschöpfung können im Zusammenhang mit verschiedenen Erkrankungen auftreten. Zum Beispiel bei Krebserkrankungen, Multipler Sklerose oder rheumatischen Erkrankungen. Auch Herzschwäche, Diabetes mellitus, Parkinson oder Depressionen gehen häufig mit Fatigue einher. Die dahinter liegenden Ursachen – wie Autoimmunreaktionen oder Entzündungsprozesse - überschneiden sich teilweise mit den Ursachen des chronischen Fatigue-Syndroms. Beim Diabetes mellitus entsteht die Müdigkeit dadurch, dass Blutzucker als Energiequelle nur ungenügend genutzt werden kann und der Körper quasi "auf Sparflamme" läuft. Bei einer Herzschwäche pumpt das Herz nicht mehr genügend Blut (und damit Sauerstoff) in Muskeln und Gewebe, was zu Müdigkeit und Erschöpfung führt.
Was können Ursachen eines chronischen Fatigue-Syndroms sein?
Als ein bedeutender Auslöser eines chronischen Fatigue-Syndroms (CFS) gilt eine Infektion mit Viren, wie dem Epstein-Barr-Virus, welches das Pfeiffersche Drüsenfieber verursacht. Aber auch andere Herpesviren, Grippe-, Erkältungsviren, Magen-Darm-Keime, Borrelien und Chlamydien werden genannt. Nicht zuletzt nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 sind viele Betroffene am chronischen Fatigue-Syndrom erkrankt (siehe: Fatigue nach Corona).
Die Virusinfektion gilt aber nur als Auslöser; selten kann bei von CFS betroffenen Patienten und Patientinnen eine akute Infektion nachgewiesen werden. Was aber nachgewiesen werden kann, sind bestimmte Botenstoffe (u.a. Zytokine, wie Interleukin, TNF-alpha), die darauf hinweisen, dass das Immunsystem der Betroffenen überaktiv ist. Dieses überaktive Immunsystem gilt als eine Ursache für die Beschwerden.
Andere Erklärungsansätze für die Entstehung eines chronischen Fatigue-Syndroms sind Autoimmunreaktionen, Durchblutungsstörungen und Fehlfunktionen des vegetativen Nervensystems, was u.a. zu Symptomen wie dem so genannten Posturalen Tachykardie Syndrom (POTS) führt. Dabei wird nicht genügend Blut durch den aufgerichteten Körper gepumpt, was bei Betroffenen – vor allem nach Aufstehen aus dem Liegen oder Sitzen - zu Schwindel und Herzrasen führt.
Auch genetische Faktoren und eine Störung in der Barrierefunktion der Schleimhaut im Darm (leaky gut syndrome), werden als Ursachen des chronischen Fatigue-Syndroms genannt. Das "leaky gut syndrome" könnte erklären, warum Betroffene häufig auch unter Magen-Darm-Beschwerden leiden. Durch die gestörte Barrierefunktion der Darmschleimhaut können Bakterien und Giftstoffe aus dem Darm in den Blutkreislauf gelangen und eine Entzündung auslösen, die sich im ganzen Körper zeigt.
Fatigue nach Corona: das chronische Fatigue-Syndrom als Symptom von Long Covid
Während einer Corona-Erkrankung zählt Fatigue zu den akuten Symptomen. Doch häufig hält die bleierne Müdigkeit und Erschöpfung auch nach Abklingen der Erkrankung weiter an. Das chronische Fatigue-Syndrom gilt als eines der schwersten Symptome von Long Covid. Davon sprechen Experten und Expertinnen, wenn Beschwerden wie Müdigkeit, Muskelschmerzen, kognitive Einschränkungen oder Schlafstörungen länger als vier Wochen anhalten. Bis zu 200 Symptome werden mit Long Covid in Zusammenhang gebracht.
In einem gemeinsamen Projekt der Klinik für Neurologie der Charité mit dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein wurde untersucht, wie viele Patienten und Patientinnen nach einer SARS-CoV-2 Infektion relevante Symptome eines chronischen Erschöpfungssyndroms entwickeln. Dazu wurden 1000 Menschen ohne SARS-CoV-2 Infektion mit 1000 Menschen verglichen, deren Covid-19 Erkrankung mindestens sechs Monate zurücklag. Es zeigte sich, dass in der Gruppe mit Coronaerkrankung 19 Prozent ein chronisches Fatigue-Syndrom entwickelt hatten, während es in der Vergleichsgruppe nur acht Prozent waren. Chronische Erschöpfung kommt damit auch Monate nach einer Infektion mit dem Coronavirus mehr als doppelt so häufig vor wie in der gesunden Allgemeinbevölkerung. Insbesondere trifft sie jüngere Frauen zwischen 18 und 24 Jahren.
