Hochbegabte im Job - Schlauer als der Boss

Mi 03.04.24 | 06:15 Uhr | Von Helena Daehler
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Symbolbild:Zwei Schachspieler bei einem Spiel.(Quelle:picture alliance/dpa/M.Brandt)
Video: rbb24 Abendschau | 03.04.2024 | Martin Schmitz | Interviewgast: Tanja Gabriele Baudson | Bild: picture alliance/dpa/M.Brandt

Zwei Prozent der Menschen haben einen IQ von 130 oder höher. Sie sind hochbegabt. Viele von ihnen wünschen sich Platz für Ideen und autonomes Arbeiten. Unternehmen sind davon schnell überfordert - die Hochbegabung wird zum Reibungspunkt. Von Helena Daehler

Jasmin Weiher (34) kann sich viele Dinge gleichzeitig merken und vergisst kaum etwas. Sie behält die Wettervorhersage immer im Kopf, den Bestand des Kühlschrankes, die Termine der Familie und die To-do-Liste. Kaum etwas schreibt sie auf. Mit einem IQ von 138 gilt sie als hochbegabt. Ihre Hochbegabung liegt unter anderem im sogenannten Arbeitsgedächtnis. Das bedeutet, sie kann sich detailliert und lange an alles erinnern, was sie liest oder hört. Außerdem analysiert sie schneller als andere Menschen komplexe Sachlagen.

Nach dem Abitur studiert sie im Rahmen ihrer Offiziersausbildung bei der Bundeswehr Bildungs- und Erziehungswissenschaften. Danach folgt noch ein Psychologiestudium. Heute arbeitet sie in Vollzeit bei der Bundeswehr und zusätzlich noch als Familienhelferin für das Jugendamt. Sie ist Jugendschöffin und engagiert sich als Elternvertreterin. Dazu kommt auch noch der Familienalltag mit ihren achtjährigen Drillingen.

"Viele verstehen das nicht und fragen mich, warum ich denn so viel machen muss", sagt Weiher. "Aber ich bin so einerseits ausgelastet, andererseits kann so auch die Gemeinschaft von meiner Begabung profitieren." Ihr eigentlicher Vollzeitjob mache ihr zwar Spaß, als hochbegabte Person könne sie aber kaum aufhören, sich Herausforderungen zu suchen.

Hochbegabung als Teil von Diversity-Strategien betrachten

In ihrer beruflichen Laufbahn hat die Offizierin auch negative Erfahrungen gemacht, wenn es darum geht, die Hochbegabung gegenüber Chef:innen zu kommunizieren: "Es ist tatsächlich so, dass Vorgesetzte sich auch bedroht fühlen. Das klingt jetzt ein bisschen scharf formuliert. Aber es kommt vor, dass sie Angst haben, dass ihre Kompetenz oder ihre Autorität unter der Hochbegabung eines anderen Menschen vielleicht leiden könnte." Weiher würde sich wünschen, dass Personen in Leitungsfunktionen sensibler werden im Umgang mit Hochbegabten.

Dieser Aussage schließt sich auch Tanja Gabriele Baudson an. Sie ist Vorsitzende des Hochbegabtenvereins Mensa, in den nur Menschen aufgenommen werden, die nachweislich einen IQ ab 130 haben. "Eine Chance wäre, die Hochbegabung generell als Teil des Diversity-Managements und Inklusion zu sehen." Das Potenzial von Hochbegabten wird ihrer Meinung nach von Arbeitgebern zu selten genutzt. Hochbegabte hätten beispielsweise einen besonders stark ausgeprägten Wunsch nach autonomem Arbeiten, so Baudson. Das sei zumindest bei den Mensaner:innen so. Arbeitgeber könnten dem nicht immer gerecht werden.

Eine nicht repräsentative Studie unter Mitgliedern des Mensa-Vereins aus dem Jahr 2016 bestätigt diese Aussage. 17 Prozent der Teilnehmenden waren zum Befragungszeitpunkt selbstständig tätig. In der gesamtdeutschen Bevölkerung waren es im selben Jahr lediglich etwas mehr als zehn Prozent.

