Interview | Task-Force in Dialysezentren - Corona - erhöhte Gefahr für Dialyse-Patienten
Für Patienten, deren Nieren nicht mehr funktionieren, ist die Dialyse essentiell. Ohne die Blutwäsche durch Dialysegeräte oder die Bauchfelldialyse würden sie sterben. Die meisten Dialyse-Patienten müssen dreimal in der Woche in ein Zentrum fahren, um dort mit anderen Patienten dialysiert zu werden. In Corona-Zeiten ist das ein Problem. Wie haben sich Dialysezentren in Berlin auf diese Situation eingestellt?
Dreimal in der Woche fahren die meisten Dialysepatienten in ein Zentrum, um dort vier bis fünf Stunden dialysiert zu werden. Dort liegen oder sitzen sie zu dritt oder viert in einem Raum mehr oder weniger dicht nebeneinander an den Geräten und das Personal kann nur bedingt Abstand halten. rbb Praxis hat mit Prof. Dr. Christiane Erley zur Situation der Dialyse-Patienten in der Corona-Krise gesprochen.
Welches besondere Risiko besteht für Dialyse-Patienten in der ‚Coronazeit‘ und wie handeln Sie in Ihrem Dialyse-Zentrum?
Es ist leider derzeit für Dialyse-Patienten so, dass die Gefahr sich in Dialyse-Zentren mit COVID-19 anzustecken größer ist, als beispielsweise für einen Patienten, der seine Bauchfelldialyse zu Hause durchführen kann. Aber es gibt für Patienten, die eine Hämodialyse, also eine Blutwäsche in unseren Zentren durchführen, keine Alternative. Würden sie nicht kommen oder kommen können, würden sie versterben.
Also haben wir - die Dialysezentren in Berlin - eine Task-Force gebildet. Wir tauschen uns ständig gegenseitig aus, wie wir am besten die Regelungen und Vorgaben des RKI umsetzen und unsere Patienten schützen. Zunächst einmal haben wir so gut es geht, Distanz zwischen den Patienten an ihren Geräten geschaffen. Das heißt, wir nutzen andere, neue Räume für die Dialyse und entzerren die Dialyse, dialysieren also in mehreren Schichten. Damit kommen nicht so viele Patienten gleichzeitig. Wir haben uns sehr bemüht Schutzausrüstungen zu bekommen. Das war am Anfang ein Problem, jetzt aber sind wir zunächst gut ausgestattet. Alle bei uns tragen einen Mundschutz. Das betrifft auch die Transportunternehmen, also die, die die Krankentransporte durchführen. Die meisten Dialysepatienten sind so krank, dass sie gefahren werden müssen und da müssen sich sowohl die Patienten als auch die Fahrer schützen.
Was machen Sie mit Dialysepatienten mit Corona-Infektion oder einem Verdacht einer Infektion. Diese können ja nicht zu Hause bleiben, da die Dialyse ja lebenswichtig ist.
Wir haben dafür ein intensives Monitoring. Bei keinem Patienten wird die Dialyse begonnen bzw. er kommt gar nicht in das Zimmer, bevor er nicht genau befragt wurde, ob er eventuelle Symptome hat. Wir messen bei jedem Fieber. Bei den kleinsten Symptomen werden die Patienten abgestrichen, also auf COVID-19 getestet. Und wenn nur der leiseste Verdacht besteht, dann wird er isoliert untersucht und gegebenenfalls bekommt er seine Dialyse in einem isolierten Raum. Wir haben auch jetzt Zentren benannt in Berlin, die die Dialyse speziell an Coronaerkrankten Patienten mit Niereninsuffizienz durchführen.
Und alle die einen Verdacht auf eine COVID-19-Erkrankung haben - Ärzte, Pflegepersonal, Reinigungspersonal oder Servicekräfte - werden untersucht. Sobald sie Symptome haben, müssen sie zu Hause bleiben, getestet werden, und je nach Befund dann auch in Quarantäne.
In einem Papier einiger Nierenexperten an die für Pandemieplanung zuständige Stelle im Ministerium für Gesundheitswesen wird ein gravierendes Problem in der Transportfrage von Dialysepatienten aufgeworfen. Vor Corona war der Sammeltransport von Dialysepatienten zum und vom Zentrum kein Problem - das sieht jetzt anders aus?
Sammeltransporte, also der Transport von bis zu fünf Patienten in einem Wagen zum und vom Zentrum, das ist derzeit absolut unmöglich. Risikopatienten würden auf engstem Raum zusammensitzen – ein Unding. Das Problem: die Transportunternehmen, u.a. auch Taxis bekommen eine Pauschale von der Krankenkasse für den Transport eines Dialysepatienten. Die rechnet sich bei einem Sammeltransport, aber wohl nicht mehr bei den jetzt notwendigen Einzeltransporten. Zudem haben die Fahrer auch Angst vor Ansteckung. Wir haben das Problem sowohl mit der Krankenkasse als auch mit der Taxiinnung kommuniziert und hoffen nun, dass wir zeitnah eine Lösung finden.
Viele Patienten meiden derzeit den Arzt und die Krankenhäuser aus Angst vor Ansteckung mit COVID-19. Ist das richtig oder kann das eher gefährlich werden?
Wir beobachten das ebenfalls und sind besorgt. Denn es geschieht jetzt häufiger, dass Patienten sehr krank in die Notaufnahme kommen und man ihnen hätte besser helfen können, wenn sie gleich bzw. eher gekommen wären. Ich kann nur appellieren, dass man bei entsprechenden Symptomen- z.B. eines Herzinfarktes, eines Schlaganfalls oder auch eines Nierenversagens weiterhin sofort die Notrufnummer wählt und sich im Krankenhaus behandeln lässt. Wir sind gut aufgestellt. Wir können Corona-Patienten bzw. solche, die mit Verdacht auf Corona bei uns eintreffen sehr gut von Patienten mit anderen Erkrankungen trennen und auch getrennt voneinander behandeln. Man darf jetzt nicht aus eigener Vorsicht in ein schlimmeres Geschehen hineinschlittern.
Vielen Dank für das Gespräch, Prof. Dr. Christiane Erley.
Das Interview führte Cornelia Fischer-Börold.