Dunkelhaarige Frau schaut in Ferne (Bild: unsplash/Kirill Balobanov)
Bild: unsplash/Kirill Balobanov

Interview l PMDS ist nicht immer eine Krankheit - Wenn der Zyklus die Stimmung beeinflusst

Betroffene gelten häufig als neurotisch, zickig oder aggressiv: Frauen mit einer schweren Form des prämenstruellen dysphorischen Syndroms (PMDS). Es entsteht durch ein Ungleichgewicht der Geschlechtshormone nach dem Eisprung. Wie Frauen ein PMDS erkennen und welchen Zusammenhang es zwischen Zyklus und Depressionen gibt, haben wir Expertin Prof. Dr. Stephanie Krüger gefragt.

 

Treten vor allem körperliche Beschwerden vor dem Einsetzen des Eisprunges auf, spricht man von prämenstruellem Syndrom (PMS). Beim prämenstruellen dysphorischen Syndrom (PMDS) dagegen treten auch depressive Verstimmungen auf, die Betroffene zusätzlich sehr belasten können - und die sie oft erst einmal nicht in Verbindung mit dem Zyklus bringen.

Frau Prof. Dr. Krüger, in welchem Zusammenhang stehen PMDS und eine Depression?
 
Die Symptome des prämenstruellen dysphorischen Syndroms ähneln einer depressiven Episode. Der Unterschied zu einer nicht hormonell bedingten Depression ist der, dass sowohl PMS als auch PMDS ausschließlich nach dem Eisprung auftreten und mit Einsetzen der Menstruation wieder verschwinden.
 
Eine depressive Episode, die nicht zyklusbedingt ist, bleibt.

Wie sehen die Symptome genau aus?
 
Gedrückte Stimmung ist das eine, aber was wir viel häufiger sehen, sind Symptome wie Gereiztheit, Unruhe, bis hin zur Aggressivität. Dass man schneller aus der Haut fährt, zum Beispiel die Kinder anbrüllt, sich grundlos vom Ehemann scheiden lassen will und aggressiver Auto fährt.
 
Solche Dinge sind häufiger als die eigentliche Traurigkeit. Hinzu kommen Störungen im Essverhalten, sodass es tatsächlich zu Fressanfällen kommen kann, aber auch Impulsivität und Panikattacken gibt es häufig.

Wird ein PMDS häufig mit einer Depression verwechselt?
 
Die meisten kommen nicht darauf, dass die Veränderungen mit dem Menstruationszyklus verknüpft sind. Daher ist es ratsam, ein Stimmungstagebuch zu führen oder per App täglich sein Befinden einzutragen. Hier können sich Frauen ihre Stimmungskurve anzeigen lassen.
 
Wenn diese sich in der Mitte des Zyklus immer wieder nach unten bewegt und mit Einsetzen der Menstruation die Welt wieder in Ordnung ist, sollte man hellhörig werden.

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Wir erklärt man sich ein PMDS medizinisch?
 
Es ist so, dass mit Einsetzen des Eisprungs das Hormon Progesteron in die Höhe gehen müsste. Bei Frauen mit PMDS tut es das nicht.
 
Progesteron ist ein ganz wichtiges Hormon für unser Gehirn, weil es dort zu einem Helfer der Botenstoffe umgebaut wird. Alle Abläufe im Gehirn, die mit Stimmung, Schlaf und Essverhalten zusammenhängen, werden dadurch beeinflusst.
Wenn nach dem Eisprung zu wenig Progesteron produziert wird, kommt zu wenig im Gehirn an und dann kann man ein PMDS entwickeln.

Was empfehlen Sie Frauen, die ein PMDS haben?
 
Zunächst mal sollten sie sich nicht in eine Neurotiker-Ecke drängen lassen. Das passiert leider immer noch. PMDS wird nicht für voll genommen. Der Hausarzt zuckt mit den Schultern, der Gynäkologe sagt "Da müssen sie durch" und der Psychiater sagt "Sie sind depressiv" und verschreibt ein Antidepressivum.
 
Der hormonelle Zusammenhang ist in Deutschland immer noch nicht ausreichend bekannt und akzeptiert. Wenn eine Frau aber lückenlos anhand einer Stimmungskurve zeigen kann, dass mit Beginn des Eisprungs die Symptome beginnen und mit Einsetzen der Menstruation enden, darf sie sich von solchen Aussagen nicht abschrecken lassen.

Wie können Frauen ein PMDS behandeln?
 
Mit einer Kombination aus Progesteron, Ernährungsumstellung und Sport lassen sich die Symptome sehr gut in den Griff bekommen. Das Progesteron wird meist in Form eines Gels oder in schwereren Fällen einer Kapsel gegeben. Das hilft in den allermeisten Fällen sehr gut.
 
Es gibt immer noch den Mythos, dass die Antibabypille sehr gut helfen soll, das stimmt aber so pauschal nicht. Es kommt darauf an, welches Progesteron darin enthalten ist. Es gibt künstlich hergestellte, veränderte Progesterone, sogenannte Gestagene, die die Depressivität sogar begünstigen können.
Das heißt, wenn man hormonell behandelt, muss es ein sogenanntes bioidentisches Progesteron sein. Das sieht sozusagen chemisch genauso aus, wie das Progesteron, das der weibliche Körper produziert. Auch eine Hormonspirale macht die depressive Symptomatik noch schlimmer.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit einer Behandlung des PMDS mit Antidepressiva?
 
Die meisten Frauen brauchen keine.
 
Wenn man mit den Hormonen nicht weiterkommt oder irrationale Ängste gegenüber einer hormonellen Therapie bestehen, kann man nur in diesem Zeitraum, wo die Symptome da sind, ganz niedrig dosiert ein Antidepressivum am besten in Tropfenform geben.
Das darf man allerdings nicht so hoch dosieren, wie bei einer nicht-hormonell bedingten Depression. Wenn die Menstruation einsetzt, lässt man die Medikation weg.

Sie hatten angesprochen, dass bei Frauen das PMDS gerne ‚abgetan‘ wird. In den USA und Kanada ist es im diagnostischen und statistischen Manual psychischer Störungen offiziell als Krankheit gelistet.
Was müsste sich in Deutschland verändern?

 
Wir haben in Deutschland als Diagnosekriterien für psychische Störungen das ICD-10 und auch in der neuen Version, der ICD-11 ist die PMDS nicht vorgesehen.
 
Auf der anderen Seite muss man sich eines überlegen: Bis zu sieben Prozent der Frauen haben ein schweres PMDS. Will man alle Frauen, die leichtere Verläufe haben, in die Krankheitsecke drücken? Das würde ja bedeuten, dass viele Frauen 14 Tage im Monat angeblich nicht ‚zurechnungsfähig‘ sind.
Heißt das dann, diese Frauen können 14 Tage im Monat keine Ärztin, Pilotin, Journalistin, Lehrerin oder Mutter sein?
 
Die Aufnahme in ein Klassifikationssystem als Krankheit wäre nur für die Frauen sinnvoll, die eine schwere hormonelle Dysfunktion haben, die sie 14 Tage im Monat in ihrer Funktionsfähigkeit stark einschränkt.
Bei den leichteren Verläufen würde ich sagen, es hat keinen Krankheitswert, sondern es handelt sich um eine gut behandelbare Befindlichkeitsstörung.
 
Insgesamt müsste man allerdings viel breiter bei Gynäkologen und Gynäkologinnen, Hausärztinnen und Hausärzten und Psychiatern und Psychiaterinnen die Sensibilität dafür schulen, was bei PMDS passiert.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Prof. Dr. Krüger!
Das Interview führte Laura Will

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