Wenn Kreativität und Einsatz als Machtstreben missverstanden wird

Eine Studie der Universität Bochum zeige außerdem, dass Hochbegabte eine sehr hohe Gestaltungsmotivation haben, sagt Baudson: "Für Führungskräfte kann das eine ganz beruhigende Nachricht sein, dass die hochbegabten Arbeitnehmer einfach einen guten Job machen wollen, ihre Kreativität einbringen wollen, ihre vielen Ideen aber einen nicht am Stuhl sägen." Die Angst davor, dass Hochbegabte pauschal aufgrund ihrer besonderen Fähigkeiten auch nach Machtpositionen in Unternehmen streben, sei unbegründet.

Auch Jasmin Weiher, die Offizierin der Bundeswehr mit den vielen Nebenjobs, sucht die beruflichen Herausforderungen nicht im Erklimmen der Karriereleiter. Sie nimmt aber wahr, dass auch Arbeitskolleg:innen nicht immer nur positiv reagieren, wenn sie von ihren besonderen Fähigkeiten erzählt. "Ich habe festgestellt, dass man vorsichtig sein muss, wann man wie erwähnt, dass man hochbegabt ist. Viele Menschen begegnen einem dann mit Unsicherheit." Im Umgang mit Führungspersonen habe sie mittlerweile genug Selbstbewusstsein und Übung darin, die richtigen Worte zu finden.

Jasmin Weiher. (Quelle:Mark Albrecht)

Die Hochbegabung hat für Weiher aber nicht nur Vorteile. Wenn es um Feingefühl mit "nicht-hochbegabten" Freunden geht, falle es ihr manchmal schwer die richtigen Worte oder Ratschläge zu finden: "Manchmal ist es ja tatsächlich so, dass Menschen einfach nur ihr Problem äußern wollen und möchten, dass man zuhört. So funktioniert mein Gehirn aber nicht", sagt sie. "Ich analysiere, ich überlege und versuche eine Lösung zu finden. Das kann natürlich anecken."

Sendung: rbb24 Inforadio, 03.04.2024, 07.30 Uhr

 

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Beitrag von Helena Daehler

20 Kommentare

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  1. 20.

    "Und die Kommentare hier zeugen auch eher von Neid, statt von Respekt."
    Welche "Kompetenzen" wollen Sie denn haben? Soziale Kompetenz und hervorragende Fähigkeiten in der inhaltlichen Texterfassung sind es ja wohl nicht. Ich lese hier aus keinem aller fünf Kommentare vor Ihrem Neid heraus. Und bei einem IQ von nur 130 von sich schon von "Hochbegabung" zu reden, zeugt eher von Selbstwerterhöhung.
    Der Begriff der Höchstbegabung, der manchmal im Kontext mit IQ-Werten verwendet wird, ist wissenschaftlich nicht einheitlich definiert und auch nicht gebräuchlich. Laut der bekanntesten Definition gilt ein Mensch als höchstbegabt, wenn sein IQ-Wert über dem von 99,9 % der Bevölkerung liegt, also 145 oder mehr beträgt.
    Ein gutes Gedächtnis allein reicht imo für eine Hochbegabung nicht aus, wenn Kreativität und Empathie fehlen.

  2. 19.

    Wenn man so ein toller Mensch ist, oder sich dafür hält: Mal mit Selbstständigkeit versuchen. Dann lernt man am Schnellsten seine Grenzen kennen.... oder wird Elon Musk.

  3. 18.

    Wie wäre es mit Selbstständigkeit?
    Grüße von einer anderen Hochbegabten.

  4. 17.

