Interview l Neue Altersbeschränkungen - Stop and Go bei AstraZeneca-Impfungen
Zum zweiten Mal binnen zwei Wochen wurden am 30. März in ganz Deutschland Impfungen mit AstraZeneca gestoppt. Dieses Mal für alle Menschen unter 60 Jahren. Vorausgegangen war eine Einschränkung der Impfempfehlung durch die Ständige Impfkommision (STIKO). Sarah Oswald hat mit STIKO-Mitglied und Impfarzt Dr. Martin Terhardt über die Entscheidung gesprochen.
Es ist der zweite Stopp für den COVID-19-Impfstoff des schwedisch-britischen Unternehmens AstraZeneca: Dieses Mal betrifft er alle Menschen unter 60 Jahren. Vorausgegangen war eine Einschränkung der Impfempfehlung durch die Ständige Impfkommision (STIKO). Sie reagierte damit auf das gehäufte Auftreten von Hirnvenenthrombosen bei mit diesem Impfstoff geimpften Personen.
Im Abendschau-Interview sprach Sarah Oswald am 30. März mit Dr. Martin Terhardt von der STIKO über die Entscheidung.
Sarah Oswald: Warum jetzt diese Empfehlung zu einem erneuten Impfstopp?
Dr. Martin Terhardt: Die Ständige Impfkommision muss alle Daten bewerten, die auch nach Zulassung und Bewertung eines Impfstoffes eingehen. Und diese Daten kommen von den Zulassungsbehörden. Und dort sind überdurchschnittlich mehr Hirnvenenthrombosen mit teilweise tödlichem Ausgang aufgetreten, die alle in zeitlichem Zusammenhang mit der AstraZeneca-Impfung aufgetreten sind. Und die meisten davon bei Frauen zwischen 20 und 60 Jahren.
Da dieses Signal in den letzten Wochen eher noch zugenommen hat, mussten wir jetzt eine neue Entscheidung fällen. Und diese Entscheidung haben wir nach mehreren Beratungen auch unter Hinzuziehung von anderen Experten getroffen.
Nun ist AstraZeneca erst einmal gestoppt - zumindest für Menschen unter 60. Wie sieht es aus mit Älteren? Ist es da dann auch ungefährlich?
Alle Signale, die wir bisher in Deutschland und auch in anderen Ländern gesehen haben zeigen, dass dieses Signal vorwiegend bei jüngeren Menschen unter 60 aufgetreten ist und dass wir das gut verantworten können, diesen Impfstoff für ältere Menschen zu empfehlen.
Wir wissen natürlich, dass das bei der älteren Generation schwierig zu vermitteln ist, weil wir vor sechs Wochen gesagt haben: Menschen über 65 sollten diesen Impfstoff gar nicht bekommen, weil wir nicht genug wissen über die Wirksamkeit. Das hat sich zum Glück geändert, weil die Wirksamkeit jetzt durch Daten aus Großbritannien in dieser Altersgruppe gut belegt ist und weil diese Nebenwirkungen, diese schweren Komplikationen, in dieser Altersklasse nicht aufgetreten sind.
Sofern sind wir guter Hoffnung, dass dieser Impfstoff in dieser Altersklasse der über 60jährigen weiterhin Verwendung finden kann.
Aber was ist mit Menschen, die bereits eine Impfdosis mit dem AstraZeneca-Impfstoff erhalten haben?
Wir impfen diesen Impfstoff seit Anfang März. Und wir haben empfohlen, dass die zweite Impfung erst nach zwölf Wochen stattfinden soll. So dass wir jetzt auch einige Zeit haben, um das zu bewerten. Da ist die Datenlage nicht ganz so eindeutig, sodass wir uns da jetzt noch nicht festgelegt haben, weil wir nicht ganz genau wissen, ob der Mechanismus, der bei der ersten Impfung zu diesem Problem führt, bei der zweiten Impfung genauso stattfinden kann.
Und das bewerten wir jetzt in den nächsten Wochen. Da werden wir im Laufe des Aprils Empfehlungen aussprechen. So dass dann im Mai, wenn eine zweite Impfung anstehen würde, entschieden werden kann.
Diese Situation wiederholt sich ja gerade: Erst vor wenigen Wochen wurde schon einmal die Impfung mit AstraZeneca gestoppt.
Lassen Sie sich da in der Kommission vielleicht auch ein bisschen von dem Wunsch treiben, dass alle schnell geimpft werden sollen? Haben Sie den Impfstoff aus diesem Grund damals zu schnell wieder freigegeben?
Wir haben damals - das ist ja jetzt knapp zwei Wochen her - auf die Entscheidung der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) gewartet. Und da wurde der Impfstoff in vielen Ländern ausgesetzt. Und die EMA hat dann die Entscheidung gefällt. Die Daten, die wir dann zur Verfügung hatten, ließen auch zu das zu tun, weil die Wahrscheinlichkeit dieser Komplikation damals noch anders aussah, als sie jetzt - zwei Wochen später - aussieht.
Es sind Fälle dazugekommen. Die Fälle konnten wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Die Zusammenhänge wurden so langsam verstanden. So dass wir sagen können: Es ist ein Zusammenhang mit der Impfung anzunehmen. Und dann muss halt diese Entscheidung auch geändert werden.
Das Interview führte Sarah Oswald am 30. März in der rbb Abendschau