Es gibt – sowohl bei den Symptomen als auch den Ursachen – viele Überschneidungen zwischen Long Covid und dem chronischen Fatigue-Syndrom (ME/CFS). Deshalb setzen bei neuen Therapieansätzen wie dem Medikament BC 007 Betroffene beider Gruppen ihre Hoffnung auf Studien mit diesem Medikament (Mehr dazu im Long Covid Artikel). Während man bei Long Covid häufig Virusreste in verschiedenen Organen und Strukturen des Körpers findet, ist das bei ME/CFS meistens nicht der Fall. Das kann allerdings daran liegen, dass von Long Covid Betroffene erst viel kürzer unter den Symptomen leiden, als Patienten und Patientinnen mit ME/CFS. Bei letzteren ist der Weg der Diagnose ein sehr langwieriger, auch weil das Bewusstsein ein ganz anderes ist. Bei an Corona Erkrankten ist der Gedanke sich auf Long Covid untersuchen zu lassen viel präsenter als bei Menschen, denen eine andere Infektion oder eine andere ursächliche Erkrankung vorausgegangen ist.
Wie wird Fatigue bzw. ein chronisches Fatigue-Syndrom diagnostiziert?
Die eindeutige Diagnose eines chronischen Fatigue-Syndroms (ME/CFS) ist bis heute schwierig, was auch damit zu tun hat, dass es immer noch viele Experten und Expertinnen gibt, die ME/CFS für eine ausschließlich psychosomatische Erkrankung halten (siehe: Ist Fatigue eine psychosomatische Erkrankung?). Bis heute gibt es keine Biomarker im Blut, die spezifisch ein chronisches Fatigue-Syndrom nachweisen. Was es aber gibt, sind Stoffe im Blut, die auf ein Entzündungsgeschehen oder eine Autoimmunreaktion (Auto-Antikörper) hinweisen. Diese Stoffe finden sich allerdings auch bei anderen Erkrankungen. Von daher ist ME/CFS bis heute eine Ausschlussdiagnose, die dann gestellt wird, wenn man keine andere Ursache der Beschwerden findet, wie zum Beispiel chronische Infektionen (z.B. mit Hepatitis B, Borreliose oder HIV), Schilddrüsenerkrankungen, Magen-Darm-Erkrankungen, rheumatologische Erkrankungen, Schlafstörungen wie Schlafapnoe und schwere Depressionen.
Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V. spricht dann von einem chronischen Fatigue-Syndrom, wenn die Müdigkeit und Erschöpfungsneigung länger als sechs Monate besteht, sich ein klarer Beginn der Symptomatik definieren lässt und die Symptome so stark sind, dass daraus "eine signifikante Störung von körperlicher, seelischer und sozialer Funktion sowie Lebensqualität resultiert". Zudem muss eine alternative Erklärung durch eine körperliche oder seelische Störung fehlen. Voraussetzung für die Diagnose ist darüber hinaus das Vorliegen von kognitiven Einschränkungen wie Konzentrationsstörungen oder eine so genannte orthostatische Intoleranz, vergleichbar mit dem Posturalen Tachykardie Syndrom (POTS). Bei einer orthostatischen Intoleranz ist der Körper nicht in der Lage, den Blutkreislauf auf die aufgerichtete Position des Körpers (stehen, sitzen) einzustellen. Symptome sind u.a. Schwindel, Schwäche, Herzrasen und niedriger Blutdruck. Im Liegen gehen die Symptome zurück.
Wer diagnostiziert ein chronisches Fatigue-Syndrom?
Wie man an den Behandlungsleitlinien "Müdigkeit" der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V. sieht beschäftigen sich zunehmend auch Hausärzte Hausärztinnen mit der Diagnostik eines chronischen Fatigue-Syndroms. Sie übernehmen eine wichtige Rolle beim Ausschluss anderer Ursachen. So werden Patienten und Patientinnen, die einen Termin im Charité Fatigue Centrum in Berlin haben möchten, aufgefordert, vorab andere Ursachen für die Symptome durch Hausärzte oder Fachärztinnen abklären zu lassen und mit den entsprechenden Befunden in die Sprechstunde zu kommen.
