Pilates Figur Halbmond (Quelle: Colourbox)
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Pilates für den Rücken - Schwan und Vierfüßler vs. Rückenschmerz

Wenn der Rücken schmerzt kann jede Bewegung zur Qual werden. Und doch kann gerade Bewegung eine Lösung für viele Rückenschmerzen bieten - wenn es die richtige Bewegung ist. "Walk it off", "Lauf es weg" - an dem angelsächsischen Spruch ist mehr dran, als viele glauben. Und eine neue Studie zeigt nun: Auch Pilates kann viel gegen Kreuzschmerz leisten.

Rückenschmerzen zählen zu den häufigsten Beschwerden in Deutschland: Etwa 80 Prozent leiden mindestens einmal im Leben unter Schmerzen am Rücken und besonders oft ist der Bereich des unteren Rückens betroffen. Laut der Techniker Krankenkasse (TK) war 2017 jeder 11. Fehltag von Beschäftigen Rückenschmerzen geschuldet. Brandenburg liegt bei diesen "rückenbedingten Fehltagen" auf Platz 3 hinter Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt - und das schon seit einigen Jahren. Berlin liegt mit 135 Fehltagen im oberen Mittelfeld, aber ebenfalls über dem Bundesdurchschnitt.

Die mit Abstand häufigste Ursache für Rückenschmerzen ist eine einerseits zu schwache, andererseits zu überlastete Muskulatur - und dabei geht es nicht nur um die Rückenmuskeln selber, sondern auch ihre Gegenmuskeln, z.B. im Bauch, die gerade bei langen Arbeitstagen sitzend im Büro kaum bis gar nicht trainiert werden.  
 
Pilates gilt als schonendes Ganzkörpertraining zur Stärkung von Muskeln und Gleichgewicht und macht zudem vielen Menschen Spaß. Dass das Systemtraining mit den oft eindrucksvollen Körperfiguren aber auch Menschen mit chronischen Rückenschmerzen wieder auf die Sprünge helfen kann, konnte nun eine neue Studie von der Universität Sao Paulo in Brasilien zeigen. Unter zwei Trainingsgruppen reduzierten sich die Schmerzen sogar um die Hälfte.

Ein wenig Pilates - große Wirkung

Die Forscher untersuchten eine Gruppe von 296 Probanden mit unspezifischen chronischen Rückenschmerzen, also dem klassischen Kreuzschmerz. Die Probanden waren überwiegend weiblich und im Schnitt 48 Jahre alt. Die Probanden wurden in vier Gruppen aufgeteilt, von denen eine gar nicht trainierte, die jeweils drei anderen eine, zwei, bzw. drei Stunden pro Woche an Pilateskursen teilnahmen. Ergebnis: Nach sechs Wochen hatten sich die Schmerzwerte der Probanden deutlich verändert, am meisten profitierte die Gruppe, die zwei Stunden in der Woche trainierte. Ein Mehr an Training, wie in der Gruppe mit drei Trainingstsunden/Woche brachte im Vergleich kein Weniger an Rückenschmerzen. Viel hilft also nicht immer viel, wie die Forscher nachweisen konnten.
 
Auch die Einschränkungen durch Rückenschmerz im Alltag nahmen bei der Gruppe mit zwei Stunden Pilates pro Woche am stärksten ab. Die Forscher stellten also eine deutliche Verbesserung von Rückenschmerz durch Pilates fest - aber auch, dass kurzfristige Maßnahmen allein nicht die Lösung sind. Denn spätestens nach 12 Monaten (ohne weiteres Training nach den sechs Wochen Pilates der Studie) waren keine signifikanten positiven Effekte mehr zu messen. Konsequenz: einmalige sportliche Maßnahmen helfen dem Rücken nur kurze Zeit. Die Rückenmuskulatur, ihre Gegenmuskulatur im Bauchbereich und die umgebenden Muskeln brauchen dauerhaft Aufmerksamkeit, um Rückenschmerz effektiv zu bekämpfen.

