Fotoillustration: Handy mit persönlichem X-Account von Elon Musk vor AfD-Logo und deutscher Flagge (Bild: picture alliance / Sipa USA | Jonathan Raa)
picture alliance / Sipa USA | Jonathan Raa
Fotoillustration: Handy mit persönlichem X-Account von Elon Musk vor AfD-Logo und deutscher Flagge | Bild: picture alliance / Sipa USA | Jonathan Raa

Wahlaufruf für AfD - Wie gefährlich ist Elon Musks Macht?

Der reichste Mann der Welt dominiert derzeit die politische Debatte in Deutschland. Elon Musks Wahlaufruf für die AfD in der "Welt am Sonntag" war für viele ein Tabu-Bruch. Politiker von Merz bis Habeck reagierten empört, andere hingegen verweisen auf die Meinungsfreiheit. Neben Deutschland mischt sich Musk längst auch in die Politik anderer Länder ein, etwa wenn er den britischen König Charles zur Auflösung des Parlaments im Vereinigten Königreich auffordert.
 
Beitrag von Pune Djalilevand, Silvio Duwe, Chris Humbs und Kaveh Kooroshy

Auf seiner Plattform X dreht er indes täglich immer weiter auf: Er nutzt seine beispiellose Reichweite - für Attacken auf politische Gegner und für die Verbreitung von Fake News. Sein Netzwerk reicht von rechten Influencern, über den Chef des Springer Konzerns bis hin zum künftigen US-Präsidenten Donald Trump. Dessen Wahlkampf unterstützte Musk mit 250 Millionen Dollar. Und das Investment zahlt sich aus: Musk wird Regierungsberater und der Trumps designierter Vizepräsident Vance warnte die EU bereits, dass eine Regulierung von X Auswirkungen auf die US-Unterstützung für die NATO haben könnte. Kontraste geht den Fragen nach: Was hat Musk vor? Und wie gefährlich ist sein Einfluss?

Anmoderation: Schön, dass Sie da sind.
Hier bei Kontraste geht es heute unter anderem um die Frage, ob uns in Deutschland ein Krieg droht. Doch zunächst zum Wahlkampf, genauer gesagt zur Wahlkampfhilfe von Elon Musk für die Alternative für Deutschland. Heute Abend hat sich der reichste Mann der Welt auf seiner Plattform EX - ehemals Twitter - zum Gespräch mit der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel getroffen: Zugeschaltet waren bis zu 210 tausend Accounts. Dass sich die Unterstützung von Musk für Weidel ausgezahlt hat, kann man jetzt schon sagen - vor allem seit er das hier gepostet hat:

"Only the AfD can save Germany", also: Nur die AfD kann Deutschland retten. Vor diesem Post erreichte Alice Weidel im Schnitt rund 113.000 Impressionen auf X. Diese Zahl beschreibt, vereinfacht gesagt, wie oft Ihre Inhalte aufgerufen werden. Die hat sich nun für Weidel verachtfacht. Neben Deutschland mischt sich der Millardär zurzeit auch in die Politik anderer Länder in Europa ein - wohl auch weil es sich in den USA für ihn ausgezahlt hat. Was aber hat er vor?

Elon Musk – so inszeniert sich der Tesla-Chef: Auf 400 Milliarden Dollar wird sein Vermögen geschätzt. Viel Geld, mit dem er versucht, die Politik weltweit zu beeinflussen.

Elon Musk

"Woah"

In den USA ist er damit sehr erfolgreich: Eine Viertelmilliarde Dollar investierte er in Trumps Wahlkampf – und darf wohl bald mitbestimmen. Als enger Berater des künftigen US-Präsidenten plant er, den Regierungsapparat radikal umzubauen und zu schrumpfen.

Nach den USA, so scheint es, sind nun andere Länder dran: Über seine Plattform X spielt er seine Macht aus – und teilt die Welt in Gut und Böse ein.

In Großbritannien attackiert er den britischen Premier Keir Starmer und fordert König Charles auf, das Parlament aufzulösen. Sollte es keine Neuwahlen geben, bietet er an, Amerika könne die Briten von ihrer "tyrannischen Regierung" befreien.

Nikolaus Blome

"Wir schauen einer Radikalisierung im Minutentakt zu bei Elon Musk. Die Sachen werden immer widersprüchlicher, erratischer und beinahe irre. Das macht einem auf eine Art Sorge, ja, weil der Mann natürlich eine Menge wirtschaftliche Macht zusammengebracht hat und möglicherweise demnächst auch eine Menge politische Macht haben wird."

In Deutschland macht der Tech-Milliardär nun Wahlkampf für die AfD:

Elon Musk

"Nur die AfD kann Deutschland retten."

schrieb er Mitte Dezember auf X. Und erklärte kurz darauf in der "Welt am Sonntag" wovor: Die Partei sei "der letzte Funke Hoffnung". Deutschland taumele gar "am Rande des wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenbruchs." Die Welt druckt neben Musks AfD-Plädoyer einen Gegenkommentar: "Warum Elon Musk sich irrt."