Allerdings werden im Charité Fatigue Centrum derzeit nur Patienten und Patientinnen aus Berlin und Brandenburg aufgenommen, weil das Centrum an seine Kapazitätsgrenzen stößt. Das Centrum in der Charité ist das einzige deutschlandweit, dass sich auf die Behandlung von ME/CFS bei Erwachsenen spezialisiert hat. Für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit ME/CFS gibt es ebenfalls nur eine Anlaufstelle in der "München Klinik" in München.
Für Betroffene von Long Covid gibt es dagegen ein etwas größeres Versorgungsnetz, wobei nicht alle Ambulanzen auf die Behandlung des chronischen Fatigue-Syndroms eingestellt sind.
Wie verändert ein chronisches Fatigue-Syndrom den Alltag der Betroffenen?
Wer an einem chronischen Fatigue-Syndrom leidet, für den verändert sich der Alltag grundlegend. Je nach Schwere der Symptome, können die Betroffenen ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen; bei 54 Prozent führt die Erkrankung sogar zur Arbeitsunfähigkeit. Wer infolge einer Covid-19 Erkrankung am chronischen Fatigue-Syndrom leidet und bei wem die Ansteckung bei der Arbeit erfolgte, kann einen Antrag auf Anerkennung als Berufskrankheit stellen. Die Bewilligung ist aber alles andere als einfach.
Rund ein Viertel der Betroffenen kann die Wohnung nicht mehr verlassen, im schlimmsten Fall liegen sie nur noch im Bett. Viele sind auf Hilfe angewiesen, bis hin zur Pflegebedürftigkeit. Das führt bei vielen zur sozialen Isolation und infolgedessen auch häufig zu Depressionen. In diesem Fall ist die Depression aber Folge eines chronischen Fatigue-Syndroms und nicht die Ursache.
Wie lange kann ich wegen eines chronischen Fatigue-Syndroms krangeschrieben werden?
Eine Krankschreibung wegen ME/CFS kann – wie alle anderen Erkrankungen auch – nur für maximal sechs Wochen innerhalb eines Jahres geschehen, danach greift das Krankengeld, welches von der gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt wird. Aber auch das Krankengeld läuft nach maximal 78 Wochen aus, so dass nicht wenige Patienten und Patientinnen mit ME/CFS gibt, die große finanzielle Probleme haben und auf Sozialleistungen angewiesen sind.
Wie wird eine Fatigue bzw. chronisches Fatigue-Syndrom behandelt?
Auch hier muss wieder unterschieden werden, ob es sich um das einzelne Symptom "Müdigkeit" handelt oder die Behandlung des chronischen Fatigue-Syndroms.
Behandlung von Fatigue
Je nach Ursache der isolierten Fatigue, kann die zugrunde liegende Erkrankung oder der Mangel behandelt werden. Bei Müdigkeit wegen eines Diabetes mellitus, verbessert zum Beispiel eine gute Blutzuckereinstellung die Beschwerden. Herzinsuffizienz Patienten und Patientinnen profitieren von vier großen medikamentösen Wirkstoffgruppen. Eine Schilddrüsenunterfunktion kann mit der Einnahme des Hormons Thyroxin behandelt werden; bei einer Anämie können Eisenpräparate helfen.
Behandlung des chronischen Fatigue-Syndroms
Für die Behandlung von ME/CFS gibt es bis heute kein einziges zugelassenes Medikament. Behandelt werden in erster Linie die einzelnen Symptome, wie Schmerzen oder Schlafstörungen. Manche Betroffenen leiden unter einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit (Hyperalgesie). Hier werden nicht-steroidale Schmerzmittel (NSAR) eingesetzt und Antidepressiva. Die Behandlung mit Antidepressiva bei Schmerzen und auch gegen die anderen Symptome von ME/CFS ist nicht unumstritten. So empfehlen manche Experten und Expertinnen, diese nur einzusetzen, wenn gleichzeitig eine Depression besteht. (Quelle: Absatz 3.3. Cognitive Symtoms ans Depression).
Allerdings ist das Vorhandensein einer schweren Depression gleichzeitig ein Ausschlusskriterium für die Diagnose von ME/CFS. Hier spiegelt sich ein grundlegender Konflikt wider, der darin begründet ist, dass das chronische Fatigue-Syndrom von manchen Experten und Expertinnen immer noch als rein psychosomatische Erkrankung angesehen wird.