    Schwer ist es auch für Vielbegabte. Bedeutet, dass man in vielen Bereichen "gut" ist, was für andere unglaublich ist. Es heißt, ich soll mich auf eine Sache konzentrieren,aber das kann ich einfach nicht. Und ja, die Gesellschaft ist dafür nicht "bereit". Neid, Machtgehabe usw. sind immer Thema. Aber nicht bei mir selbst. Ich will gar nicht Chef sein, sondern gern unterstützen, aber werde oft abgelehnt.So ziehe ich mich zurück, hab Depressionen und keine Kraft mehr. Dann heißt es: "Siehste...!"

  5. 16.

    Der Hochbegabte sagt dann wohl eher zu seinem Chef: "Hey Boss, ich bin zufrieden mit meinem Geld". So äußert sich wirkliche Hochbegabung gegenüber dem Chef. Immer schön die Kündigung vermeiden. :)

  6. 15.

    "Da kann sie noch so hochbegabt sein, der Tag hat nur 12 Stunden!"

    Recherchieren Sie das besser nochmal nach.

    "Oder sie überlässt die Carearbeit dem Vater?"

    Gäbe es daran etwas auszusetzen?

  7. 14.

    Es st ein schwieriges Thema. Selbst habe ich es durch ene lange Selbstständigkeit gelöst. Immer neue Projekte, Pitches und Forschung ließen eine langen Fokus nur temporär zu. Schnell wird es langweilig und natürlich ist Fachkompetenz von Vorgesetzten oft unterirdisch. Da gibt es schnell Reibung. Obwohl sehr gut bezahlt mache ich jetzt nur noch Dienst nach Vorschrift, unterichte als Dozent an einer Hochschule im Fernuntericht und studiere noch nebenbei ein neues Fachgebiet. Die naturwissenschaftliche Promotion unaktraktiv lange die in Recht lächerlich und so habe ich lieber weitere Fachgebiete studiert. Neben Informatik, Recht und Psychologie ertappe ich mich dabei schon wieder dabei Ausschau zu halten. Kollegen und Vorgesetzten macht das eher Angst.

  8. 13.

    Sie sprechen es selbst an Frau "Betroffene", schlechte Chefs suchen sich üblicherweise eher noch schlechtere Mitarbeiter, um selbst nicht irgendwann zur Disposition zu stehen. Ein hereingerutschter "Schlauer" ist da schnell unbeliebt.

    Aber "Hochbegabte" fühlen sich auch oft überlegen und wirken dadurch überheblich. Und da fehlt es denen vielleicht an der sozialen Intelligenz sich einzubringen ohne großkotzig zu wirken. Ich rate jedem unzufriedenen Hochbegabten sich selbständig zu machen. Man muss sich ja in Deutschland nicht durch unbegabte Chefs ausbremsen lassen. So kann jeder Hochbegabte (mwd) es allen zeigen und seine Fähigkeiten zu einem lukrativen Geschäft machen.

    Neid habe ich übrigens bislang nicht in den Postings hier entdeckt. Eher Mitgefühl.

  9. 12.

    Im Artikel wird es so dargestellt als sei das hohe Output Markenzeichen der Hochbegabung. Dem ist aber nicht so.
    Es gibt auch genug Hochbegabte, die - gerade auf beruflicher Ebene - eher "versagen".
    Denn diesem Satz kann ich zustimmen (MENSA):"Hochbegabte hätten beispielsweise einen besonders stark ausgeprägten Wunsch nach autonomem Arbeiten, so Baudson. Das sei zumindest bei den Mensaner:innen so. Arbeitgeber könnten dem nicht immer gerecht werden."
    Da kollidiert manches mit dem Durchschnitt und der Norm.

    Gruß an Martin (Kommentar 4 9:17 UHr)! Hier Kleinselbständigkeit unterm Armutsniveau (verschiedene Gründe).

  10. 11.

    Auf jeden Fall ,sollen und können Väter die care Arbeit für Kinder übernehmen. Nur dann die Bewältigung der Kindererziehung von Drillingen unter den Scheffel der Hochbegabung zu stellen ,haut nicht hin. Ich bin nicht neidisch, auch wenn ich nicht hochbegabt bin,weiss ich aber wie schwer es war, wenn ich Leitungspersonen über mich hatte, die mein Engagement und meine Kreativität blockiert haben.