Ein Wahlaufruf für eine in Teilen rechtsextreme Partei: für den Politikwissenschaftler Thorsten Benner eine Zäsur:

Thorsten Benner, Politikwissenschaftler

"Es ist schon Teil einer Normalisierung der AfD. Es ist zum ersten Mal, dass ein Medium, das Springer Verlags, eine offene Wahlempfehlung für die AfD veröffentlicht hat. Und das ist schon ein kleiner Meilenstein für die AfD."

Der Text löste eine große öffentliche Debatte aus. Auch innerhalb der Welt-Redaktion war die Veröffentlichung umstritten.

Nikolaus Blome war stellvertretender Chefredakteur beim Spiegel und bei der Bild, hat also auch mal für den Springer-Konzern gearbeitet. Für eine Zeitung sei so ein Artikel ein klarer Scoop. Dieser Versuchung hätte er aber wohl widerstanden.

Nikolaus Blome

"Ich hätte ihn vermutlich nicht gedruckt, weil ich ihn für zu dünn gehalten hätte oder zu dünn halte. Ich habe noch nie eine so platte Wahl-Aufforderung, Wahlwerbung in einer Zeitung für eine Partei gelesen. Das kann man als Anzeige schalten."

Aber Musk musste keine Anzeige schalten. Und das wirft bei manchen die Frage auf: Spielte die langjährige Verbindung zwischen Springer-CEO Matthias Döpfner und Elon Musk womöglich eine Rolle?

Thorsten Benner

"Ich glaube, dass diese Bühne, die man Musk gegeben hat, vor allen Dingen mit den Geschäftsinteressen Springers in den USA zu tun hat. Dort hat man Politico als wichtiges Medium gekauft. Dort möchte man weiter expandieren. Und im Zeitalter von Musk und Trump kann es nicht schaden."

Bei der Frage, wie es zu dem Beitrag kam, verweist der Springer-Verlag auf das Redaktionsgeheimnis. Laut Spiegel bestreitet der Konzern aber vehement, dass Matthias Döpfner etwas damit zu tun hat. Die Redaktion der Welt verteidigte die Veröffentlichung mit dem Verweis auf die Meinungsfreiheit. Die Auseinandersetzung mit polarisierenden Positionen sei wichtig.

Doch warum unterstützt Musk die AfD? Schließlich scheint er das Programm der Partei, der er die Rettung des Standortes Deutschland zuschreibt, gar nicht zu wirklich zu kennen.

Nikolaus Blome

"Über die AfD einen wahlwerbenden Text zu schreiben, ohne zu erwähnen, dass die Partei aus dem Euro raus will, aus der EU raus will, aus jedwedem Klimaschutz raus will, also diese ganze Republik komplett nullen, will, das kann man einfach nicht machen. Das ist so unterkomplex, das geht nicht."

Ein Beispiel: Die AfD ist strikt gegen klimafreundliche Wärmepumpen.

Frage: "Würden Sie beim Hausbau eine Wärmepumpe einbauen?"

Antwort Alice Weidel: Nein auf keinen Fall.

Der Tesla-Chef hingegen hatte sich für einen verpflichtenden Ausbau von Wärmepumpen ausgesprochen. Ein weiteres Beispiel: Die örtliche AfD war gegen den Ausbau von Musks Tesla-Werk in Grünheide bei Berlin.

Was ihn zur AfD zieht, sind wohl rein ideologische Gründe. Die offenbart er regelmäßig auf X, so Spiegel-Redakteurin Vicky Bargel, genauso wie seine Sympathien für rechte Influencer.

Vicky Bargel, Spiegel-Redakteurin

"Elon Musk hat ja Ende 2021 schon angekündigt, das Woke-Mind-Virus zerstören zu wollen und das ist eine klare Kampfansage. Und wenn er dann Unterstützerinnen und Unterstützer findet, Influencerinnen, die seine Thesen, seine Theorien verbreiten oder auch Theorien verbreiten, die er besonders gut aufgreifen kann, um dieses Ziel zu verfolgen, dann wird er das tun."

In Deutschland ist das vor allem diese rechtsradikale, AfD-nahe Influencerin: Naomi Seibt. Im Netz verbreitet sie auch antisemitische Verschwörungstheorien.

Naomi Seibt

"So ist eben die Unterdrückungshierarchie aufgebaut in Deutschland. Erst kommt der Ottonormalverbraucher, dann kommen die Muslime uns ganz oben steht eben der Jude."

Mit ihr kommuniziert Musk direkt über seine Plattform, etwa im Juni 2024.

"Warum gibt es so viele negative Reaktionen auf die AfD?"

Seither rühmt Musk die AfD und kommentiert regelmäßig Seibts Postings. Bundeskanzler Scholz bezeichnet Musk als "inkompetenten Dummkopf" und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nennt er einen "antidemokratischen Tyrannen". Ähnlich äußert sich auch Seibt.

Vicky Bargel, Spiegel-Redakteurin

"Ich glaube, dass sie ihm sehr nützlich ist, als ein Beleg dafür, so nach dem Motto "Ich spreche doch hier mit einer Deutschen, die weiß doch wie das ist vor Ort."

