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Erst wurde sie als Menschenretterin gefeiert, dann inhaftiert. Sara Mardini ist ehemalige Schwimmsportlerin aus Syrien. 2012 ist sie mit ihrer Schwester geflohen und hat auf dem Weg über das Meer anderen Flüchtenden das Leben gerettet, als das Schlauchboot in Seenot geriet. Dafür wurde sie geehrt. In Griechenland kam sie aber später ins Gefängnis, weil sie hier als Aktivistin Menschen auf der Flucht geholfen hat. Der Dokumentarfilm "Sara Mardini – Gegen den Strom" von Regisseurin Charly Wai Feldman erzählt ihre Geschichte.
Einmal als Schwimmerin bei Olympia dabei sein, das war Sara Mardinis Traum.
Sara Mardini, Schwimmerin
"Ich komme aus einer Sportlerfamilie aus Damaskus. Meine Schwester Yusra und ich wuchsen im Schwimmbad auf. 2015 wird es bombardiert."
Sara und ihre Schwester flüchten übers Mittelmeer.
Sara Mardini, Schwimmerin
"Wir sind auf einem Boot. Von der Türkei nach Griechenland. 19 Menschen. Wir sinken. Ich springe ins Wasser, greife ans Boot und schiebe. Meine Schwester folgt. Nach dreieinhalb Stunden erreichen wir Lesbos."
Sie haben alle gerettet. Ihr mutiger Einsatz geht durch die Medien. Sara und Yusra werden international berühmt. Und mit ihrer Rettungsaktion machen sie auch politisch auf die Situation Geflüchteter aufmerksam.
Yusra kann ihre Schwimmkarriere sogar bei Olympia fortsetzen. Sara, aber, die sich bei der Rettungsaktion die Wirbelsäule verletzt, muss den Profisport aufgeben.
Sara Mardini, Schwimmerin
"Ich fühlte mich verloren. Ich bin zurück nach Griechenland, um mich zu finden."
2018 versucht Sie mit anderen freiwilligen Helfern vor Lesbos das Leben von Flüchtlingen zu retten. Aber für ihren humanitären Einsatz drohen ihnen hohe Gefängnisstrafen.
Auch Sara Mardini kommt ins Gefängnis.
Sara Mardini, Schwimmerin
"Erst haben wir gelacht. Alter, was ist das für ein Scheiß. Aber sie inhaftierten uns dreieinhalb Monate. Sie sagten, wir seine Spione, weil wir verschlüsselte Software benutzt hätten. WhatsApp. Wir würden Geld waschen, weil wir Spenden für Projekte sammelten. Wir seien Menschenschmuggler, weil wir medizinische Versorgung leisteten und Wasser und Decken am Strand verteilten."
Sara Mardini drohen für ihren humanitären Einsatz weitere 20 Jahre Haft. Diese Kriminalisierung hat sie völlig aus der Bahn geworfen.
Sara Mardini, Schwimmerin
"Diese riesige Mauer aus Angst hindert mich daran, so mutig zu bleiben, wie ich immer war. Frei zu tun, was ich will, so wie alle in meinem Alter. Ich hänge seit vier Jahren in einer Warteschleife fest."
Es geht auch um Einschüchterung. Regisseurin Charly Wai Feldman erzählt in ihrem Dokumentarfilm auch, wie humanitäre Hilfe kriminalisiert und mit langwierigen Prozessen überzogen wird.
Charly Wai Feldman, Regiesseurin
"Solche Ungewissheiten führen dazu, dass Rettungsaktionen nicht mehr durchgeführt werden: die Macht dieses Prozesses ist, dass er nicht stattfindet, dass er eine Bedrohung bleibt."
Das ist jetzt fünf Jahre her. Die Situation der Bootsflüchtlinge lässt Sara nicht los. Obwohl noch die Anklagen über ihr schweben, nimmt sie an einer weiteren Rettung teil. Dieses Mal mit dem Rettungsschiff Sea-Watch.
Sara Mardini, Schwimmerin
"Libysche Küstenwache, der Tag war so schrecklich, weil wir sie nicht mitnehmen konnten, die nahmen sie an Bord, wir sahen, wie sie sie schlugen, das war schlimm."
Sara erlebt mit, was es heißt, wenn Europa seine Abwehr gegenüber den Bootsflüchtlingen noch verstärkt.
Horst Seehofer
"Es kommt erst die Schaffung der Ordnung und dann wenden wir uns diesem Thema der Humanität zu."
Sara Mardini, Schwimmerin
"Ich lebe in Großbritannien, und da hat die Regierung gerade angekündigt, dass Bootsflüchtlinge keine Chance mehr bekommen sollen, Asyl zu beantragen. Ich hätte nie gedacht, dass solche politische Rhethorik akzeptiert und benutzt wird, um Wählerstimmen zu bekommen."
Europa hat bis heute keine humane Lösung gefunden, wie es mit den Menschen, die übers Meer flüchten, umgehen will. Sara macht, ganz praktisch, einen Vorschlag.
Sara Mardini, Schwimmerin
"Weniger reden, weniger Politik und Verhandlungen, einfach anpacken!"
"Wir haben doch die Werkzeuge und den Grips dazu. Es braucht nur bisschen mehr Geld, wir müssen es nur wirklich wollen. Hört auf die junge Generation und seid bereit, Veränderung zu akzeptieren."
Ein Teil der Anklagen gegen die Flüchtlingshelfer hat das griechische Gericht vor kurzem zurückgewiesen. Für die schwerwiegenden Vorwürfe drohen Sara weiterhin 20 Jahre Haft.
Autor: Ralf Dörwang