CIA-Chef Jeremy Redman (Ulrich Thomsen) verkündet: Die Mauer ist offen! (Bild: ARD/rbb/Volker Roloff)
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Wendezeit - Vorwort

Volker Herres, Programmdirektor Erstes Deutsches Fernsehen.
Bild: ARD/Herby Sachs

Volker Herres, Programmdirektor Erstes Deutsches Fernsehen

Rasanter kann es kaum losgehen: Ein vorgetäuschter Migräneanfall während der Geburtstagsfeier ihres Mannes in West-Berlin verschafft der Doppelagentin Saskia Starke die Zeit, um in ihr anderes Ich, Tatjana Leschke, zu schlüpfen, nach Ost-Berlin zu fahren und einen Maulwurf zur Rede zu stellen. Die Situation läuft völlig aus dem Ruder, und am Ende liegt ein Mann tot am Boden. Saskia entkommt der anrückenden Volkspolizei, kehrt, als wäre nichts geschehen, in ihre Zehlendorfer Villa zurück, wo die Party noch voll im Gange ist.

"Wendezeit" ist ein Agententhriller par excellence, aber noch mehr als das: Der Film erzählt eine spannende und auch berührende Geschichte um Identität und Ideologie, eingebettet in die Ereignisse um den Mauerfall am 9. November 1989. Dass dies so überzeugend gelingt, ist dem herausragenden Ensemble zu verdanken. Allen voran Petra Schmidt-Schaller, die Saskia/Tatjana verkörpert: Sie lässt die Zuschauerinnen und Zuschauer die Zerrissenheit zwischen ihrer Arbeit als DDR-Spionin und ihrer Familie, die der Tarnung dient, aber auch längst emotionales Zentrum ist, in jeder Szene spüren.

Bedroht ist die Existenz der Protagonistin in dieser Zeit des Umbruchs durch Mikrofilme, auf denen unter anderem die Klarnamen der Inoffiziellen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit festgehalten wurden und die dann später als "Rosenholz-Dateien" berühmt wurden. Geraten diese Informationen in die Hände der CIA, ihrem Arbeitgeber auf der westlichen Seite des Eisernen Vorhangs, ist eine Anklage wegen Hochverrats garantiert.

"Das Thema Rosenholz hat, seit es bekannt ist, schon immer auch viel Phantasien freigesetzt, es klingt ja auch ein bissel nach James Bond", so Marianne Birthler, ehemalige Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Dem Team von "Wendezeit" – der Autorin, dem Regisseur, der Produzentin und den Redakteurinnen des rbb und der ARD Degeto – ist es gelungen, einen über 120 Minuten fesselnden Film zu realisieren, der die Gratwanderung zwischen Phantasie und historischer Realität perfekt meistert.

Martina Zöllner, Film- und Kulturchefin des Rundfunk Berlin-Brandenburg (Bild: rbb/Thomas Ernst)
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Martina Zöllner, Doku- und Filmchefin des rbb

Der Kalte Krieg, der mit dem Fall der Mauer 1989 sein Ende fand, war auch ein Krieg der Agenten des kapitalistischen Westens und des kommunistischen Ostens. Mit schrankenlosem Ehrgeiz gingen die gut organisierten östlichen Geheimdienste vor. Bis heute gilt die HVA, die Hauptverwaltung Aufklärung, des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit unter der langjährigen Leitung des von Moskau protegierten Markus Wolf als einer der effizientesten Auslandsnachrichtendienste des letzten Jahrhunderts. Ca. 10.000 Inoffizielle Mitarbeiter hatte die HVA im Inland, etwa 2000 "Quellen" im Ausland; die Machtzentren der Bundesrepublik waren von ihnen durchsetzt. Eine von ihnen schrieb die Geschichte der Bundesrepublik um: Günter Guillaume. Seinetwegen trat Willy Brandt 1974 als Bundeskanzler zurück. Mit dem Fall der Mauer drohten die HVA-Agenten in aller Welt aufzufliegen; schon im Oktober 1989 begannen die "Aufklärer" daher, ihre eigenen Akten zu vernichten.

Vor dem Hintergrund dieses Szenarios spannt Drehbuchautorin Silke Steiner ihre Geschichte auf: Die Geschichte der DDR-Agentin Tatjana Leschke, gespielt von Petra Schmidt-Schaller, die unter dem Namen Saskia Starke in West-Berlin in der amerikanischen Botschaft arbeitet – und die ebenso für die CIA spioniert.

Eine erfundene Figur, doch inspiriert von wahren Begebenheiten und das Ergebnis intensiver Auseinandersetzung der Autorin mit den Lebensläufen und Karrieren vieler DDR-Agentinnen und -Agenten, die in militärischen Kaderschmieden ausgebildet wurden, um im Operativen perfekt zu agieren. Regisseur Sven Bohse lässt die unübersichtliche, aufgeregte Zeit des Herbstes 1989 in atmosphärisch dichten Bildern wiedererstehen. Während der Arbeit an "Wendezeit" waren wir immer wieder erstaunt: Was anmutete wie aus dem Klischeekasten eines Agententhrillers, erwies sich als reales Werkzeug oder wahres Detail, bis hin zu den vergifteten Handschuhen, die im Film an einer gewissen Stelle eine Rolle spielen.

Das Erste wird sich im Übrigen auch journalistisch ausführlich mit dem Thema beschäftigen: In der Sendung "Maischberger" im Anschluss an den Film und in der zweiteiligen Dokumentation von rbb und MDR "Inside HVA – Ein deutscher Dienst im Kalten Krieg" von Daniel und Jürgen Ast, die am 2. und 9. Dezember 2019 ausgestrahlt wird.

Pressedossier