10 Jahre PlusBus in Brandenburg - Ein ÖPNV, der "jedem Landkreis gut zu Gesicht" steht

Di 23.04.24 | 19:33 Uhr | Von Hanno Christ
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Illustration: 10 Jahre PlusBus in Brandenburg. (Quelle: rbb)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 23.04.2024 | Markus Woller | Bild: rbb

2014 ging der PlusBus erstmals in Brandenburg an den Start. Die Macher feiern das Projekt als großen Erfolg. Doch es gibt noch Luft nach oben, sagen auch die Fans. Und ob Autofahrer damit zu Busnutzern werden, ist fraglich. Von Hanno Christ

  • Mittlerweile 43 PlusBus-Linien in Brandenburg
  • Zahl der Fahrgäste hat sich mehr als verzehnfacht
  • Linien in allen Landkreisen bis auf Oberspreewald-Lausitz
  • Auslastung und Nachfrage regional unterschiedlich

Gerade noch abgehetzt zu später Stunde die verspätete Regionalbahn bekommen, am Zielbahnhof nur noch die Rücklichter des abfahrenden Busses gesehen, beim Blick auf den Fahrplanaushang festgestellt, dass gerade die letzte Bus-Verbindung ins Dorf davongerollt ist.

Allzu oft war das Alltagsfrust im Brandenburger Nahverkehr. Vor zehn Jahren machte sich der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) daran, solche nervigen Erlebnisse zu reduzieren, wenn nicht sogar zu verhindern und kopierte eine Idee vom Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV), den sogenannten PlusBus.

Das Versprechen: Verlässliche Taktung, engere Verzahnung mit der Bahn

Für das Autofahrerland Brandenburg trat dann ein kleines ÖPNV-Wunder ein: Anders als bislang sorgte der PlusBus für eine verlässliche Taktung und Verzahnung mit dem Angebot der Bahn, wartete notfalls auf Fahrgäste eines Zuges und fuhr nicht stur nach Fahrplan zum nächsten Ziel.

Fortan konnten Fahrgäste zügig auf direktem Linienweg von einem Ort in den anderen rollen, ohne zahllose Stopps erdulden zu müssen. Das Bus-Angebot wurde mit Ferienbeginn nicht schlagartig ausgedünnt, sondern wurde einfach aufrechterhalten, auch wenn mal nicht so viele Schüler zu befördern waren. Und sogar am Wochenende fuhr der Bus. Mobil sein ohne Auto wurde mit dem PlusBus auch für Menschen in ländlichen Regionen wieder greif- und erreichbar.

Überwindung kleinteiliger Strukturen im Land

Wer in großen Städten wie Berlin wohnt, der weiß meist nicht, wie kleinteilig die Verkehrsinfrastruktur in Flächenländern wie Brandenburg organisiert ist. Dass etwa jeder Landkreis für seine Verkehre zuständig ist und dass es vom Miteinander der Behörden abhängen kann, ob man ohne Umstieg mit einem Bus über die Grenze eines Landkreises fahren kann - oder eben nicht.

Mit dem Projekt PlusBus überwand sich der teils bürokratische ÖPNV-Flickenteppich selbst: Landkreise, VBB und das Land arbeiteten Hand in Hand. Wichtiger Faktor: Das Land unterstützte die Kreise mit 40 Cent je gefahrenem Buskilometer und nahm den Kreisen damit finanzielle Lasten – und so wohl auch viele Bedenken – von den Schultern. Dass Busse anders als in Berlin auf dem dünnbesiedelten Land mehr leer als voll unterwegs sind, ist derzeit ein Preis, den Regierung und Kreise zu bezahlen bereit sind.

Zahl der Fahrgäste hat sich mehr als verzehnfacht

In den zehn Jahren seit Einführung des ersten PlusBusses in Brandenburg ist viel passiert: Fahrgäste loben das Angebot als unkompliziert, sauber, verlässlich und vergleichsweise günstig. Wer ein Deutschlandticket hat, kann einfach einsteigen. Die Vorteile haben sich offenbar rumgesprochen: Die Zahl der Fahrgäste ist von 770.000 im ersten Jahr 2014 auf 10,2 Millionen 2023 gestiegen. PlusBus-Linien gibt es mittlerweile bis auf Oberspreewald-Lausitz in allen Landkreisen. [vbb.de]

Die Landesregierung hatte sich vorgenommen die Zahl der Linien auf 50 zu erhöhen. Bislang sind es 43. Allerdings fällt das Angebot sehr unterschiedlich aus. In manchen Kreisen verkehren bis zu zehn PlusBusse, in anderen nur einer.

VBB: Angebot überzeugt noch nicht zum Umstieg vom Auto

Die insgesamt starke Nachfrage hat selbst die Projektentwickler beim VBB überrascht. Hans-Jürgen Hennig war so etwas wie der PlusBus-Geburtshelfer beim Verkehrsverbund, mancher nennt ihn den "Godfather of PlusBus". "Dass wir über zehn Jahre solche Fahrgaststeigerungen und vor allem Kundenzufriedenheit haben, das hätten selbst wir nicht erwartet", sagt er.