Ähnlich umstritten ist deshalb der Nutzen einer kognitiven Verhaltenstherapie. Wobei man sagen muss, dass das Erlernen eines guten Umgangs mit der Erkrankung allen Betroffenen helfen kann. Die Entscheidung für oder gegen eine solche Therapie, sollte nur nicht dafür benutzt werden, die Ursache der Erkrankung generell infrage zu stellen. Wie oben erwähnt ist ME/CFS seit 1969 von der Welt-Gesundheitsorganisation als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt.
Was dringend notwendig ist, um die Versorgung von Patienten und Patientinnen mit ME/CFS zu verbessern, sind Therapiestudien. Schon jetzt gibt es einige Medikamente, die zum Beispiel bei Autoimmunerkrankungen oder entzündlichen Erkrankungen eingesetzt werden, die auch bei Long Covid oder dem chronischen Fatigue-Syndrom in Heilversuchen erfolgreich waren. Für solche Therapiestudien wurden im Mai 2022 zehn Millionen Euro vom Bundesforschungsministerium zur Verfügung gestellt. Allerdings muss dieses Geld bis Ende 2022 ausgegeben werden, was kaum möglich ist, weil solche Studien eine viel längere Förderzusage benötigen, nämlich mindestens 24 Monate (Quelle).
Hilft körperliche Aktivität bei Fatigue?
Ähnlich wie der Einsatz von Antidepressiva und kognitiver Verhaltenstherapie, ist auch die Empfehlung für eine Bewegungstherapie bei Patienten und Patientinnen mit chronischem Fatigue-Syndrom umstritten. Patienten und Patientinnen mit ME/CFS leiden fast immer unter einer Belastungsintoleranz, die besagt, dass die Betroffenen bis zu 48 Stunden nach der körperlichen oder geistigen Anstrengung unter einer Verschlimmerung ihrer Symptome leiden. Ihnen eine Sport- oder Bewegungstherapie zu empfehlen- wie es auch bei "normalen" Reha-Maßnahmen der Fall ist – wäre kontraproduktiv.
Betroffene müssen vielmehr lernen, auf keinen Fall über ihre Leistungsgrenzen zu gehen, sondern eher immer leicht darunter zu bleiben. Diese Technik nennt man "pacing". Wo die Belastungsgrenzen liegen, kann individuell sehr verschieden sein. Manche können kleine Spaziergänge machen, andere schaffen es noch nicht einmal, auf die Toilette zu gehen. Dennoch ist auch beim "pacing" das Ziel, die Leistungsgrenze mit der Zeit nach "oben" zu verschieben, weil das die Lebensqualität der Betroffenen klar verbessert.
Anders sieht das aus, wenn Patienten oder Patientinnen, die nach einer Krebserkrankung unter Fatigue leiden; hier ist der Effekt von Bewegungstherapie zur Verbesserung der Fatigue belegt.
Was können Betroffene selbst tun?
Was bei vielen anderen Erkrankungen hilft, ein gesunder Lebensstil mit viel Bewegung, gesunder Ernährung und dem Verzicht auf Alkohol und Nikotin, greift beim chronischen Fatigue-Syndrom verständlicherweise nicht. Die Betroffenen sind oftmals noch nicht einmal in der Lage, ihr Bett zu verlassen.
Letztlich gibt es eine ganze Reihe von Entspannungsverfahren (Meditation, Yoga, Tai-Chi, progressive Muskelrelaxation nach Jacobson) und physikalischen sowie alternativen Heilverfahren (Hydrotherapie, Akupunktur, Chiropraktik, TENS) die einzelnen Betroffenen helfen können, aber durch Studien in ihrer Effektivität nicht belegt sind.
Auch verschiedene Diäten, wie zum Beispiel die ketogene Diät, die auf Kohlenhydrate fast vollkommen verzichtet oder eine vegane Ernährung, haben bislang keinen nachgewiesen positiven Effekt auf das chronische Fatigue-Syndrom.
Von positiven Effekten bestimmter Nahrungsergänzungsmittel, berichten Betroffene allerdings immer wieder, vor allem wenn ein Mangel an diesen Mikronährstoffen festgestellt wurde. Das sind unter anderem Stoffe wie Ribose, Coenzym Q 10, NADH, B-Vitamine, Carnitin und Arginin. Auch Magnesium, Eisen, Omega-3-Fettsäuren, Antioxidantien wie Vitamin C und E spielen eine Rolle. Deren Einnahme könne laut Prof. Carmen Scheibenbogen vom Charité Fatigue Centrum für eine begrenzte Zeit durchaus überlegt werden.
