Recht | Beitrag | Lesedauer etwa 2 Minuten - Ausfallhonorar: Wann müssen Patienten zahlen?
Immer mehr Ärzte und Ärztinnen fordern ein Ausfallhonorar. Patienten sollen zahlen, wenn sie nicht zu einem Arzttermin erscheinen. Eine eindeutige Rechtslage fehlt.
Es werden mehr: Ärzte stellen Patienten oder Patientinnen ein Ausfallhonorar in Rechnung, wenn diese nicht wie vereinbart zum Termin erscheinen. Die Begründung lautet: Der Praxis sei wegen des kurzfristig ausgefallenen Termins ein Verdienstausfall entstanden.
Solche Regelungen sorgen immer wieder für Ärger bei Patienten und Patientinnen. Diese müssen oft sehr lange auf einen Arzttermin warten und später im Wartezimmer ausharren. Und sehen deshalb nicht ein, warum sie unter solchen Bedingungen zur Kasse gebeten werden, wenn sie mal einen Termin nicht wahrnehmen können.
Wie ist die gesetzliche Regelung? Und was können Patienten tun, die eine Rechnung über ein Ausfallhonorar bekommen haben?
Ausfallhonorar: Definition und Voraussetzung
Anja Lehmann, juristische Beraterin bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) definiert: "Ein Ausfallhonorar ist eine Gebühr, die ein Arzt (oder anderer Leistungserbringer wie Psychotherapeut, Physiotherapeut, usw.) einem Patienten in Rechnung stellt, wenn dieser einen vereinbarten Termin nicht wahrnimmt oder nicht rechtzeitig absagt." Dafür gelten laut Lehmann folgende Voraussetzungen:
· Es muss sich um eine sogenannte Bestellpraxis handeln, das heißt für den Patienten oder die Patientin wurde ein bestimmter Zeitraum freigehalten, der nicht anders genutzt werden konnte.
· Der Termin wurde gar nicht oder nicht rechtzeitig abgesagt.
· Der Anspruch besteht in der Regel nur, wenn der Behandelnde in dieser Zeit keine anderen Tätigkeiten durchführen konnte.
"Rechtlich handelt es sich hier um einen Annahmeverzug der Patientinnen und Patienten", sagt Stefanie Kahnert von der Verbraucherzentrale Brandenburg. Der Verdienstausfall wird dann anerkannt, wenn es unmöglich für die Praxis war, einen Ersatzpatienten für diesen Termin zu organisieren. Dennoch komme es laut Verbraucherzentrale häufig auf die Umstände des Einzelfalls an, ob ein Anspruch tatsächlich besteht.
Ausfallhonorar: Gesetzliche Regelung unklar
Der eigentliche Rechtsgrund und die Höhe der Erstattung für das Ausfallhonorar, sind in der Rechtsprechung sehr umstritten. Laut Anja Lehmann (UPD), gibt es unterschiedliche Lösungsansätze der Gerichte und zahlreiche unterschiedliche Urteile in ganz Deutschland. Die Urteile widersprechen sich inhaltlich zum Teil. "Eine höchstrichterliche Rechtsprechung, die die unterschiedlichen Ansichten der Gerichte vereinheitlichen würde, ist nicht ersichtlich. Aus diesem Grunde ist eine rechtssichere Aussage, ob ein Ausfallhonorar geltend gemacht werden kann, nicht möglich", sagt Anja Lehmann (UPD).
Ausfallhonorar in Patienten-Formularen und AGB
Manche Praxen haben deshalb bereits Patienten-Formulare oder Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), in denen sie ein Ausfallhonorar fordern, wenn Patient:innen ihren Termin nicht 24 Stunden vorher absagen. Insbesondere in Physiotherapiepraxen ist dies schon Usus. Die Wirksamkeit solcher Regelungen in AGB sei ebenso rechtlich umstritten, sagt Stefanie Kahnert von der Verbraucherzentrale. Die deutschen Gerichte hätten auch hier unterschiedliche Ansichten dazu, wann eine Klausel Patientinnen und Patienten unangemessen benachteilige. Ein wegweisendes Urteil des Bundesgerichtshofes fehle bislang.
Das Landgericht Berlin hat eine Klausel zu einem Ausfallhonorar in einem Urteil von 2005 (Az. 55 S 310/04) als unwirksam bewertet, wenn sie keine Ausnahme als Entlastungsmöglichkeit für ein unverschuldetes Erscheinen vorsieht. Entlastend wäre, wenn der Patient oder die Patientin für die kurzfristige Absage einen nachvollziehbaren Grund vorweisen kann. Dazu könnten beispielsweise eine akute Erkrankung, ein Unfall oder ein Bahnstreik zählen. "Andere Gerichte wiederum gehen nicht davon aus, dass es einer Entlastungsklausel bedarf", sagt Stefanie Kahnert.