  11. 10.

    >"JEDER ist schlauer als Kollegah ;)"
    ... und die anderen sind eh alle Idioten außer ich... ;-))

  12. 9.

    Aber nicht im öffentlichen Dienst. Dort zählt Vitamin B und das richtige Parteibuch.

  13. 8.

    wer begabt ist, der liest nicht nur den artikel, sondern nimmt auch gleichzeitig wahr, dass das gewählte bild mt zwei schachspielenden männer, das thema unterläuft, die gezeigte stellung quatsch ist und der angedeutete königszug nur nach c2 möglich wäre (auch ??)...
    wie lässt sich dem kreis erklären, was eine kugel ist? die schwierigkeit ist, die wahrnehmung ist eine andere...

  14. 7.

    JEDER ist schlauer als Kollegah ;)

  15. 6.

    Das kenne ich auch. Chefs, die sich bedroht fühlen und dann ihre „Macht“ raushängen lassen, anstatt die Kompetenzen ihrer Mitarbeiter im Sinne der Firma einzusetzen. Und die Kommentare hier zeugen auch eher von Neid, statt von Respekt. Ein Phänomen der Menschen, sich minderwertig zu fühlen. Von diesen kann man keine Toleranz erwarten.

  16. 5.

    Warum denn nicht, ich war mit unserem Sohn fast 2 Jahre zuhause, während Mama ihren Dr. gebaut hat. Das war die schönste Zeit meines Lebens.

  17. 4.

    Oder man endet als arbeitsloser der nirgendwo Anschluss bekommt und keinen Job halten kann, weil unser System von Anfang an für solche Leute gar nicht ausgelegt ist und sie einfach hinten runterfallen und schon in der Schulzeit und Ausbildung nur mit schlechten Zeugnissen und Bewertungen aufwarten können.

    Ständig eckt man an und wird selten akzeptiert wie man ist.
    Kreativität und sinnhaftes Denken ist meist eh unerwünscht.

    Die wenigen Prozent der hochbegabten die ihre Inselbegabung im Beruf wirklich ausleben können stehen in keinem Verhältnisse zu den Leuten die nicht akzeptiert werden und stumpfe arbeit verrichten mit der sie unglücklich sind.
    So etwas wie "hochbegabt" gibt's nur wenn man in anderen Sachen auch Defizite hat.
    Diese werden aber kaum von der Arbeitswelt akzeptiert.

    Grüße vom Bürgergeld Empfänger mit einem IQ von 142

  18. 3.

    "Schlauer als der Boss"

    Na und? Trotzdem sind diese Hochbegabten nicht der Boss und verdienen auch weniger Geld. Ein Chef muss nicht "hochbegabt" sein. Der Chef muss Aufträge rannholen und den Laden führen.

  19. 2.

    Es ist auch schwierig seiner Umwelt mitzuteilen " ich bin hochbegabt" ,dass hört sich immer schräg an für andere . Die meisten werden sich damit automatisch herabgesetzt fühlen . Wie aber Jasmin durch ihre viele Tätigkeiten ihren drei Kindern gerecht wird ? Da kann sie noch so hochbegabt sein, der Tag hat nur 12 Stunden! Oder sie überlässt die Carearbeit dem Vater?

  20. 1.

    Hochbegabte sind oft punktuell hochbegabt. Oft haben sie meiner Erfahrung nach Defizite an anderen Stellen. Es gibt ja viele Arten von Intelligenz: Technische, soziale, musikalische, sprachliche, künstlerische, ökonomische etc. etc.

    Gemessen wird oft hauptsächlich die technische Intelligenz. Menschen mit hoher universeller Intelligenz werden selbst Chef. Oder sind in der Lage, sich perfekt einzufügen und einzubringen, ohne den Chef zu nerven. Intelligent eben.

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