Aktionen auch in Berlin - Niedergelassene Ärzte schließen Praxen am Montag aus Protest

Mo 02.10.23 | 12:02 Uhr
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Ärzte gehen bei dem Protestmarsch „Ärzte in Not“ mit Schildern mit der Aufschrift „Ärzte an den Grenzen“ durch Berlin Mitte. (Quelle: dpa/F. Sommer)
Video: rbb24 Abendschau | 02.10.2023 | Material: Max Kell | Bild: dpa/F. Sommer

Ärzte mit Praxen sehen sich vom Bundesgesundheitsminister übergangen. Weil Betriebskosten steigen und sich aus ihrer Sicht die Aufnahme von Neupatienten kaum noch lohnt, protestieren sie. Das hat am Montag teils Folgen für die Versorgung.

Mehrere Praxen von Haus- und Fachärzten sind am Montag geschlossen geblieben. Aus Protest gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung hatten Ärzteverbände Praxisinhaber in ganz Deutschland zum Protest aufgerufen.

Unter anderem in Berlin gibt es auch begleitende Aktionen. Am Vormittag setzte sich ein Protestzug am Invalidenpark in Mitte in Bewegung. Die Teilnehmenden bewegten sich an der Universitätsklinik Charité vorbei in Richtung Gesundheitsministerium. "Wir wissen nicht genau, wie viele Praxen in Berlin sich dem Protest angeschlossen haben. Wir gehen davon aus, dass es zahlreiche sind", sagte die Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin, Dörthe Arnold.

"Wir unterstützen das und haben auch einen Notdienst eingerichtet." Auch sei der ärztliche Bereitsschaftsdienst verstärkt worden. In Berlin sollen am Mittag Ärztekittel symbolisch in der Öffentlichkeit niedergelegt werden.

Ärzte gehen am 02.10.2023 bei dem Protestmarsch "Ärzte in Not" durch Berlin Mitte. (Quelle: dpa-Bildfunk/dpa/Fabian Sommer)
| Bild: dpa/Fabian Sommer

Kritik am Bundesgesundheitsministerium

Den Anstoß zum Protest gab der Ärzteverband Virchowbund. Der Protest richtet sich nach Angaben des Virchowbunds gegen die Politik und die Krankenkassen.

Verbandchef und HNO-Arzt Dirk Heinrich kritisierte am Montagmorgen im rbb24 Inforadio, Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe die Praxen nicht im Blick. Als Hauptforderung nannte er, dass die gesetzlich festgelegte Begrenzung der Gelder, die von den Krankenkassen bereitgestellt werden, die sogenannte Budgetierung, abgeschafft wird.

Das Geld reiche nicht mehr, so Heinrich. Aktuell mache er in seiner Praxis sogar mit jedem dritten Patienten Verluste. Das wird nach Ansicht des Verbandchefs dazu führen, dass weniger Menschen behandelt werden können. Niedergelassene Ärzte mahnen auch gestiegene Kosten für den Betrieb von Praxen an.

Für jede Behandlung eines Patienten gibt es Geld von der Krankenkasse. Insgesamt ist die Summe jedoch gedeckelt. Wenn die Praxen mehr Menschen behandeln, bekämen sie ihre Kosten nicht voll erstattet, so die Kritik des Virchowbunds.

Lauterbach: "Soll der Beitragssatz für Arbeitnehmer steigen?"

Lauterbach äußerte sich am Sonntagabend zu der Protestaktion: "Am Brückentag schließen viele Praxen, wie die Apotheker wollen auch sie mehr Geld. Im Mittel (Median) verdienen sie aber nach Abzug aller Kosten um die 230.000 Euro pro Jahr", schrieb er im bei X, ehemals Twitter. "Soll der Beitragssatz für Arbeitnehmer steigen, damit das Honorar weiter steigt?"

Dirk Heinrich vom Virchowbund kritisierte, in dieser Debatte werde mit falschen Zahlen operiert - mit Zahlen pro Praxis. In einer Praxis sitze jedoch nicht immer ein Arzt, somit müsse durch die Zahl der Ärzte geteilt werden. Außerdem müssten bestimmte Kosten abgezogen werden, bei der Zahl handele es sich um einen sogenannten Rohertrag. Er verwies auf Berechnungen des Zentralinstituts für die Kasenärztliche Versorgung. Heinrich kündigte weitere Proteste an, falls nötig.

Sendung: rbb24 Inforadio, 02.10.2023, 7:00 Uhr

70 Kommentare

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  1. 70.

    " Klärung des Sachverhalts braucht Zeit und Erfahrung "

    richtig , und eine Betätigung liefert zB ein MRT, CT oder Röntgenbild , diese Techniken sind aus der Med. nicht mehr wegzudenken

  2. 67.

    Wir brauchen weniger Nuklearmedizin und mehr Allgemeinmedizin.
    Das Übermaß an Technik in der deutschen Medizin saugt Ressourcen aus der Basisversorgung ab und trägt im ärztlichen Alltag zu falschen Schlußfolgerungen bei. Die Diagnose begründet sich zu 90% auf der Erhebung der Patientengeschichte (Anamnese). Diese Klärung des Sachverhalts braucht Zeit und Erfahrung (aus vielen Jahren ärztlicher Tätigkeit). Beides wird nicht bezahlt.
    Zuviel Technik - zuwenig Basisversorgung.

  3. 66.