Hauptsache Bewegung - aber passend zum Schmerz

Wer unter akuten Rückenschmerzen leidet, sucht nach Linderung, zum Beispiel durch Bettruhe. Ein verständlicher Wunsch, doch Experten raten vom Ausruhen dringend ab und empfehlen: in Bewegung bleiben, gerade weil u.a. Bettruhe dazu führen kann, dass die Schmerzen chronisch werden, weil die Muskulatur noch weniger beansprucht wird und immer weiter schwindet. Aber Bewegung muss - gerade in der akuten Schmerzphase - nicht gleich Pilateskurs heißen. Erst einmal geht es darum sich überhaupt weiter zu bewegen, zum Beispiel durch einen Spaziergang. An dem angelsächsischen Spruch "Walk it off", also "Lauf es weg" ist also in der Tat etwas dran.

Der Klassiker, das Joggen, kann hingegen auch Auslöser für Ischiasbeschwerden sein - damit sollten Rückenschmerzgeplagte es also nicht gleich versuchen. Ballsportarten bieten dagegen durch die kurzen Stehpausen im Spielablauf mehr Flexibilität und auch einen leichten Schutz vor Überbelastung. Genau die Überbelastung gilt es zum Wohle des Rückens zu vermeiden - auch nach der Akutphase. Experten raten zu Bewegung, die vor allem ausdauernd und dann regelmäßig ausgeführt wird.
 
Neben dem genannten Pilates mit seinem langsamen, aber effektiven Muskeltraining kann das beispielsweise auch Schwimmen (hier eher Rücken- als Brustschwimmen, wegen der schonenderen Kopfhaltung), Nordic Walking, Tanzen, Yoga oder Fahrrad fahren sein - allerdings sollten Betroffene bei letzterem besonders auf die rückengerechte Einstellung des Fahrrades achten. Sportarten, bei denen besonders die Drehung des Rumpfes gefragt sind oder bei denen die Wirbelsäule oft überstreift wird, sollten Rückengeplagte eher meiden, konkret z.B. Tennis, Hockey oder Bodybuilding.

Wann ist Vorsicht geboten?

Zwar wird gerade der plötzlich einschießende Rückenschmerz häufig durch Anspannung oder einen Krampf in der tiefen, stabilisierenden Muskulatur des Rückens ausgelöst - doch es kann auch etwas anderes dahinter stecken. Wenn der Schmerz bis in die Beine zieht - und besonders bis unterhalb der Knie - sollten Betroffene dringend einen Arzt aufsuchen. Denn dann kann ein Bandscheibenvorfall die Ursache sein:  Dabei reißt die Hülle der Bandscheibe auf und der gallertartige Kern wölbt sich nach außen und drückt auf einen Nerv, meist den nahe gelegenen Ischiasnerv. Obwohl auch in diesem Fall nach der akuten Schmerztherapie oft Bewegungstherapie steht, sollten die genauen Ursachen erst von einem Experten ermittelt und mit ihm dann die weitere Therapie besprochen werden.

First World Problem: Rückenschmerz oft übertherapiert

Schmerzen im Rücken gehören in Deutschland zu den häufigsten Gründen für einen Arztbesuch. Und nicht immer führt das zur bestmöglichen Therapie: Im Dossier Rückenschmerzen im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes, herausgegeben vom Robert Koch Institut, warnen die Verfasser vor dem Risiko der Übertherapie: Das medizinische System komme als Chronifizierungsfaktor infrage, weil die Überdiagnostik, also das immer detailliertere Suchen nach einer medizinischen Ursache, z.B. mit bildgebenden Verfahren, zu einer "somatischen Fixierung" führen könne, also dem Festigen der Vorstellung, dass die Rückenschmerzen doch ernste Ursachen haben müssten.  
 
Ähnliche Beispiele nennt eine Serie des renommierten Fachmagazins The Lancet: demnach würden weltweit Rückenschmerzen viel zu oft mit der Verordnung von Ruhe, Medikamenten oder gar Operationen therapiert, obwohl z.B. die Verordnung von Bewegungsübungen effektiv und die wesentlich weniger eingreifende und aggressive Therapiealternative wäre. In US-amerikanischen Notaufnahmen beispielsweise seien 2009 rund 60 Prozent der über Rückenschmerzen klagenden Patienten Opioide verschrieben worden - diese Medikamente bergen u.a. eine erhöhte Suchtgefahr. Nur der Hälfte der unter sogar chronischen Rückenschmerzen leidenden Patienten seien hingegen Bewegungsübungen verordnet worden. 

Beitrag von Lucia Hennerici

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