Konzertkritik | Atrin Madani - Zwischen tiefem Gefühl und tapsiger Showman-Maske

Mi 24.04.24 | 08:29 Uhr
Sänger Atrin Madani bei Proben zu seinem neuen Programm WELCOME TO MY WORLD in der Bar jeder Vernunft in Berlin am16.04.2024.(Quelle: picture alliance/dpa/XAMAX)
Audio: rbb24 Inforadio | 24.04.2024 | Jakob Bauer | Bild: picture alliance/dpa/XAMAX

Kürzlich war Atrin Madani für den Deutschen Jazz-Preis nominiert - ein großer Erfolg für den jungen Sänger. Am Dienstag hat er sein zweites Solo-Programm "Welcome To My World" in der Bar Jeder Vernunft vorgestellt. Jakob Bauer sah zwei unterschiedliche Konzert-Hälften.

Tief Luft holen, ausatmen, ein schüchternes Lächeln ins Publikum – Atrin Madani ist sichtlich nervös, als er die Bühne der Bar Jeder Vernunft betritt. Und das ist auch vollkommen nachvollziehbar, denn obwohl Madani von Kindesbeinen an eine professionelle Gesangsausbildung genossen, mit den Berliner Philharmonikern und dem Deutschen Symphonie-Orchester gesungen hat und Jazzgesang studierte, so eine eigene Show ist dann doch nochmal eine andere Hausnummer.

Gerade im immer noch jungen Alter von 25 Jahren. Aber die Stimme ist trotz der Aufregung von Anfang an da. Samtig weich, schmelzend zart begrüßt Madani das Publikum, passend zum Titel des Programms, mit dem Song "Welcome To My World" von Ray Winkler und John Hathcock aus den 1960ern.

Einstudierte Gesten, blasse Pointen – liegt’s an der Nervosität?

Um die 20 Titel hat Madani herausgesucht, er präsentiert sie zusammen mit dem Pianisten Paul Hankison. Bekannte Pop-, Musical- und Chanson-Klassiker aus vielen Jahrzehnten, von Hildegard Knef über Manfred Krug hin zu Take That. Es sind Lieder, die sein Leben geprägt haben, aber es wirkt so, als hätte der Sänger Madani den Showman Madani noch nicht so recht gefunden.

Der Gesang ist technisch super, die Stimme toll, aber, vielleicht liegt es auch einfach an der Nervosität, Madani macht sich die Songs nicht so recht zu eigen. Er setzt wenig stilistische Duftmarken, es bleiben oft eben nur gut nachgesungene Songs ohne eigenen Dreh. Ohne, dass man das Gefühl hat, hier eine packende oder berührende neue Interpretation zu hören.

Die Gesten beim Gesang und die Moderationen zwischen den Songs wirken zu einstudiert und die Pointen sind ein bisschen blass. Oder auch nicht so wirklich da. Zum Beispiel, als Madani kurz über die WM 2018 spricht, dann gleich ins Jahr 2014 springt, zu seinem schönsten Sommer, erzählt er, denn damals gewann Deutschland den WM-Titel.

Direkt danach fliegt der Teenager mit seinem Vater nach London in den Urlaub, dort laufen sie hinter einem Mann her, der in einem bestimmten Rhythmus durch die Gegend stapft und "Raindrops Keep Falling On My Head" pfeift und seitdem, sagt Aldani, sei der Song für ihn super, wenn er den Blues habe. Und man hat das Gefühl, irgendetwas Relevantes nicht mitbekommen zu haben.

Und dann fängt alles an zu leben

Aber trotzdem berührt dieser Abend ziemlich. Denn nach der Pause verlässt Madani die Posen und plötzlich kommt man diesem sensiblen Mann ganz nah. Diese perfekte, aber bisher eher pflichtbewusste Stimme fängt an zu leben. Madanis Eltern sind Iraner und er erzählt, wie er 2009, nach der Beerdigung seiner Großmutter in Iran, wusste, dass er das letzte Mal dort sein würde.

Er erzählt von seiner großen Trauer über die Zustände dort jetzt, er stimmt den Ruf "Frau, Leben, Freiheit" an und dann ein Lied über die Zerrissenheit und die Liebe auf Persisch. Da gibt’s keine tapsige Show-Man-Maske mehr. Madani weint. Dann singt er, er wird zu diesem Song. Dann weint er wieder. Überwältigt von Trauer über Iran und Freude über das Hier und Jetzt.

Der Showman muss seine Rolle erst noch finden

Und dann fällt der Druck ab. Es wird lässiger, lustiger, nahbarer, emotionaler und man geht so ein bisschen zwiegespalten aus diesem Abend raus. Dieser Mann hat zweifelsohne eine großartige Stimme, ein riesiges Herz und auch etwas zu Erzählen.

Trotzdem: Der Showman Madani – er muss seine Rolle auf der Bühne erst noch finden. Aber er hat ja noch Zeit. Sein Programm ist noch bis Sonntag in der Bar Jeder Vernunft zu sehen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 24.04.24, 06:55 Uhr

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