Gesundheit | Beitrag | Lesedauer etwa 2 Minuten - Individuelle Gesundheits-Leistungen: Teuer, aber auch hilfreich?
Ärzt:innen empfehlen gerne Untersuchungen, für die wir Patienten selbst in die Tasche greifen müssen, sogenannte IGeL. Geht es dabei um die Gesundheit - oder ums Geld?
Individuelle Gesundheits-Leistungen (IGeL), das sind ärztliche Untersuchungen, die nicht von den Krankenkassen übernommen werden und deshalb aus eigener Tasche zu zahlen sind. Dazu zählen etwa Ultraschall-Untersuchungen der Eierstöcke und der Gebärmutter zur Krebsfrüherkennung oder auch Laser-Netzhautuntersuchungen zur Glaukom-Früherkennung.
Nach einer Umfrage im Auftrag des Medizinischen Dienstes (MD), dem Begutachtungsdienst der gesetzlichen Krankenkassen, geben wir Bundesbürger dafür jährlich rund 2,4 Milliarden Euro aus. Das Problem: Diese Leistungen hätten oft keinen nachgewiesenen Nutzen, so der MD-Vorsitzende Stefan Gronemeyer. Mitunter drohten sogar folgenschwere falsch-positive Ergebnisse, die den Betroffenen schaden könnten.
Das Marktforschungsinstitut Forsa hatte im Auftrag des Medizinischen Dienstes mehr als 2.000 Patientinnen und Patienten im Alter zwischen 18 und 80 Jahren befragt, um einen Überblick über die Nutzung der Angebote zu bekommen.
Schaden oder Nutzen?
Nehmen wir das Beispiel der von der Patientin finanzierten Ultraschall-Untersuchungen der Eierstöcke und der Gebärmutter zur Krebsfrüherkennung. Sie ist laut MD eine der häufigsten genutzten IGel. Dabei sei der mögliche Schaden größer als der Nutzen, so Gronemeyer. Nach seinen Worten drohen durch unklare Ergebnisse weitere Behandlungen bis hin zu einer unnötigen Entfernung der Eierstöcke. Gleichzeitig gebe es keinen Beweis, dass das Risiko einer Krebserkrankung durch diese Untersuchung verringert werde.
Ähnlich sehe es bei weiteren gefragten IGeL-Angeboten aus, etwa den Augeninnendruckmessungen gegen den grünen Star (Glaukom) sowie dem PSA-Bluttest zur Früherkennung von Prostatakrebs. Zwei Untersuchungen, bei denen nach Einschätzung der MD-Experten das Risiko von Fehlalarmen und unnötigen Behandlungen größer sei als der medizinische Nutzen.
Könnte eine 14-tägige Bedenkzeit helfen?
Nur jeder vierte Versicherte gab in der Befragung an, gut über die angebotenen Leistungen informiert worden zu sein.
Diese Zahl sei "alarmierend", so das Urteil des Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Stefan Schwartze. Doch wie könnte man die Leistungen sinnvoller anwenden? Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) schlägt vor, dass Ärzt:innen dazu verpflichtet werden, Patienten im Beratungsgespräch neutrale, standardisierte Informationsblätter
auszuhändigen. Und die Stiftung Patientenschutz fordert sogar eine verpflichtende 14-tägige Bedenkzeit: "Überrumpeln und Ängste zu schüren, sind Bestandteil dieses Geschäftsmodells", so Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung.
Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, sieht einen Zusammenhang zwischen den Selbstzahler-Leistungen und den immer längeren Wartezeiten auf einen Arzttermin: "Wenn ein Facharzt seine Zeit mit Schönheitsbehandlungen oder fragwürdigen Vorsorgeuntersuchungen ohne wissenschaftlich belegbaren Nutzen verbringt, fehlen eben Kapazitäten für die vertragsärztliche Versorgung."
Ein Beitrag von SUPER.MARKT mit Material von DPA, 03.12.2024.