Keine Angst vor dem Piks - Kinder stressfrei impfen
Masern, Röteln oder Polio - es gibt viele gefährliche Krankheiten, vor denen ein einfaches Mittel schützen kann: die Impfung. Aber gerade bei Kindern ist die Angst vor der Impfspritze oft besonders groß. Die Folge: Impfen wird zu Stress für Eltern und Kinder. Wie lassen sich Stress und Schmerzen reduzieren oder vermeiden? Was können Eltern und Ärzte tun?
Das Immunsystem ist gegen eine Krankheit gewappnet, ohne dass der Mensch sie selbst je durchlitten haben muss - das ist das Prinzip der Impfung. An abgeschwächten oder toten Erregern lernen die sogenannten Gedächtniszellen Aussehen und Struktur des Feindes kennen. Begegnen sie später dem Virus erneut, ist das Immunsystem vorbereitet - die Krankheit bricht nicht aus, weil die Viren erkannt und vernichtet werden, z.B. bevor sie in Wirtszellen eindringen und sich vermehren können. Diese Immunisierung schützt nicht nur den Geimpften selbst, sondern auch seine Umwelt, da er Viren nicht mehr weitergeben kann.
Spritze, Schutz, Virenausrottung?
In der Medizingeschichte ist das ein echter Segen. Beispiel: Kinderlähmung, medizinisch Poliomyelitis genannt. Noch Anfang des vergangenen Jahrhunderts tötete oder lähmte die Erkrankung tausende Menschen jährlich in Deutschland. Vor der Einrichtung der Globalen Polio Ausrottung Initiative (Abkürzung aus dem Englischen: GPEI) 1988 war die Kinderlähmung in 125 Ländern der Welt epidemisch und lähmte jährlich über 300.000 Menschen. Heute gilt die Krankheit in Deutschland als ausgerottet. Zur letzten Wildvirusinfektion kam es 1990. Doch in einer Zeit, in der sich Menschen weltweit bewegen, reisen oder migrieren, steigt auch wieder das Risiko: 2015 meldete die WHO zuletzt Polioerkrankungen bei Kindern in Europa. Das neue Ziel internationaler Initiativen wie WHO oder GPEI: Die Ausrottung von Polio 2018 - mit Hilfe der Impfung.
Doch vor der positiven Wirkung der Immunisierung steht der Gang zum Arzt, meist die Spritze - und das setzt gerade kleine Patienten einem besonderen Stress aus. Eltern und Ärzte können diesen Stress aktiv reduzieren. Die Ständige Impfkommission am Robert Koch Institut (STIKO) und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung haben dazu Tipps zusammengetragen, die auch vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. empfohlen werden. Ein zentraler Punkt:
Schmerzen beim Impfen reduzieren
Spritzen tut weh - das liegt in der Natur der Sache, denn die Nadel muss in die Haut eindringen. Allerdings kann man diesen Schmerz reduzieren. Beispielsweise sollten kleine Patienten nur dann liegen, wenn bei einer Impfung oder Blutabnahme schon einmal Kreislaufprobleme oder Ohnmacht aufgetreten sind, empfiehlt die STIKO. Kleine Kinder sitzen am besten auf dem Arm oder Schoß eines Elternteils, größere Kinder neben ihren Eltern - so sind Schutz und Trost der engsten Vertrauensperson im wahrsten Sinne des Wortes greifbar. Die aufrechte Sitzposition soll auch das Gefühl des Ausgeliefertseins reduzieren. Bei sensiblen Kindern oder Jugendlichen können schmerzstillende Pflaster zur Betäubung der Impfstelle angewandt werden, so die STIKO. Solche lidocainhaltigen Pflaster werden mindestens 30 Minuten vor der Impfung aufgeklebt. Sie sind in der Regel frei in Apotheken erhältlich und kosten im Schnitt fünf bis sechs Euro pro Stück. Die Kosten werden allerdings in der Regel nicht von der Krankenkasse übernommen.
Alternative: Kühlendes Eis-Spray vom impfenden Arzt kann auch helfen, die Schmerzempfindlichkeit zu reduzieren. Auf jeden Fall vermeiden sollten Eltern und medizinisches Personal das Reiben oder Kneifen der Impfstelle - diese wird so noch empfindlicher für neue Nervenreize, wie sie durch die Spritze entstehen, so auch die Empfehlung vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte.
