Das Totschweigen des Todes
Martin Hövelmann weiß von Fehlern, die man machen kann, wenn man mit Kindern, über dieses Thema spricht, der schwerwiegendste Fehler sei aber überhaupt, nicht darüber zu sprechen: "Der Tod ist allgegenwärtig, trotzdem wird er totgeschwiegen." Und das ist insbesondere dann fatal, wenn die Kinder von selbst fragen und von den Erwachsenen keine Antworten bekommen: "Darauf muss man schon eingehen. Man sollte aber auch seine eigene Unsicherheit eingestehen, wenn man eine Frage nicht beantworten kann."
Im Übrigen sei es immer gut, Gegenfragen zu stellen, etwa: "Was stellst du dir denn vor, was mit dir nach dem Tod passiert?" Und die Antwort, die man dann bekommt, sollte man akzeptieren. Wenn die Jenseitsvorstellung des Kindes beispielsweise darin bestehe, auf einer Wolke zu sitzen und den ganzen Tag Erdbeereis zu essen, gebe es keinerlei Notwendigkeit, ihm das auszureden – zumal, ergänzt Hövelmann lachend: "Wissen wir es besser? Nein! Könnte also sein ..."
Auch vor dem Interesse vieler Kinder an makabren Details wie verrottenden Särgen oder verwesenden Körpern solle man nicht zurückschrecken: "Man könnte darauf hinweisen, dass aus allem, was vergeht, Neues entsteht. Der Sarg und der Körper werden zu Humus, aus dem wiederum Pflanzen wachsen." Allerdings sollte man die grausigsten Aspekte des Todes, wie große Schmerzen oder schwere Verletzungen, ein wenig filtern: "Da kann man sich die Tagesschau als Beispiel nehmen, die über tragische Ereignisse zwar berichtet, aber auf blutrünstige Bilder verzichtet."
Die Trauer der Kinder ernst nehmen
Schwieriger umzusetzen ist diese behutsame Art der Zensur bei Kindern, die selbst betroffen sind, weil sie um einen verstorbenen Angehörigen trauern. Viele Erwachsene versuchen, die Kinder von dem Todesfall vollkommen abzuschirmen. "Damit nehmen sie ihnen aber die Möglichkeit zu trauern." Das äußert sich dann häufig darin, dass die Erwachsenen den Kindern verbieten, mit auf die Beerdigung zu gehen: "Das sollten aber die Kinder entscheiden. Wenn sie wollen, kommen sie mit auf die Beerdigung." Die umgekehrte Variante sei seltener, aber noch bedenklicher: "Das Kind will nicht, wird aber gezwungen. Und wenn es dann auch noch um eine Aufbahrung geht, kann das natürlich sehr traumatisierend sein."
Meist fängt es aber damit an, dass das Kind überhaupt nicht gefragt wird, sondern die Erwachsenen einfach entscheiden. "Viele Erwachsene sprechen Kindern nämlich schlichtweg die Fähigkeit zum Trauern ab." Den Grund dafür vermutet Hövelmann im unterschiedlichen Trauerverhalten von Kindern und Erwachsenen: "Bei den Erwachsenen verläuft die Trauer häufig in aufeinander folgenden Phasen wie Betäubung, Angst und Wut, Einsamkeit, Hilflosigkeit und Verzweifelung und schließlich wiederkehrende Freude. Trauernde Kinder hingegen springen zwischen diesen Empfindungen ständig hin und her." Und diese abrupten Stimmungswechsel könnten Erwachsene häufig nicht nachvollziehen.
Wichtig ist, Kinder bei der Trauerbewältigung zu unterstützen. Man sollte ihnen Wege aufzeigen, ihre Trauer auszudrücken: "Man kann zum Beispiel Luftballons mit Gas füllen, daran Briefe oder Fotos für die Verstorbenen befestigen und sie in den Himmel steigen lassen." Damit bestärke man auch keinesfalls ein naives Jenseitsverständnis: "Das unterscheidet sich nicht so sehr von einem Erwachsenen, der am Grab zu seinem Angehörigen spricht. Es ist nur kindgerecht aufbereitet."