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"El Hotzo" ist einer der erfolgreichsten Social-Media Stars des Landes. Hundertausende Follower lesen seine beißenden Kommentare über Alltägliches, aber auch über Politik. Eigentlich heißt er Sebastian Hotz und ist im Wedding zuhause. Jetzt hat er das Buch "mindset" geschrieben.
"Was unterscheidet den Wolf vom Schaf (…) Der Wolf ist Jäger und das Schaf ist Gejagter, weil ihr Mindset ihnen das vorschreibt. Es gibt keinen biologischen Grund dafür, dass sich Schafe nicht umdrehen und anfangen die Wölfe zu jagen. (…) Das einzige Tier, das die Macht hat, vom Schaf zum Wolf zu werden, ist der Mensch."
Diese krude Philosophie vom "richtigen Mindset", dass es jeder vom Verlierer zum Gewinnertypen schaffen kann, wenn er nur will. Das ist das Thema in Sebastian Hotz‘ neuem Roman.
Sebastian Hotz, Autor
"Mindset ist ja die Versprechung, dass alles Schlechte im Leben von einem selbst abhängt und man sich nur ein bisschen anstrengen muss. Und schon wird dein Leben von der Durchschnittlichkeit, vor der du dich so fürchtest, zum schönsten Leben aller Zeiten. Und deshalb ist das Mindset verantwortlich für Armut, weil die eben nicht das richtige Mindset haben. Und auch für Reichtum, weil Elon Musk hat das richtige Mindset, der hat sich einfach genug angestrengt."
Ein kapitalistisches Heilsversprechen – und neoliberaler Erfolgsmythos, dem manch einer nur zu gerne erliegt.
"Nothing can stop me, I’m all the way up."
So wie die zwei jungen Männer in Sebastian Hotz‘ Roman.
Da ist Maximilian: selbsternannter Erfolgs-Guru, Krypto-Trader und Sportwagenfahrer. In seinem Coaching-Programm "Genesis Ego" will er anderen jungen Männern die Erleuchtung bringen.
Der frustrierte IT-Mitarbeiter Mirko lernt von ihm, dass es "Mindset, Disziplin, Ego" braucht, um erfolgreich zu sein.
Eine fiktive Welt, aber wie abgeschrieben aus den realen Social Media Feeds vieler junger Männer.
Die sich Erfolgs- und "Männlichkeits"-Influencer wie Andrew Tate zum Vorbild nehmen. Der saß gerade in U-Haft. Der Verdacht: Menschenhandel und Vergewaltigung.
Sebastian Hotz, Autor
"Diese Typen, von denen ich schreibe, sind einfach erstens eine Bedrohung. Das ist echt… Man braucht nicht viel, um die dahin zu schubsen, dass irgendwas Schreckliches passiert. Und es ist auch etwas, das sich fortsetzt in all diese seltsamen Männlichkeits-Theorien, die nicht nur im Internet gerade wirklich gefährliche Blüten schlagen. Also ob das jetzt eine Erzählung von Alpha-, Beta- und Sigma-Mann oder vom Wolf und vom Schaf ist. Das ist natürlich eine sehr einfache Fortführung dieses kämpferischen Denkens: Niemals aufgeben, Oliver Kahn."
Sebastian Hotz: auch bekannt als El Hotzo. Satiriker und Social Media-Größe. Wir treffen ihn in seinem Fitnessstudio im Wedding. Wo sonst könnte man besser über junge Männer im Kampf mit sich und der Welt sprechen? Vor einigen Jahren noch war Sebastian Hotz Vertriebsmitarbeiter, jetzt ist er: Twitter-König, Autor, Podcaster und Gag-Schreiber im Team um Jan Böhmermann. Auf Instagram und Twitter erreicht er Millionen.
Denn: für viele trifft er oft genau ins Schwarze – mit seinen witzig-banalen Alltagsbeobachtungen und gesellschaftskritischen Tweets. Sein Modus: Punchlines raushauen. Jeden Tag! Am liebsten gegen Neoliberalismus, Kapitalismus und alles, was er für gestrig hält. 70 bis 80.000 Tweets hat er schon geschrieben, schätzt er.
"Noch so zwei bis drei globale Krisen und schon ist Frühling."
"Beim Klimaschutz kommt es auf uns alle an, es reicht schon, wenn jeder einzelne von uns eine Minute kürzer duscht oder auch nur einen einzigen Milliardär frisst."
"Christian Lindner ist die Philipp Amthor-Version von Elon Musk."
Einer seiner Lieblings-Feinde ist Elon Musk. Dem jetzt Twitter gehört. Ist das nicht ein Widerspruch in sich: Gesellschaftskritik auf Plattformen, die milliardenschweren Digitalkonzernen und Typen wie Musk gehören?
Sebastian Hotz, Autor
"Also am Anfang war es natürlich so: ‚Ogottogott, der verrückte Krypto-Faschist ist jetzt mein Chef auf Twitter.‘ Aber letztlich ist es so ein bisschen: Ob meine Wohnung jetzt Deutsche Wohnen oder Vonovia gehört… Es ist so egal, wer der Eigentümer ist. Es ist halt am Ende einfach scheiße, dass es überhaupt jemanden gehört. Und ich habe auch einen sehr warmen Ort in meinem Herzen für Twitter. Und wenn irgendwann mal Elon Musk endlich das letzte Kabel der Server durchbeißt, dann wird da ein großer Teil von mir sterben."
3.000 Tweets: so lang ist "Mindset". Manchmal bleibt der Roman etwas zu sehr an der Oberfläche, rauscht stellenweise durch die Handlung. Seine Stärke aber ist die sehr ernstgemeinte, große Erzählung unter der Satire: über eine Gesellschaft aus Senkrechtstartern und Abgehängten – in der Durchschnittlichkeit immer weniger eine Option ist, auf dem Weg zum Glück.
Sebastian Hotz, Autor
"Menschen gehen ja nicht einfach so diesen Menschenfängern ins Netz, sondern die machen das, weil sie etwas antreibt. Und das, was sie antreibt, ist eigentlich zutiefst traurig. Das hat mit einem Männlichkeitsbild zu tun, das propagiert wird. Es hat aber natürlich auch damit zu tun, dass es für Männer Anfang 20 oder noch ein bisschen jünger einfach sehr deprimierend sein kann, dass die nächsten 50 Jahre des Lebens aus Arbeiten besteht. Und dann stirbt man möglichst schnell, damit man keinen volkswirtschaftlichen Schaden durch den Rentenanspruch verursacht. Wir sind es nicht nur jungen Männern schuldig, sondern wir wären uns allen… Es wäre uns allen geholfen, wenn eben Selbstausbeutung und Ausbeutungsmechanismen nicht mehr so die einzige Möglichkeit wären, in der wir existieren können."
Autorin: Jella Mehringer