Ist Fatigue eine psychosomatische Erkrankung?
Für die Einschätzung des chronischen Fatigue-Syndroms als rein psychosomatische Erkrankung sind laut Prof. Carmen Scheibenbogen vom Charité Fatigue Centrum in Berlin vor allem Studien von Psychiatern aus Großbritannien verantwortlich, die um das Jahr 2000 erschienen sind - und zwar in einer renommierten internationalen Fachzeitschrift. Zentrum der Argumentation dieser Artikel ist, dass Betroffene eine "falsche Vorstellung von ihrer Erkrankung hätten" die zur Folge hat, dass sie sich immer mehr zurückziehen und körperlich inaktiv werden.
Dagegen sei ihnen Verhaltenstherapie und körperliche Aktivität zu empfehlen. Auch die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin folgt in ihren Leitlinien zur Behandlung von "Müdigkeit" dieser Argumentation und spricht von einem "Teufelskreis", der dadurch in Gang komme, dass Betroffene Aktivität meiden, dadurch immer schwächer würden und das als Beleg nähmen, dass Aktivität ihre Symptome verschlechtert. (Quelle: S. 44)
Fatigue und Depression
Zum Teil wird die Beurteilung der Ursachen des chronischen Fatigue-Syndroms auch dadurch erschwert, dass eine Reihe von Symptomen wie zum Beispiel, Muskelschmerzen, Schlaflosigkeit und Erschöpfung sowohl bei ME/CFS Patienten und Patientinnen vorkommen, als auch bei Menschen mit einer schweren Depression. (Quelle: 3.3 Cognitive Symptoms and Depression).
In Studien wurden bei beiden Patientengruppen Veränderungen in den so genannten "natürlichen Killerzellen" des Immunsystems gefunden. Hinzu kommt, dass die Auswirkungen von ME/CFS bei Patienten und Patientinnen zu Depressionen führen können, weil sie ganz viele Dinge des täglichen Lebens nicht mehr tun können. Es gibt aber auch Unterschiede: Patienten und Patientinnen mit einer Depression sind eher apathisch; Menschen die unter ME/CFS leiden, sind eher frustriert und würden gern etwas an Ihrer Lage ändern.
Was stimmt also?
Klar ist: Körper und Psyche hängen auch beim chronischen Fatigue-Syndrom eng zusammen. Betroffene als "rein psychisch" erkrankt zu bezeichnen, geht an der Realität allerdings komplett vorbei. Viele erkranken plötzlich und schwer nach einer Virusinfektion und haben vorher ein ganz normales Leben geführt. Auch wenn der eine Biomarker zur Diagnostik von ME/CFS noch nicht existiert: Es gibt eine ganze Reihe von Blutwerten, die bei ME/CFS verändert sind. Und nicht zuletzt: Betroffene mit ihrer Erkrankung ernst zu nehmen und ihnen eine adäquate Behandlung zukommen zu lassen, ist dringend notwendig. Dies wird durch eine falsche Diagnose, wie z.B. einer Depression oftmals verhindert.
Wie lange dauert Fatigue und kann man Fatigue heilen?
Eine isolierte Fatigue, deren Ursachen gefunden und behandelt werden, ist durchaus "heilbar". Was das chronische Fatigue-Syndrom angeht, ist die Frage ganz klar zu verneinen. Es kommt zwar immer wieder zu spontanen Remissionen, also einer Besserung der Symptome ohne Behandlung. Aber eine "Heilung" setzt ja den gezielten Einsatz einer Therapie voraus. Bislang können nur einzelne Symptome von ME/CFS gebessert werden, wie Schmerzen oder Schlafstörungen.
Oftmals leiden Betroffene ein Leben lang unter der Erkrankung; manchmal unterbrochen von Phasen, in denen es ihnen besser geht. Als Folge von Long Covid tritt ME/CFS ja erst seit wenigen Jahren auf. Bei dieser Gruppe von Betroffenen beginnt die Behandlung der Fatigue-Symptomatik, in der Regel früher als bei denjenigen, die schon viele Jahre unter ME/CFS leiden. Experten und Expertinnen gehen davon aus, dass die Chancen für eine Besserung oder gar Heilung bei ihnen deutlich günstiger sind.