Auch Stillen oder Süßes kann helfen
Bei Babys kann auch das Stillen oder ein Schnuller zur Schmerzminderung beitragen; für ältere Kleinkinder bis zu zwei Jahren konnten Studien den gleichen beruhigenden Effekt durch einen Schluck Zuckerlösung vor der Impfung nachweisen. Noch effektiver waren Stillen oder Zuckerlösung in Kombination mit einer warmen Umgebung, wie z.B. eine Studie an der University of Chicago belegen konnte.
Im Alter zwischen sechs Wochen und 23 Monaten sollten Kinder laut STIKO-Empfehlung eine Grundimmunisierung für zwölf gefährliche Krankheiten erhalten. Meist werden Kombi-Impfstoffe verwendet, die mehrere Impfungen beinhalten, zum Beispiel gegen Tetanus, Diphtherie und Poliomyelitis zusammen. So können Kindern zumindest einige Spritzen erspart werden. Eine aktuelle Liste aller in Deutschland zugelassenen Impfstoffe (sowohl Kombi- wie auch Monoimpfstoffe) finden Eltern und Ärzte auf der Webseite des Paul-Ehrlich-Institut.
Manchmal geht es jedoch auch ohne Piks: Gegen Rotaviren wird per Schluckimpfung immunisiert. Der Geschmack ist leicht süßlich - deshalb empfehlen Ärzte bei einer mehrfachen Impfung zu einem Termin mit dieser Impfung zu beginnen, um einen ähnlichen Effekt zu erzielen, wie den oben beschriebenen durch süße Flüssigkeit. Gestillt werden sollte eine Stunde vor und nach der Rotavirusimpfung allerdings nicht, da das die Wirkung der Impfung beeinträchtigen kann, so die STIKO.
"Es tut gar nicht weh!" - Doch!
Kindern die Angst nehmen - das möchte jeder, so natürlich auch Eltern, Ärzte und Mitarbeiter. Doch gerade im Kinderalter stehen viele Impfungen an und schon in sehr jungen Jahren verstehen Kinder schnell, wann sie nur beschwichtigt werden sollen. Experten empfehlen daher bei Kindern ab drei Jahren offensiv mit dem Thema Impfung umzugehen und keine falschen Versprechungen zu machen. Soweit es geht sollen die Kinder verstehen, was gleich beim Arzt passieren wird. Wichtig ist dabei, dass Kinder auch Vorschläge dazu bekommen, wie sie dann mit dem Piks umgehen können - zum Beispiel die Hand des Elternteiles drücken oder auf jeden Fall nicht die Luft anhalten, sondern ruhig Weiteratmen. Auch Ablenkung kann helfen - zum Beispiel ein Video auf Mamas oder Papas Handy anzugucken oder mit dem liebsten Kuscheltier zu spielen.
Wichtig: Immunisierungen abschließen
Der Schutz von gefährlichen Krankheiten durch Impfung ist gerade für Kinder besonders wichtig, denn deren Immunsystem ist sozusagen noch "in Ausbildung" und daher noch lange nicht so leistungsfähig, wie das von Erwachsenen. Mit einer erfolgreichen Impfung kann nicht nur das eigene Kind - in vielen Fällen ein Leben lang - vor gefährlichen Viren geschützt werden, sondern auch Menschen in seiner Umgebung, zum Beispiel Familie und Freunde. Dieser Schutz kann allerdings nur seine volle Wirkung entfalten, wenn die Impfung auch begonnen und abgeschlossen wird.
Das ist heute auch in Deutschland nicht immer der Fall. Beispiel: Masern. Obwohl gegen das Virus eine Grundimmunisierung in Deutschland deutlich empfohlen wird, erhalten einige Menschen seit Jahren diesen Schutz nicht - etwa ein Prozent der Deutschen verweigert auch die Impfung. Die Folge: Seit Jahren stagniert die Impfquote in Deutschland bei rund 90 Prozent. Mindestens 95 Prozent, so schätzen Experten, müsste sie betragen und zwar in allen Altersgruppen, um das europäische Ziel der Ausrottung von Masern 2020 zu erreichen. Die Impflücken scheinen klein, doch Beispiele, wie der Masernausbruch 2014/2015 in Berlin, bei dem über 1400 Menschen infiziert wurden und ein Kind verstarb zeigen, wie wichtig nicht nur der individuelle, sondern auch der sogenannte Herdenschutz durch Impfungen sein kann.