Barsche, die mit Licht bestrahlt wurden (Quelle: BR)
Bild: BR

TALKING SCIENCE vor Ort am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) - "Fische haben keine Augenlider."

Schwimmen wir im Sommer in einem der Berliner oder Brandenburger Badeseen, machen wir uns oft gar keine Gedanken darüber, was unter uns so schwimmen könnte. Dabei gehört das Wasser ja ihnen: den Fischen. Man sollte jedoch weniger Angst vor ihnen haben, sondern vielmehr um sie. Wir Menschen setzen den Wasserbewohnern ganz schön zu. Wodurch Fische in Gefahr geraten, darüber hat rbb wissen-Moderator Sven Oswald mit zwei Fischforscherinnen gesprochen.

Franziska Kupprat (Quelle: rbb/ Annika Klügel)
Ohne Dunkelheit keine Fortpflanzung

Was nachts unsere Straßen und Gebäude erhellt, bringt den Hormonhaushalt der Fische durcheinander. "Fische haben keine Augenlider", sagt Franziska Kupprat. Sie ist Doktorandin und forscht am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) zum Thema Lichtverschmutzung.

Licht in Berlin (Quelle: BR)

Ein ernstes Problem, denn diese nimmt ständig zu. Die Nächte auf der Erde werden immer heller. Besonders drastisch ist diese Entwicklung in Ballungsräumen rund um Großstädte. Eine Stadt wie Berlin leuchtet viermal heller als der Mond und alle Sterne zusammen.

Die Helligkeit wirkt auf Nachtfalter und Vögel, hat aber auch dramatische Auswirkungen auf Fische. Im Laborversuch haben Forscher des IGB Barsche nachts mit Licht bestrahlt – mit einer Helligkeit, die auch in Städten herrscht. "Im Dunkeln wird Melatonin produziert", erklärt Franziska Kupprat. Dieser wichtige Botenstoff kurbelt im Körper der Fische die Produktion von Geschlechtshormonen an. Bestrahlte Fische produzieren deutlich weniger Melatonin. Sowohl bei weiblichen als auch bei männlichen Tieren sank dadurch die Fortpflanzungsfähigkeit.

Lichtverschmutzung vom Weltall aus gesehen (Quelle: BR)
Umgang mit Licht muss bedacht werden

Das nächtliche Licht ist mitnichten nur ein städtisches Problem. "Ganz viel von dem Licht, das wir nachts produzieren, wird nicht nur auf die Oberfläche gebracht, wo wir es brauchen, sondern wird auch nach oben gestrahlt", so Franziska Kupprat. Dadurch entstehe der sogenannte "Skyglow" – ein Himmelsleuchten, das noch im Umkreis von hunderten Kilometern um eine Stadt den Himmel erhellt.
 
Abhilfe schaffen könnten spezielle Straßenlaternen, deren Lichtstrahlen nur nach unten gerichtet sind. Auch ein bedachterer Umgang mit Licht könne laut Franziska Kupprat helfen.  Zu viele Gebäude würden nachts beleuchtet werden. "Ein ganz berühmtes Beispiel ist der Fernsehturm auf dem Alexanderplatz. Der wird nachts angestrahlt, damit es gut aussieht.", sagt Franziska Kupprat. "Aber ganz viel von dem Licht, das zum Anstrahlen genutzt wird, wird einfach in den Weltraum geschossen."
 
Barsche sind in unserer Region weit verbreitet und sehr anpassungsfähig. Noch sind sie keine bedrohte Art.

Stör im Becken (Quelle: rbb/ Judith Rhode)
Bedrohte Fisch-Giganten

Ganz im Gegensatz dazu der Stör. Dieser Fisch war einst in der Oder heimisch. Sein Kaviar – also die Eier der Weibchen – gilt als Delikatesse. Deshalb wurden die Tiere so lange gejagt, bis sie verschwunden waren. Weltweit sind alle Störarten vom Aussterben bedroht.

Christin Höhne (Quelle: rbb/Annika Klügel)

Den Stör hier wieder heimisch zu machen, das ist das Ziel von Christin Höhne. Sie ist ebenfalls Doktorandin am IGB in Berlin und ist von den riesigen Fischen fasziniert: "Der Stör besiedelt schon seit Urzeiten unseren Planeten." Bis zu acht Meter lang können die größten Exemplare werden. Störe gehören zu den Wanderfischen, das heißt, sie schlüpfen im Flusswasser und wandern dann ins Meer. Sind sie geschlechtsreif, kehren sie an ihren Geburtsort zurück, um ihre Eier abzulegen. Doch das ist nicht so einfach, so Christin Höhne: "Wenn Dämme gebaut oder Flüsse begradigt werden, dann greifen wir sehr stark in das Wanderverhalten der Störe ein." Der Weg zu ihrem Geburtsort wird den Tieren damit oft versperrt.  

Junngstöre in einem Aufzuchtbecken (Quelle: rbb)
Wiederansiedlung in der Oder

Am IGB versuchen Forscher, den Stör wieder in Brandenburg anzusiedeln. In einer Aufzuchtstation nahe Angermünde werden jedes Jahr Jungstöre in die Oder entlassen. Aber erst in etwa zehn Jahren werden die Forscher wissen, ob ihre Mühen erfolgreich waren. So lange dauert es, bis Störe geschlechtsreif werden.

Flusslandschaft der Oder (Quelle: rbb)

So viel Zeit will Christin Höhne mit ihrer Forschung nicht verstreichen lassen. Ihr Ziel ist es, Haltung und Zucht von Stören zu optimieren. Lässt sich Kaviar legal gewinnen und verkaufen, könnte dadurch der Schwarzmarkt für Störkaviar ausgetrocknet werden und viele Fische könnten überleben. Momentan pflanzen sich die Fische in Gefangenschaft aber noch nicht gut fort. Besonders schwierig: Von außen lässt sich nicht erkennen, ob ein Tier männlich oder weiblich ist. Bisher mussten die Störe gefangen und betäubt werden. Erst eine Biopsie – eine Gewebeprobe mit einer Hohlnadel – bringt Klarheit. Aber dieser Eingriff ist für die Störe purer Stress. Christin Höhne sucht daher nach einem Verfahren, das Geschlecht der Tiere durch eine kleine Flossenprobe genetisch zu bestimmen.

Aussetzen von Jungstören in der Oder (Quelle: rbb)

Sind Weibchen und Männchen einmal identifiziert, müssen die Tiere noch "synchronisiert werden", so Christin Höhne. Das bedeutet, ihr Hormonhaushalt muss aufeinander abgestimmt werden. Nur so können gleichzeitig Eier und Samen gewonnen werden. Eine schweißtreibende Arbeit, denn die Eier müssen den weiblichen Stören aus dem Bauch herausmassiert werden. Bis zu fünf Kilogramm können dabei pro Fisch zusammenkommen. Auf die Eier wird der Samen der männlichen Störe gegeben. Tausende Jungstöre entstehen so, die vielleicht den Bestand ihrer Art sichern. Ein gigantischer Aufwand für die Fisch-Giganten. Aber nur so können sie davor bewahrt werden, ganz aus unseren Gewässern zu verschwinden.

Beitrag von Judith Rhode