Ralf (Felix Kramer) und Johannes (Ronald Zehrfeld) auf dem Fahrrad mit Maik. (Bild: rbb/Frédéric Batier)
Ralf (Felix Kramer) und Johannes (Ronald Zehrfeld) auf dem Fahrrad mit Maik. | Bild: rbb/Frédéric Batier

Warten auf'n Bus - Produktionsnotizen: 3 Fragen an Drehbuchautor Oliver Bukowski

Wie würden Sie die beiden Hauptprotagonisten Hannes und Ralle beschreiben?

Halb Ost, halb West. Zwei von denen, die 1989 die Biografie in der Mitte zerteilte und die nicht zu den Wende-Winnern zählen. Sie sind Freunde, haben also immerhin noch einander, sonst aber nicht mehr viel. Politisch bestellt und nicht abgeholt, sind sie mal klug, mal naiv, aber bei allem noch so viel Mensch, nicht brutal und blöde zu werden. Insofern sind sie mal nicht der Ossi, wie er gerade durch die Medien tobt.

Gab es Themen, die Ihnen beim Schreiben der Bücher besonders auf der Seele brannten?

Ich schreibe nur mit vorgehaltener Waffe oder bei drohendem Mietrückstand thematisch nach Zahlen oder Vorgabe und musste das hier auch nicht. Wenn die beiden miteinander reden, sind das also nicht sokratische Dialoge, wo sie das Für und Wider eines Sachverhaltes rückstandsfrei klären, sondern Gespräche. Und die springen nun mal frei von einem zum anderen, vor und zurück. Mitten in einem Gedanken drängt schon der nächste nach. Man unterbricht sich, wird durch ein Wort oder eine Formulierung animiert und weiter geht’s in anderer Richtung. Hören Sie in einem Café in das Gespräch am Nebentisch und Sie zählen bis zu acht Themenwechsel. Pro Minute! Und trotzdem wird es nicht dumm und beliebig. Meistens jedenfalls. Meinungen, Hörensagen, Klatsch, Paschkes Twitter-Tweed, die Meldung der Abendnachrichten oder eben Ackermanns letzte Lesefrucht - das, was wirklich wichtig ist, stemmt sich schon selber seinen Raum. Und hier, im Rückblick auf die acht Folgen, waren das wohl der heraufziehende Faschismus und die Liebe in ihren nachlassenden Möglichkeiten, dicht gefolgt von der Frage, was der Mensch "an sich" ist und ob Ralle und Hannes da noch mithalten können, und auf Platz 1 der ewigen Bestenliste: ob Frau Kathrin Stoklosa ein oder zwei Pausenzigaretten raucht, bevor sie mit dem Bus weiter muss.

Im Theater ist es nicht ungewöhnlich, wenn ein Werk vorwiegend aus Dialogen besteht, aus einem Wortwechselspiel der Protagonisten. Wie lässt sich das auf eine Serie übertragen?

Hier folgt die Form dem Inhalt. Wenn man keine Arbeit mehr hat, die Frauen mit den Kindern weggezogen sind und rings keine Kneipe oder Kirche, kein "Konsum" (die Ladengeschäfte des Ostens), nicht mal mehr die  Tanke vorhanden ist, dann kann es passieren, dass sich der Alltag recht eng ritualisiert, um nicht ganz und gar leer zu laufen und in Alkohol, Fernsehen, Irrsinn oder Depression zu versacken. Kleine Gänge und Selbstbeschäftigungen. Man kommt auf den Hund oder den Kleingarten, geht ein paar Schritte, sitzt auf einer Parkbank, guckt, atmet. Gut für den, der noch jemanden hat, denn sonst wird es still. Einsamkeit ist in der hochentwickelten Neoliberale ein solches Massenphänomen, dass die Briten schon ein ganzes Ministerium dagegen installiert haben (die SPD will hierzulande zumindest einen Regierungsbeauftragten). Hart alltagsrealistisch hieße das aber für das Serienformat: 30 Minuten schweigen, starren, seufzen … Es ist also nicht nur für jeden der beiden eine Gnade, wenn da noch jemand in der menschenleeren Pampa hockt und redet, sondern auch für uns als Fernsehpublikum. Der viele Dialog hat in diesem Fall aber nichts mit dem Theater oder mit irgendwelchen artifiziellen Überlegungen zu tun, sondern mit der Not der realen Situation. Wenn sie verstummen, wars das.

Drehbuchautor Oliver Bukowski

Oliver Bukowski studierte Philosophie und ist freiberuflich Autor vor allem für Film, Hörfunk, Bühne. Für seine Werke erhielt er u. a. den Gerhart Hauptmann Preis, den Deutschen Jugendtheaterpreis, den Mülheimer Dramatikerpreis und 2019 den Theaterpreis Lausitzen. Seit dem Kurzfilm "Chiquita forever" (2002, FSK-Prädikat besonders wertvoll) arbeitet Oliver Bukowski mit Anne-Katrin Hendel zusammen (It Works! Medien GmbH). Er schrieb auch die Drehbücher zu den Filmen "Alle, Alle" (2007) und "Bis zum Horizont und weiter" (1999), der 2001 für den Grimme-Preis nominiert wurde. Gemeinsam mit Jürgen Hofmann leitete er den Studiengang "Szenisches Schreiben" an der Universität der Künste Berlin (1999-2011). Neben seiner Autorentätigkeit ist Oliver Bukowski derzeit Dozent am Drama-Forum Graz "uniT" und an der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg.

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