    Matze, das stimmt Neid ist blöd. Nur bin ich überhaupt nicht neidisch.Im übrigen brauche ich nur ein Auto und nicht gleich vier hochkarätige Psstarke Autos. Arbeiten gehe ich schon lange nicht mehr ich genieße meine Rente, wofür ich sehr lange schuften musste. Polikliniken, wie wir damals hatten ( was sehr gut war und viele Vorteile hatte), würde ich heute auch sehr begrüßen. Einen schönen Tag heute.

  4. 65.

    An einem Brückentag „streiken“ die Hausärzte …
    Hat irgendwie ein Geschmäckle.

  5. 64.

    „ Neid ist kein guter Begleiter und Ahnung sollte man von diesem Thema auch haben…“
    Der war gut, und das von Ihnen.

  6. 63.

    Zur Wahrheit gehört auch, dass Privatpatienten für die gleiche Leistung deutlich mehr bezahlen als Kassenpatienten. Keine Praxis und kein n Krankenhaus kann ohne Privatpatienten existieren.

    Wir brauchen ein generelles Umdenken. Abschaffung der kostenlosen Familienversicherung, zwingend alles machbare ambulant operieren, zwingendes Hausarztmodell. Außerdem verbot des aktuellen Missbrauchs von Notaufnahmen.

    Aber Patienten wollen nur Reformen nach dem Motto: wasche mich aber mach mich nicht nasse

  7. 62.

    Natürlich tragen die Patienten eine erhebliche Mitschuld.

    Die gute alte Hausapotheke der Oma wird immer seltener genutzt. Dazu kommt ein eklatanter Missbrauch der Notaufnahmen.

    Ebenso werden viele Eingriffe, die ambulant möglich sind, stationär durchgeführt.

    Ebenso wird viel doppelt behandelt, da das Hausarztmodell nicht zwingend ist.

    All das kostet extrem viel Geld, dass unnütz zum Fenster rausgeschmissen wird.

  8. 61.

    Falsch. Auch ein durch die Kommune betriebenes MVZ muss Überschüsse erwirtschaften. Mit diesen Überschüssen gleicht die Betreiberin andere Defizite aus

    Öffentliches Gesundheitswesen ist nicht billiger als das jetzige Modell

  9. 59.

    Kleiner Tipp, meine Tochter hat sich seinerzeit für die Facharztausbildung zur Nuklearmedizin entschieden. Geld und Arbeitszeit stimmen, es kommen nur vom Hausarzt u.a. Ärzten überwiesene Patienten, kaum Nörgler.

  10. 58.

    Also alles wie gehabt? 3Symptome? Nee 4: Husten, Schnupfen, Scheißerei und kein Geld. Wiegen, messen, Zettel an die Großzehe, das wären 3. Bei allem Eifer einen Termin zu ergattern, falls man einen Arzt findet, muss man heute damit leben, dass der nicht morgens um 8 alle 80 Patienten behandeln kann und vielleicht auch noch ein Privatleben hat, statt den Rund-um-die-Uhr-Bestellservice von amazon. Hausärzte sind eine aussterbende Art. Die finanzielle Reglementierung gehört abgeschafft und vielleicht ist es möglich, bei leichteren Beschwerden wie eben Erkältungen und Durchfallerkrankungen die vom Aussterben bedrohten Apotheken ins Boot zu holen, um den Krankenschein für max. eine Woche und die entsprechende Medikation auszustellen. Für die Coronascheine für die App war ja auch genug Zeit da und das würde die Praxen erheblich entlasten. Der Patient muss nicht 3 Stunden keuchend und schnoddernd im Wartezimmer ausharren. Zur Apotheke muss er danach sowieso, also warum nicht gleich?

  11. 57.

    Wer sagt denn das MVZs privat betrieben werden müssen ? Gesundheitsvorsorge ist Daseinsvorsorge und gehört in Staatshand. Ein MVZ muss kostendeckend arbeiten, aber nicht gewinnorientiert. Das geht nur wenn der Staat, die Stadt, Gemeinde der Betreiber ist. Auf dem flachen Land kann man ähnliches auch als Einzelpraxis installieren.

  12. 56.

    " . Insgesamt ist die Summe jedoch gedeckelt. Wenn die Praxen mehr Menschen behandeln, bekämen sie ihre Kosten nicht voll erstattet "

    das trifft auch zu , jede Praxis bekommt zum Quartalsbeginn eine Info über ihr Budget. Werden mehr Pat behandelt wird die vergütung " abgestaffelt " und deutlich weniger bezahlt. , oder anders : Mehrarbeit wird bestraft

  13. 55.

    ja, zumindest tut man so.

    die Gemeindeschwester der damaligen DDR soll nun auch wieder eingeführt werden, aber unter einem englischen Namen :
    „Family Health Nurse“ , wie albern

  14. 54.

    " Mehrheit ohne kassenärztliche Zulassungen in der Fläche, "

    die Fäche erodiert aber sehr stark

  15. 53.

    " Lukratives Geschäft : Wenn private Investoren Arztpraxen kaufen " ZdF heute

  16. 52.

    " MVZ sind das Gebot der Stunde. "

    bestimmt nicht, Investoren versuchen immer weiter Praxen aufzukaufen u, dann ein MVZ zu etablieren . Da besteht aber eine hohe Profitorientierung , die von den dort angestellten Ärzten erwartet wird , denn der Investor will ja Gewinne sehen, für sich

  17. 51.

    POLIKLINIK und MVZ nein Danke. In einer personengeführten Praxis läuft alles individuell und patientenbezogen, keine Komerzvorgaben vom Investor. Mal darüber nachgedacht wo die Dinger stehen? In Ballungsräumen und nicht in der breiten Fläche.

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