Der Kampf gegen die vermeintlich woke Gesellschaft tobt auf seiner Plattform. Untersuchungen zeigen, dass seit Musks Übernahme von X Hassrede dort deutlich zugenommen hat. Er selbst nutzt X regelmäßig, um Falschinformationen zu verbreiten – etwa im US-Wahlkampf mit diesem KI-generierten Bild von Kamala Harris.

Alle sollen alles sagen dürfen. Klassischer Journalismus sei überflüssig, so Musk. So schafft er eine Wirklichkeit, die er im besten Fall selbst bestimmen kann, sagt der ehemalige Welt-Journalist und Publizist Richard Herzinger. Musks Ziel sei es:

Richard Herzinger, Publizist

"Demokratische Prozesse eigentlich unmöglich zu machen, indem man den Unterschied zwischen überprüfbaren Wahrheitsgehalt von Aussagen und purer Fiktion zu eliminieren versucht."

Wer Musk widerspricht, wird von ihm abgestraft. Kürzlich erlebte das der rechte Brexit-Hardliner Nigel Farage: Er hatte auf Musks Unterstützung für den Rechtsextremisten Tommy Robinson nicht zustimmend reagiert. Kurz darauf forderte Musk:

Tweet: The Reform Party needs a new leader.  

Die Reform-Partei braucht einen neuen Chef.

Zuvor hatte Musk Farage auf X immer wieder hofiert.

Wie gefährlich Musks Einfluss noch werden kann, zeigt ein Post des Kreml-nahen Ideologen Alexander Dugin vor wenigen Tagen auf der Plattform X. Er erinnert erschreckend genau an Musks Vorgehen.

"Erste Schritte Deutschland – AfD schleunigst an die Macht. Großbritannien - Premier Starmer weg, Farage ins Amt. Meloni in Italien – lass sie... Macron weg, Le Pen ins Amt. Der ganze Rest ist nicht wichtig. Es ist ganz einfach."

Mehrfach teilt Alexander Dugin auch Elon Musks Posts. Laut Wall Street Journal soll Musk seit zwei Jahren in regelmäßigem Kontakt zu Putin stehen.

Thorsten Benner

"Dass der Traum des Kremls auch der Traum eines zukünftigen Mitglieds der US-Regierung, also von Elon Musk ist, sollte uns schon beunruhigen. Die Motivation mag eine unterschiedliche sein. Aber für Musk glaube ich, geht es darum, dass er Verbündete sucht für seinen libertären autoritären Autoritarismus, dem er sich verschrieben hat. Wenig Staat, außer der Staat bringt mir Aufträge für meine Unternehmen und der starke Mann an der Spitze, der schadet nicht."

Wie erfolgreich ist Musk mit dieser Strategie? In den USA ging sein Plan bereits einmal auf: Im US-Wahlkampf sprang ihm der Vize-Präsidentschaftskandidat JD Vance beiseite. Die EU ermittelt gegen Musks Plattform, wegen Hassrede, Hetze und Falschinformation. Sollte die EU gegen X vorgehen, könnte das negative Folgen für den US-Beitrag zur Nato haben, drohte Vance:

JD Vance

"If Nato wants us to continue supporting them and NATO wants us to continue to be a good participant in the military lines, why don’t you respect American Values and Free Spreech."

"Wenn die NATO will, dass wir sie weiterhin unterstützen und ein aktiver militärischer Partner bleiben, warum respektiert ihr dann nicht die amerikanischen Werte und die freie Meinungsäußerung?"

Ein amerikanischer Vize-Präsident in spe, der die EU erpressen will – ganz im Sinne von Musk.

Richard Herzinger

"Musk ist also gewissermaßen ein Typus, ein neuer Typus eines Tech-Oligarchen. Es ist eine gesellschaftliche Tendenz oder eine gesellschaftliche Veränderung, die sich darin abzeichnet, dass diese vermeintlichen genialen Führer, genialen Anführer sich ermächtigt sehen, nunmehr die Geschicke der gesamten Menschheit alleine zu bestimmen."

Vor zwei Tagen nun kündigte auch Meta-Chef Mark Zuckerberg an, künftig auf Facebook und Instagram auf Faktenchecks zu verzichten – zunächst nur in den USA. Ganz zur Freude des Kreml-nahen Ideologen Dugin: "Zuckerberg spricht jetzt Elons Sprache. Ein gutes Zeichen."

Der spanische Premier Sanchez kritisiert Musk scharf,

Pesro Sanchez, Ministerpräsident Spanien

"Er greift offen unsere Institutionen an, schürt Hass und ruft offen zur Unterstützung der Erben der Nazis in Deutschland auf."

Zuvor hatten auch der britische Premier und Frankreichs Präsident Macron Musk Lügen und Desinformation vorgeworfen. Es regt sich Widerstand gegen den reichsten Mann der Welt – noch gibt es Regierungschefs, die es wagen, sich gegen ihn zu stellen.

weitere Themen der Sendung

Fotomontage von Sturmgewehr auf Deutschland-Umriss und Camouflage-Hintergrund (Bild: Colourbox)
Colourbox

Russland - Die Angst vor dem Krieg – Europa bereitet sich vor

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