Hennig sieht aber auch, dass noch Luft nach oben ist. "Der große Wurf im ländlichen Raum ist noch nicht eingetreten, dass etwa Leute vom Auto umsteigen. Da ist der Preis nicht ausschlaggebend, sondern das Angebot." In Stadtnähe sei das Angebot "eine andere Welt", im ländlichen Raum die Zahlen zuweilen auch "deprimierend".

Touristiker wünschen sich mehr Busse am Wochenende und Fahrradmitnahme

Auch Angelika Hermann kennt die leeren Busse im ländlichen Raum nur zu gut. Gerade am Wochenende seien es nur wenig Fahrgäste. Scherzhaft spricht sie von "Luftbussen". Trotzdem sei sie mit dem Angebot "sehr zufrieden". Hermann ist Vorsitzende des Tourismusvereins Kloster Lehnin, Station einer PlusBus-Linie im Kreis Potsdam-Mittelmark. Die Leere mancher Busse würde sie gerne nutzen, um beispielsweise Fahrräder transportieren zu können. Bislang ist das nicht erlaubt.

Als Touristikerin wünscht sie sich mehr nachhaltigen Verkehr und ein besseres Bus-Angebot an Wochenenden. Davon könnten Kulturveranstaltungen am Abend profitieren. "18:22 Uhr fährt bei uns der letzte Bus. Da hat das Konzert noch nicht mal angefangen", kritisiert sie. Besucher aus Berlin, Potsdam oder Magdeburg kämen dann doch wieder mit dem Auto anstatt mit Bahn und Bus.

Infrastrukturminister: Müssen Landesförderung neu diskutieren

Versprechungen kann Brandenburgs Verkehrsminister Rainer Genilke (CDU) keine machen. Zumindest die Mitnahme von Fahrrädern werde geprüft. Sie dürfe aber nicht zu längeren Wartezeiten führen. Auch eine höhere Förderung durch das Land müsse in der nächsten Legislatur diskutiert werden.

Die PlusBus-Ergebnisse seien für ihn überzeugend. "Wenn wir ÖPNV so gestalten wollen, dass man auf die Idee kommt, sein Auto stehen zu lassen, dann ist es genau dieser ÖPNV mit dem PlusBus", so Genilke. "Das steht jedem Landkreis gut zu Gesicht."

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 23.04.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Hanno Christ

15 Kommentare

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  1. 15.

    Der Bus ist ja auch nur die allerletzte Alternative: nach dem eigenen oder geteilten Pkw, nach dem eigenen Fahrrad und nach der Bahn.
    Wenn ein Bundesland kein Geld für Neue und bestehende Bahnstrecken ausgeben möchte - wird der Ruf Bus, der Plus Bus, oder der Kommt gar nicht Bus, hochgelobt.
    So ein Bus, fährt dann von 12 bis Mittag und am Samstag/Sonntag/Feiertag noch weniger.
    Aber bei Strecken bis 30 oder 35 Minuten wunderbar oder zumindest zum aushalten und ab 35 Minuten, einfach zum Davonlaufen (bzw. zum Ko...n)

  2. 14.

    >""abgehängten" Orten ansehen! Einfach katastrophal."
    Als abgehängten Ort sehe ich kleine Dörfer mit vielleicht 100 Leuten fern in der Fläche. Da ist logisch, dass hier nicht ein dichtes ÖPNV Netz anliegt. Außer das Dorf hat Glück und liegt an einer nachgefragten ÖPNV Linie. ÖPNV muss sich relativ auch lohnen. Wegen 10 Leuten am Tag fährt kein Bus stündlich. Selbst wenn es andere Lösungen wie Rufbusse oder Bedarfsbusse als Großraumtaxi zum ÖPNV Tarif gibt, werden die nicht genutzt. Man darf in der Ruhe und Abgeschiedenheit eines entlegenen Dorfes nicht die Infrastruktur einer Stadt erwarten. Das geht nicht. Dorf bleibt Dorf mit allen Vor- und Nachteilen.

  3. 13.

    Der PlusBus war der erste Schritt seinerzeit zum verknüpften ÖPNV von und zur Fläche zu den ÖPNV Knoten mit Regionalexpress und anderen Buslinien. Das funktioniert hier bei uns seit Jahren sehr gut. Immer zum Takt des RE fahren und kommen die PlusBusse aus der Fläche. Weil die meistens die selben Wege fahren wie man mit Auto diese Strecke zurücklegt, brauchen die PlusBusse auch nicht wesentlich länger. Ein wenig zweifelhaft finde ich eine Linie hier bei uns, die weite Haken schlägt und dadurch statt 25 Min lockere 50 Min. braucht. Das ist dann kein Plus an Bus mehr.
    Die anderen beiden Linien fahren auf direktem Weg in die nächst gelegenen Kleinstädte und knüpfen sich dort an den regionalen ÖPNV in die Fläche. Nur könnten die PlusBusse bis 22 Uhr fahren. Bei uns ist um 19:30 Uhr Feierabend mit Plus an Bus. Da muss man zu Hause sein oder eben... ein Auto haben. Es ist noch Luft nach oben, besonders für Schichtarbeiter und Abends noch mal los-Leute.