Wie hoch darf die Ausfallgebühr sein?
Laut Lehmann (UPD) wird auch die Höhe des Ausfallhonorars von den Gerichten unterschiedlich beurteilt und reicht von einer angemessenen Pauschale bis hin zu dem Betrag, den der Arzt oder die Ärztin durch die Behandlung hätte verdienen können, wobei er oder sie andere Einnahmen gegenrechnen muss. Allgemeingültige Aussagen ließen sich hier nicht treffen.
Was können Patienten tun, die eine Zahlungsaufforderung bekommen?
Patient:innen, die eine Rechnung über ein Ausfallhonorar erhalten haben, können sich bei der UPD oder bei der Verbraucherzentrale beraten lassen. "Die Verbraucherzentralen können eine rechtliche Ersteinschätzung vornehmen – Patientinnen und Patienten müssen dann entscheiden, ob sie die Zahlung begleichen wollen oder nicht. Es besteht ein Prozesskostenrisiko, wenn es zum Streit vor Gericht kommt", sagt Stefanie Kahnert. Die Unabhängige Patientenberatung empfiehlt generell:
· Der Patient oder die Patientin kann Kontakt mit der Praxis aufnehmen und die Situation und die genauen Umstände des Nichterscheinens erläutern.
· Der Patient kann versuchen, mit der Praxis eine Einigung zu erzielen. Gegebenenfalls ist eine Reduzierung des Ausfallhonorars im beiderseitigen Interesse. Dadurch wird das Arzt-Patientenverhältnis nicht gestört. Außerdem wird ein Mahnverfahren mit ungewissem Ausgang für beide Seiten vermieden.
· Die Patientin kann den Arzt nach der rechtlichen Grundlage für die Geltendmachung des Ausfallhonorars fragen.
· Auch sollte der Patient klären, ob er eine Vereinbarung unterschrieben hat. Wenn er sich nicht sicher ist, kann er Einsicht in seine Patientenakte vornehmen, dort muss die Vereinbarung abgelegt sein.
"Wenn der Patient der Ansicht ist, dass die Praxis zu Unrecht ein Ausfallhonorar verlangt, kann er auch schriftlich Widerspruch gegen die Rechnung einlegen. Wenn der Behandelnde aber weiterhin auf Zahlung besteht, landet die Sache voraussichtlich irgendwann vor Gericht. Dann muss ein Richter entscheiden, ob der Behandelnde Anspruch auf das Ausfallhonorar hat, oder nicht. Hierbei sollte der Patient berücksichtigen, dass durch dieses Vorgehen das Vertrauensverhältnis zum Behandelnden zerstört werden dürfte und dieser aufgrund dessen den Behandlungsvertrag kündigen kann", sagt Anja Lehmann (UPD).
Vorbeugend: Ausfallhonorar verhindern
Generell rät die Verbraucherzentrale dazu, Termine möglichst frühzeitig abzusagen. Die Absage sollten Patienten und Patientinnen möglichst schriftlich - beispielsweise in einer Mail - tätigen, damit eine Beweisführung möglich ist.
Noch besser ist es, einen Termin zu verschieben: Ein Termin, der einvernehmlich verschoben wurde, unterliegt gesetzlich nicht den Voraussetzungen eines Ausfallhonorars. Auch wenn die Praxis keinen anderen Patienten oder keine andere Patientin für diese Zeit gewinnen kann, besteht in diesem Fall kein Ersatzanspruch gegen den Patienten mehr.
Warum fordern Arztpraxen ein Ausfallhonorar?
Hintergrund dieses Streitpunktes ist, dass angeblich immer wieder Patienten und Patientinnen unentschuldigt nicht zum Termin erscheinen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat dazu 2023 eine Online-Umfrage bei Arztpraxen gemacht. 70 Prozent der Befragten antworteten, dass sie Probleme mit Patienten hätten, die ihre Termine nicht absagten. Über 40 Prozent der betroffenen Praxen beklagten, dass fünf bis zehn Prozent aller Termine von den Patienten und Patientinnen nicht wahrgenommen würden, ohne abzusagen. Insbesondere für Terminpraxen ist das schwierig zu regeln, weil dann finanzielle Lücken im Tagesplan entstehen.
Wenn ein Patient nicht behandelt wird, bekommt die Praxis für die Zeit, in der der Patient eingeteilt war, kein Geld. Noch schwieriger ist das Verhältnis, wenn eine Praxis eine aufwendige Untersuchung oder OP für einen Patienten vorbereitet hat und dieser dann nicht erscheint. Die entstehenden Kosten für solch einen Ausfall sind groß.
Ein Beitrag von SUPER.MARKT, 28.10.2024.