  4. 12.

    Am Wochenende fahren die sogenannte PlusBusse teils nur alle zwei Stunden, ertse Bus gegen 10:00, letzte Bus nur mit vorherige fernmündliche Bestellung.

  5. 11.

    An "Moller" und "Ingo". Nölen, meckern, das Glas immer halbleer. Es sind Eure schlechten Launen. Hoffentlich steckt sich niemand an.

  6. 10.

    Ich finde das Angebot des PlusBus zumindest im Landkreis PM als sehr gelungen. Aber auch im Landkreis TF hat sich diesbezüglich viel bewegt. Ja am Wochenende und den Feiertagen ist die Taktung leider noch ausbaufähig, aber insgesamt ein tolles Angebot. Ich nutze den PlusBus sehr gern und mittlerweile - Dank des 49 EUR-Tickets - sehr regelmäßig und zwar tatsächlich auch als Autoersatz. Ich kann dem Land und dem VBB nur dazu raten - weiter so !!! Der PlusBus ist weitgehend pktl., sehr sauber und wesentlich zuverlässiger als die Bahn. Man kann tatsächlich damit 'planen' :-)

  7. 9.

    Aber genau darum geht es doch: Einen Standard zu schaffen, welcher dann irgendwann in jeden Ort kommt. Dafür braucht es aber vor allem eins: Mehr Geld vom Bund!

  8. 8.

    Wenn ich diese "Lobeshymnen" auf den ÖPNV lese, wird mir schlecht. Man sollte sich mal die Situation in "abgehängten" Orten ansehen! Einfach katastrophal.

  9. 7.

    Der Plusbus hier ist eine super Sache, der wird auch gern genutzt.
    Aber dafür zeitgleich eine andere Linie umlegen und ein Dorf wo sich eine Arztpraxis befindet nur noch mit umsteigen und in 25 Minuten statt 2 Minuten Fahrzeit und einem elend langen Fußweg zur Praxis erreichen können…..ob das nun der große Wurf war für Senioren die nicht gut zu Fuß sind? Könnte sowas miteinander zu tun haben?

  10. 6.

    Wird langsam Zeit dass sich die Zeitintervalle zwischen den Fahrzeiten verringern.
    Ansonsten kann man das Unternehmen nur beglückwünschen, ich nutze das Angebot nur gelegentlich
    aber immerhin gerne!

  11. 5.

    Ich bin mit den PlusBus sehr zufrieden, benutze ihn zwischen Wriezen und Strausberg. Was ich schade finde, dass er Wochenende nur bis 18 Uhr fährt und lediglich im 2 Stunden Takt. Aber vielleicht wird das Angebot in Zukunft hoffentlich verbessert

  12. 4.

    Der Plus-Bus als aufeinander abgestimmtes Bahn-Bus-System hat nachvollziehbarerweise zu Steigerungen bei den Fahrgastzahlen geführt, wo das eingangs geschilderte Erlebnis mir keineswegs unbekannt war: Der RE 7 hatte wieder mal saftige Verspätung, der Bus von (Bad) Belzig, der gerade die eingestellte Bahn ersetzt hatte, fuhr vor meinen Augen davon, als ich kurz vorm Bahnhofsausgang ankam.

    Die Koordination zwischen Bahn und Bus klappt jetzt offenbar und das bringt Menschen in den ÖPNV. - Den großen Sprung bringt allerdings der Schienenverkehr, soweit denn die Prognose beim Fahrgaststrom dies greifbar werden lassen. Der Bus wird nur als größeres und unbequemeres Auto begriffen, was man doch selber hat, die Bahn ist ein Verkehrsmittel eigener und anderer Art. Daraus resultiert der so bezeichnete Schienenbonus.

  13. 3.

    In Brandenburg sollte die Bahn ausgebaut und Bahnstrecken reaktiviert werden.
    Statt in moderne Infrastruktur zu investieren und den Bahnverkehr auszubauen - wird Nichts investiert und Nichts modernisiert.
    Sollen doch mal die Politiker, stundenlang mit dem Bus durch Brandenburg tuckeln auf maroden Landes-und Kreisstraßen - mit Halt an jeder Milchkanne.

  14. 2.

    Auffällig ist der Unprofessionalitaet der BusfahrerInnen, etwa plaudern sie die ganze Fahrt aufgeregt mit Fahrgäste, oder trinken von eine Flasche bei voller Fahrt (der Bus schlingelt merklich beim Anschrauben der Verschluss), lassen zu wenig Abstand zu Vordermann, bremsen rückartig ohne Not, ignorieren STOPPSchilder usw.

    Immerhin, "Mercedes mit Chauffeur" ist bequemer als eigener Opel steuern.

  15. 1.

    Es tut gut, Mal wieder einen positiven, mutmachenden Artikel zu lesen. Danke, den Aktiven! Ich wünsche Euch/uns weiterhin steigende Passagierzahlen! Ich bewundere Eure Ausdauer und freue mich für Euren Erfolg!

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